Drei Frauengenerationen

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Karla, wie bist du eigentlich zur Frauenbewegung gekommen?
Karla: Mein Mann war bei der Bundeswehr und wir waren von 1966 bis 1969 in den USA. Da durfte ich nicht arbeiten, war also Hausfrau. Und in Texas auf diesem Militärstützpunkt habe ich auch nichts von der amerikanischen Frauenbewegung mitbekommen. Aber als wir Anfang der 70er zurückkamen, war sie hier in vollem Gange.

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Und du?
Karla: Ich wollte irgendwas machen, raus aus dieser Enge! Mein Mann schleppte mir dann Prospekte an, von den CDU-Frauen und den Unternehmensberaterinnen und was weiß ich noch alles. Ich habe mich dann aber für die FBA entschieden – die Frauenbefreiungsaktion! Die fand ich passend für mich.
Alle: Lachen.

Und wie fand das dein Mann?
Karla: Mein Mann war außer sich. Der sagte: „Ausgerechnet da musst du hingehen, wo es doch so viele seriöse Gruppen gibt!“ Da kriselte es schon in meiner Ehe. Er war auch fremdgegangen, das Übliche eben.

Wo hast du denn von der Frauenbefreiungsaktion gehört?
Karla: Das muss an der Kölner Fachhochschule gewesen sein, wo ich 1973 angefangen hatte, Sozialarbeit zu studieren. Ich hatte mich in meiner Ehe wirklich freigestrampelt, auch mit Hilfe meiner Tochter Angela. Die war die Jüngste und die Rebellischste. Was ich mich nicht traute, meinem Mann zu sagen, hat sie gesagt. Ich war als Kind und Jugendliche auch immer rebellisch gewesen. Aber irgendwie bin ich mit der Rebellion steckengeblieben. Und dann hatte ich das Gefühl: Ich muss mit 36 wieder anfangen, wo ich mit 18 aufgehört habe. Also bin ich an die FH gegangen. Und da hörte ich von der FBA und ging zu diesen Versammlungen und Plenen von Frauen, wo wild durcheinander geredet wurde.

Worüber?
Karla: Zum Beispiel über Abtreibung. Ich hatte eine Abtreibung in den USA hinter mir, bei einer Mexikanerin, das war grausig. Darüber habe ich berichtet. Die Studentinnen waren ja alle jünger als ich. Die behandelten mich, als wäre ich ’ne Rarität. Ich war eine der wenigen Verheirateten mit Kindern. Aber trotzdem: Man wurde in diesen Frauenplenen einfach ernst genommen! Wenn man was zu sagen hatte, hörten die anderen zu und gingen darauf ein. Und dann haben wir uns in Selbsterfahrungsgruppen zusammengefunden. Da haben wir auch Selbstuntersuchungen gemacht.

So richtig Selbstuntersuchungen mit Spekulum?
Karla: Jaaaa, das war spannend! Und auch ein bisschen grenzüberschreitend … Ich hab’ dat Ding immer noch zu Hause. Aber meinen Töchtern hab ich das nie gezeigt. Oder doch?
Angela: Also, mir nicht.

Da warst du doch wahrscheinlich überhaupt mit vielen neuen Dingen konfrontiert.
Karla: Ja, da war zum Beispiel im Gloria das Lesbenfest. Und wie da die lesbischen Frauen so sehr zärtlich miteinander waren, das fand ich einerseits ein bisschen fremd, andererseits aber auch faszinierend.

Hast du dich denn auch mal in eine Frau verliebt?
Karla: Naja, in die Christine. Das war ’ne ganz Tolle! Aber die hat gesagt: Sie wüsste gar nicht, wie das geht, Frauen so untereinander. Und da hab ich gesagt: Dat is nicht anders als mit Männern! Aber die hat sich wohl etwas erschreckt. Also real passiert ist nix, aber in der Fantasie schon. Frauenbeziehungen wurden für uns Feministinnen ja zunehmend normal. Ich habe heute etliche Freundinnen, die miteinander leben.
Elisa: Du hast schon öfter gesagt: Ich wünschte, ich wäre lesbisch!
Karla: Ja, das wäre einfacher!
Angela: Weil die Frauen netter sind als die Männer?
Karla: Naja, die Männer in meiner Altersgruppe sind halt fast alle alt und hässlich, gucken aber nach jungen Frauen. Und so ’nen Mann, den will doch keine!

