Pornografie: Frauenhass ist strafbar!

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Im deutschen Strafgesetzbuch gibt es den § 130, in dem heißt es: „Wer (...) zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert oder die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, wird mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“ Auch Frauen sind „Teile der Bevölkerung“. Und dass Pornografie die Menschenwürde verletzt und zum (Frauen)Hass aufstachelt, ist offensichtlich. Worauf also warten wir, die Pornografen wegen Verletzung des § 130 anzuzeigen?

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In Absatz 2 von § 130 heißt es weiter: „Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren wird bestraft, wer Schriften, die zum Hass gegen Teile der Bevölkerung oder gegen nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppen aufstacheln“ verbreitet. Zu den „Schriften“ gehören, rein juristisch gesehen, auch die „Tonträger“, also auch die Hass-Rapper (siehe Seite 86).

In dem darauf folgenden § 131 geht es um „Gewaltdarstellung“, also wohlgemerkt: nicht um die Ausübung, sondern um die Darstellung von Gewalt. „Wer Schriften, die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen in einer Art schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder das grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletztenden Weise darstellen“, herstellt, anbietet, verbreitet etc. wird mit bis zu einem Jahr Gefängnis bestraft.

Also genau das, was in Bezug auf die Betroffenheit von Frauen in der Pornografie immer als „Meinungsfreiheit“ oder „folgenlose Fantasie“ bezeichnet wird, ist in Bezug auf andere Menschengruppen eine eindeutige Straftat. Warum? Sind Frauen keine „Menschen“ oder „menschenähnliche Wesen“? Sind Begriffe wie „Nutte“ oder „Fotze“, die alle Frauen meinen, harmloser als „Nigger“ oder „Kanake“? 

Ist die lustvolle Darstellung einer Gruppenvergewaltigung oder eines Sexualmordes, deren Opfer in der Regel Frauen (bzw. Kinder) sind, harmloser als die Propagierung von Verachtung und Gewalt gegen Fremde?

1978 drückte Richter Manfred Engelschall in seinem Urteil im so genannten Stern-Prozess, in dem auf Initiierung von EMMA zehn Frauen den Stern wegen „frauenverachtender Titelbilder“ verklagt hatten, sein Bedauern aus, dass er die Klage abweisen musste, denn: „In 20, 30 Jahren würde Klägerinnen vielleicht Recht gegeben werden“ - aber noch gäbe es dafür keine gesetzliche Grundlage. Die gibt es bis heute nicht.

1988 lud die SPD zu der Frage, ob es statt des geltenden Pornografie-Gesetzes zum „Verstoß gegen Sitte und Anstand“ nicht ein zeitgemäßes gegen den „Verstoß gegen die Menschenwürde“ geben müsste, zum Hearing nach Bonn. Auslöser war der diskutierte Gesetzesvorschlag von EMMA, der Pornografie als „die Verknüpfung von sexueller Lust mit Lust an Erniedrigung und Gewalt“ definierte. Ausnahmslos alle ExpertInnen waren sich einig, dass so ein Gesetz her müsse. Es geschah – nichts.

Sehr prompt allerdings wurde nach fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Hoyerswerda und Solingen in den 90er Jahren der Begriff „Fremdenhass“ in die Kriminalstatistiken eingeführt – seither kann das Ausmaß des Motivs Fremdenhass sehr genau erfasst werden.

1998 forderte ein Kreis von Spitzenpolitikerinnen, darunter Ex-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Ex-Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD), die Einführung des Motivs „Frauenhass“ parallel zu dem Motiv „Fremdenhass“ ins Gesetz. „Pornografie ist sexualisierter Frauenhass“, argumentierten sie, sie müsse darum „geächtet und bekämpft werden“. Die Politikerinnen forderten darüber hinaus: „Die Opfer von Frauen/Kinder-Hass sowie die Täter müssen in polizeilichen und juristischen Statistiken gesondert ausgewiesen werden, differenziert nach Geschlechtern. Und dies möglichst unter besonderer Berücksichtigung eines direkten Zusammenhanges mit der Produktion bzw. dem Konsum von Pornografie.“

Die amtierende Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) nahm die Anregungen ein Jahr später auf und kündigte in einem EMMA-Interview „ein vernünftiges Gesetz gegen Pornografie als Verstoß gegen die Menschenwürde“ an, sowie „Sanktionen für Handel mit und den Konsum von Pornografie“.
„Die Parallele Ausländerhass/Frauenhass liegt sehr nahe“, befand Däubler-Gmelin. Drei Jahre später war sie nicht mehr im Amt. Acht Jahre später, 2006, antwortet eine andere SPD-Justizministerin, Brigitte Zypries, im EMMA-Interview auf die Frage nach juristischen Maßnahmen gegen den Frauenhass sehr erstaunt: „Dass wir Fremdenhass und Antisemitismus unter Strafe stellen, hat in Deutschland auch historische Gründe. Um jedoch das Motiv ‚Frauenhass‘ strafrechtlich zu fassen, müsste es Menschen geben, die Frauen umbringen, nur weil sie Frauen hassen. Ich habe davon noch nichts gehört.“

Wir haben es bei der Pornografie, dieser Darstellung von sexualisiertem Frauenhass in Bild und Text, seit der Liberalisierung 1976 also mit einem Auf und Ab in Wahrnehmung und Bewusstsein zu tun. Nur eines steigt unablässig: die Verbreitung und der Konsum von Pornografie.

Sicher, es ist etwas passiert. Am 27.12.2003 wurde im Zuge der Sexualstrafrechtsreform auch der Pornografie-Paragraph ergänzt: in Bezug auf Kinderpornografie und neue Medien. Und richterliche Rechtssprechung und juristische Kommentierungen stellen Pornografie seither nicht länger als Verstoß gegen „Anstand und Sitte“ dar, sondern als Entmenschlichung der Sexualität: „die Darstellung entpersönlichter sexueller Verhaltensweisen, die die geschlechtliche Betätigung vollständig oder weitgehend von personalen oder sozialen Sinnbezügen trennt und daher kein personales Anerkennungsverhältnis, sondern eine Subjekt-Objekt-Beziehung zum Ausdruck bringt“.

Das ist ein Fortschritt. Doch in dem gesamten §184 und seiner Handhabung geht es ausschließlich um Jugendschutz, also um Pornografie, die unter Achtzehnjährigen zugänglich ist. Bis heute schützt niemand die Frauen vor Pornografie. Warum?

EMMA fordert darum endlich eine dem Ernst des Problems angemessene Debatte und Forschung in Bezug auf das Wesen und die Auswirkungen von Pornografie – sowie eine angemessene Umsetzung der Erkenntnisse in Zivil- und Strafrecht. Dabei müssen Fragen wie „Menschenwürde“ und „Frauenhass“ im Zentrum der Überlegungen stehen.

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