Du hast dich dann von deinem Mann getrennt. War daran etwa die Frauenbewegung schuld?
Karla: Ja, natürlich! An Silvester 1975 sind wir mit einer Jugendgruppe nach Paris gefahren. Und da hat mein Mann so Spielchen mit einer 24-Jährigen gespielt. Und dann bin ich in meine Frauengruppe gegangen, da haben wir Rollenspiele gemacht. Die anderen haben ihn gespielt, und ich habe ausprobiert, wie ich damit umgehen könnte. Ich bin dann zu einer Rechtsanwältin gegangen. Und als er zurückkam – er war nach diesem Silvester abgehauen, weil ich angeblich so verrückt gespielt hatte – da hab ich zu ihm gesagt: Ich trenne mich. Da war die Kacke am dampfen! Als wir uns 1980 beim Scheidungstermin getroffen haben, habe ich versöhnlich gesagt: „Wenn ich damals die Frauen nicht gehabt hätte …“ Und dann hat er gepoltert: „Hab ich’s doch gewusst! Die Frauen sind schuld!“ Und ich: „Du kapierst immer noch nix. Natürlich haben die Frauen mir den Rücken gestärkt. Aber es war mein Entschluss!“ ...

Angela, du warst 1973 zehn. Was hast du denn von all dem gehalten?
Angela: Ich habe es nicht als so einen plötzlichen Aufbruch empfunden, das bahnte sich alles schon vorher an. Wir waren immer ein bisschen anders als die anderen Familien. Meine Mutter war nicht so angepasst. Sie war nicht so das Hausmütterchen. Und als sich bei ihr der Entschluss entwickelte, dass sie raus wollte, war auch klar, dass sie nicht als Sekretärin arbeiten wird. Meine Freundinnen fanden meine Mutter immer toll, weil sie so anders war als ihre eigene.

Und wie hast du dann die Trennung deiner Eltern empfunden?
Angela: Mein Vater, der ja erst Berufssoldat war und dann auf Lehramt studiert hat, war oft und viel weg. Das hat uns unsere ganze Kindheit begleitet. Also, dass Trennung anstand, das haben wir Kinder jahrelang gespürt. Und wir hatten immer Angst davor. Meine Schwester hat mir später erzählt, dass sie sogar überlegt hatte, sich vor einen Bus zu werfen, damit die Eltern in der gemeinsamen Sorge wieder zusammenkommen würden. Als es dann soweit war, war es schon dramatisch. Ich kann mich erinnern, wie unser Vater beim Abendbrot eine Tasse an die Wand warf.

Habt ihr Kinder die Trennung eurer Eltern der Frauengruppe übel genommen?
Angela: Nein. Ich fand als Kind die Frauengruppe total nett. Wenn die bei uns zu Besuch war, war es immer eine ganz warme, schöne Atmosphäre. Die Frauen waren alle sehr miteinander verbunden, und wir wurden in dieses Familiäre mit einbezogen. Bei den gegenseitigen Besuchen saßen alle um einen Tisch und es gab Essen. Ich wusste ja auch, dass es die Probleme schon früher gegeben hatte. Deshalb hab ich mich immer eher gegen meinen Vater gestellt. Ich fand ja selbst, dass er sich unfair meiner Mutter gegenüber verhielt.

Wie lange existierte denn diese Frauengruppe?
Karla: Bis Ende der 70er Jahre.

Und wie ging es nach deiner Trennung weiter?
Karla: Ich habe mich auf die eigenen Füße gestellt, habe bei der Stadt Köln als Sozialarbeiterin angefangen. Und als die erste EMMA erschien, da gab es ja diese Tipps: „Selbst ist die Frau!“ Wie hänge ich selbst eine Lampe auf, wie schließe ich ein Waschbecken an und so was. Das fand ich toll, weil es mich unabhängig machte. Ich habe alles nachgemacht und kann das bis heute!

Angela, wie hat sich die frauenbewegte Mutter auf dein Leben ausgewirkt?
Angela: Die ganze Atmosphäre hat mich geprägt. Aber das war nicht nur die Frauenbewegung, sondern dieses Linke, dieses Progressiv-Sein. Dass ich eine emanzipierte Mutter hatte, die selbstbewusst ihren Weg geht, das hab ich nebenbei mitgenommen. Ich hatte auch keine Lust, mich Männern unterzuordnen. Aber das war nicht mein Hauptthema. Ich hatte zwar den Frauenkalender, las fleißig die EMMA bei meiner Mutter mit und überlegte, ob ich Schwämmchen statt Tampons benutzen sollte. Aber ich hatte den Eindruck, ich muss nicht mehr kämpfen.

Warst du denn im Leben dann auf der Höhe deines Bewusstseins?
Angela: Nee, überhaupt nicht (lacht). Nach dem Abi war ich erstmal orientierungslos und wusste nicht, was ich machen wollte. Ich bin dann ein Jahr nach Frankreich gegangen und habe da meinen ersten Ehemann kennengelernt. Der war ein Freak und das hat mir sehr gut gefallen, es konnte gar nicht freakig genug sein. Ausbildung oder Job, das war erstmal nicht so wichtig. Und dann bin ich mit 20 mit Elisa schwanger geworden. 
Karla: Zu meinem Entsetzen.
Elisa: Zu meinem Glück.
Angela: Ohne Job, ohne Ausbildung. Der Typ: auch ohne Job und ohne Ausbildung. Ein Kiffer vor dem Herrn. Aber ich war so verliebt. Wir haben zusammen von einem Landkommunen-Leben geträumt. Und da passte ein Kind gut rein. Sich über Geld Sorgen zu machen, das war spießig. Ja, und dann hab ich das Kind bekommen – und auf einmal hing ich zu Hause rum.

Warum?
Angela: Plötzlich waren Ausbildung und Job dann doch wichtig. Mein Mann hat eine Ausbildung in einer Schlosserei in Herne bekommen, die einem Freund meiner Mutter gehörte. Ich habe meine Wohngemeinschaft im Bergischen Land aufgegeben und hing nun plötzlich im Ruhrpott, weit entfernt von meinem Hippie-Leben. Ich war todunglücklich. Das entsprach alles gar nicht meiner romantischen Vorstellung von Familienleben, die ich ursprünglich hatte.
Karla: Wenn sie einen Mann gehabt hätte, der wie ihr Vater gewesen wäre, hätte sie eher rebelliert. Aber mit so einem sanften ist das natürlich schwierig. In diesen fünf Jahren war allerdings jede Einmischung von mir kontraindiziert. Das kam nicht an. Was wirklich hart war.
Angela: Dann wurde ich noch mal schwanger und bekam meinen Sohn. Und manchmal gibt es ja so Schlüsselsituationen. Ich erinnere mich, wie ich eines Tages unter der Dusche stand, als mein Sohn drei, vier Wochen alt war, und dachte: Das kann es nicht sein! Aber inzwischen war mein Selbstbewusstsein so den Bach runtergegangen, dass ich mir nichts mehr zugetraut habe. Da war wirklich gar nichts mehr. Ich habe die Kassiererinnen im Supermarkt bewundert, wie sie die Artikel übers Band schoben, und dachte: Noch nicht mal das kann ich.

Aber du warst doch mal so ein rebellisches Mädchen.
Angela: Ja, aber ich hatte an diese Kraft keinen Anschluss mehr. Der Mann war meist abwesend, keine Kohle, schlechte Wohnverhältnisse und ein total deprimierendes Umfeld. Zum Glück ist dann meine Schwester gekommen, die zu der Zeit Psychologie studierte, und ist alles mit mir durchgegangen: Wo liegen deine Stärken? Was traust du dir zu? Was macht dir Spaß? So sind wir auf Sozialpädagogik gekommen. Mein Mann hat seinen Job verloren und wir sind zurück nach Köln gezogen. Da hab ich dann an der Fachhochschule mein Studium angefangen und wusste: Jetzt ist das tiefste Tal durchschritten. Und ab da gab’s nichts mehr, was mich aufhalten konnte. Ich hab mein Studium gemacht, war studentische Hilfskraft, hatte weitere Nebenjobs, und die beiden Kinder. Ich habe Volleyball gespielt. Wir haben ein Haus gekauft und das renoviert. Und nach meinem Anerkennungsjahr hab ich direkt die Leitung eines Kinderhorts übernommen, der an eine Grundschule angeschlossen ist. Und da bin ich heute noch. Wenn man mich heute erlebt, würde mir niemand glauben, wie ich in der Zeit von Anfang bis Mitte zwanzig war. Aber das kann eben ganz schnell gehen.

Und du, Elisa?  
Elisa: Ich habe ja eine starke Oma und eine starke Mutter und bin damit aufgewachsen, dass Frauen gleichberechtigt sind. Das war also für mich nicht das Hauptthema. Das war einfach klar. Ich weiß: Ich kann alles, mir steht jeder Weg offen. Ich hab ein sehr starkes Frauenbild, aber dadurch leider auch ein etwas schwächeres Männerbild.

Was heißt das?
Elisa: Ich glaube an die Frauensolidarität! Ich glaube, dass Frauen zusammenhalten müssen. Aber diese Solidarität mit Frauen erwarte ich so nicht von Männern. Also, ich traue Männern nicht so richtig.
Angela: Das ist in der dritten Generation vererbt. Nein, in der vierten: Die Oma war auch schon so. Und die Urgroßmutter meiner Mutter hat sich schon 1870 von ihrem Mann getrennt.
Karla: Das war meine Großmutter. Deine Urgroßmutter.
Angela: Nein. Das war die Mutter von der Mutter von der Omma Luzie.
Elisa: Ist doch egal. Für mich ist jedenfalls klar: Ich werde immer arbeiten. Ich möchte auch gern Kinder bekommen, aber auch dann weiter selber für meinen Unterhalt sorgen und mein eigenes Geld haben. Ich bin mit dem Satz groß geworden: „Eine Ehe ist kein Versorgungsunternehmen!"

Du studierst jetzt Jura. Also nichts Soziales wie Mutter und Großmutter.
Elisa: Ja. Aber ich möchte nicht einfach als Anwalt arbeiten, sondern etwas machen, wofür ich mich einsetzen kann, und das ich gerecht finde. Ein Auslöser für mein Jura-Studium war, dass eine Freundin von mir nach einer Party vergewaltigt wurde. Ich habe sie überredet, den Täter anzuzeigen. Das hat sie auch gemacht, aber es wurde kein Verfahren eröffnet. Das war eine schwierige Zeit für sie. Und ich war sehr enttäuscht von der Justiz.

Hast du viele Freundinnen?
Elisa: Ich habe drei gute Freundinnen, auf die ich mich hundertprozentig verlassen kann. Und ich habe seit einem halben Jahr einen Freund. Diese Beziehung ist wirklich gleichberechtigt. Das ist mir auch sehr wichtig. Ich möchte mit niemandem zusammensein, dem ich mich überlegen fühle. Und den umgekehrten Fall kann ich mir schon gar nicht vorstellen.

Wie steht es mit der Hausarbeit?
Elisa: Ich möchte da in keine Rolle gedrängt werden. Ich kann kochen, aber ich kann auch Löcher bohren und ein Bild aufhängen. Und bei ihm ist das genauso: Er kocht, er putzt.
Angela: Aber bei deinem letzten Freund war das nicht so. Und das war ja ein Trennungsgrund.
Elisa: Stimmt. Ich hatte auch mal einen Freund, der fast gar nichts gemacht hat. Nach dem Abi war ich übrigens in einer ganz ähn­lichen Situation wie meine Mutter: Ich wusste nicht so richtig, was ich machen sollte und hab ein Jahr lang nur gekellnert.
Angela: Als ich mich endlich zum Studium durchgekämpft hatte, wurde ich mit 26 zum dritten Mal schwanger. Da habe ich abgetrieben. Das ist mir sehr schwer gefallen. Aber ich hatte ja gerade mit dem Studium angefangen. Wenn ich Kinderbetreuungsmöglichkeiten gehabt hätte, hätte ich das Kind vermutlich bekommen. Aber ich hatte ja schon Schwierigkeiten, einen Kindergartenplatz für eine Fünfjährige zu ­bekommen. Heute arbeite ich in der Ganztagsbetreuung und erkläre den Eltern, dass sie kein schlechtes Gewissen haben müssen.

Was sagst du dazu, Elisa?
Elisa: Ich bin froh, dass meine Oma dafür gekämpft hat, dass ein Schwangerschaftsabbruch möglich ist.
Karla: Ich bin ja zu ihrem ersten Frauenarzt-Termin mitgegangen. Da wollte sie mich dabeihaben.

Elisa, wenn du dir den Weg deiner Großmutter und deiner Mutter anguckst – gibt es für dich neue Probleme, von denen du sagst: Davon haben die beiden keine Ahnung?
Elisa: Mein Problem ist, wie ich es hinkriege, Kinder zu bekommen und trotzdem nicht von jemandem abhängig zu sein.

Da hast du ja in den beiden gute Vorbilder. Aber du kennst natürlich auch die Probleme.
Elisa: Also, heiraten würde ich schon mal nicht. Und ich würde auch meinen Nachnamen nicht abgeben.
Angela: Heute würde ich meinen Namen auch nicht mehr ändern – selbst, wenn ich noch mal heiraten würde.
Elisa: Wieso solltest du denn noch mal heiraten?
Angela: Und warum nicht?!

Elisa, was sagt denn dein Freund dazu, dass du die EMMA liest?
Elisa: Er hat sich gefreut. Und die EMMA liest er immer mit, wenn ich sie von meiner Oma mitbringe.
Karla: Ich muss immer aufpassen wie ein Luchs, dass ich sie auch wiederkriege.

Wenn das so ist, könntet ihr sie ja vielleicht alle drei selber abonnieren. Wir würden das begrüßen …
Elisa: Ja, aber das Problem ist: Ich bin ­Veganerin und damit ecke ich ständig an. Und wenn ich die EMMA lese, dann streite ich mich auch noch über die Frauenfragen. Meine Befürchtung ist, dass ich mit einem EMMA-Abo nicht mehr gut auszuhalten bin, weil ich dann nur noch streite.
Alle: lachen
Elisa: Also, ich merke bei meinen Freundinnen schon, dass es wieder einen Rückschritt gibt. Ich bin manchmal regelrecht erschrocken darüber, was die für Vorstellungen von ihrem Leben haben, obwohl ich sie eigentlich auch für emanzipiert halte. Für die ist ganz klar, dass sie heiraten und ihren Namen abgeben. Ich diskutiere dann immer und sage: „Ich versteh das nicht, dein Name gehört doch zu dir!“ Sie wollen auch zu Hause bleiben, wenn ein Kind da ist, und ihre Sachen einfach aufgeben – für das Wohl eines Mannes. Ich verstehe es einfach nicht. Ich habe öfter eine andere Meinung als meine Freundinnen. Zum Beispiel beim Thema Kachelmann. Und über Pornografie habe ich schon ganze Abende diskutiert. Von Männern habe ich den Spitznamen „Adolfinchen“ gekriegt. Weil ich mir von denen nichts sagen lasse.

Das ist ja kein netter Spitzname. Nach Adolf Hitler …
Elisa: Ist mir egal. Mich stört einfach diese Ignoranz gegenüber dem Feminismus. Ich habe manchmal Angst, dass es wieder in Richtung der traditionellen Rollen geht.
Karla: Das merkt man ja schon an der Sprache. Früher hatte man Luise Pusch gelesen und da war es selbstverständlich, dass man beziehungsweise frau die weibliche Form verwendete.
Elisa: Ist das denn so wichtig?
Angela: Diese Diskussion haben wir ständig. Sie sagt: „Ich bin Jurist.“ Ich sage: „Nein, du bist Juristin!“
Elisa: Eine Juristin ist wie eine Frau in Stöckelschuhen – total gestelzt.
Karla: „Jurist“ ist die männliche Form. Da gibt’s nix!
Angela: Wenn ich Konzepte schreibe, breche ich mir immer einen ab, um eine Formulierung zu finden, die die Kollegen mitberücksichtigt. Dabei hatten wir oft nur einen Mann im Team. Aber die fühlen sich bei der Bezeichnung „Erzieherinnen“ natürlich nicht mitgemeint …

Was findet ihr drei eigentlich aneinander gut – und was eher problematisch?
Angela: Was ich an meiner Mutter toll finde, ist, dass sie immer offen ist für Neues. Das ist wirklich ein Modell für mich: Es gibt kein Alter, wo es aufhört – es geht immer weiter! Was mir nicht so gut gefällt ist, dass sie in Alltagsdingen manchmal eben doch eng wird. Wenn man mal fünf Minuten zu spät kommt, sagt sie nicht mehr „Guten Tag“, sondern nur: „Du bist zu spät!“ – An meiner Tochter Elisa finde ich toll, dass sie so lebendig ist und neugierig aufs Leben. Und dass sie alles so gut bewältigt bekommt, das Studium und die Arbeit nebenbei. Was ich nicht mag, ist das Zickige und Unberechenbare.
Karla: Ich finde bei Angela gut, dass sie nach diesen schwierigen Jahren zwischen 20 und 25 ihren Weg gefunden hat. Ich bin wirklich stolz auf sie. Leider sucht sie sich immer Männer, bei denen sie die starke Frau ist. Aber andererseits denke ich, sie müsste auch lernen, zu ihrer Stärke zu stehen. Wenn sie an ihrem Partner rumkrittelt, das finde ich nicht so gut. Der ist, wie er ist. Und Angela ist ja jetzt in einem Alter, wo sie auch nicht mehr die große Auswahl hat.

Wie bitte? Angela ist 48!
Angela: Das muss ich mir seit Jahren ­anhören! Und sogar zu Elisa hat sie das letztes Jahr gesagt, als sie sich von ihrem Freund getrennt hat, der wirklich eine faule Socke war. Und dann hat Elisa gesagt: „Oma, ich bin jung, ich bin hübsch, ich bin intelligent – warum soll ich keinen Mann finden?“
Karla: Und was hab ich da gesagt? Kind, da haste auch wieder Recht!
Elisa: Es geht doch gar nicht immer darum, einen Mann zu finden! Ich kann doch auch für mich alleine sein.
Karla: Ich bin jetzt eben in einem Alter, wo ich mich nicht ständig umstellen will.
Alle: lachen
Karla: An Elisa finde ich gut, dass sie so liebevoll ist. Manchmal schreibt sie mir kleine Zettelchen, auf denen steht, wie lieb sie mich hat. Aber manchmal lässt sie auch wochenlang nichts von sich hören.
Elisa: Ich finde gut an meiner Mutter und meiner Oma, dass sie beide sehr gute starke Vorbilder waren. Von ihnen habe ich ­gelernt, dass man alles machen kann. Man kann immer aus sich selbst heraus die Energie finden, um seine Ziele zu erreichen. Man kann immer für sich selbst sorgen und muss nie von jemandem abhängig werden. An meiner Oma finde ich toll, dass sie sehr liebevoll und warm ist und immer ein offenes Ohr für mich hat. Und eine warme Mahlzeit. Nicht so gut finde ich, dass du so viel mit mir schimpfst, weil ich immer zu spät komme. Gut an dir, Mama, finde ich, dass du stark bist. Dass du es geschafft hast, uns zwei groß zu bekommen. Dass du studiert und Geld verdient hast und es trotzdem geschafft hast, dass wir abends immer zusammen gegessen haben und sonntags ins Museum gegangen sind und andere Sachen unternommen haben. Und nicht so gut … Naja, früher vielleicht, dass du da etwas unberechenbar warst. Man wusste nicht, wie sie drauf war, wenn sie von der Arbeit kam. Es konnte sein, dass man sie in Ruhe lassen musste, aber es konnte auch sein, dass sie gut gelaunt war. Das fand ich als Kind ein bisschen schwierig.

Hast du denn das Gefühl, dass du deiner Mutter und Großmutter alles sagen kannst?
Ja.
Karla: Ich war noch nicht ganz fertig. Ich durfte ja noch nichts Negatives zu Angela sagen. Also, was ich bei ihr nicht so gut finde: Sie hat ziemlich wenig Zeit. Und wenn sie dann mal kommt, dann knallt sie sich bei mir aufs Sofa und liest die EMMA!

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