Tierrechte: Die Rechte der Tiere

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Einerseits steht der Tierschutz sogar im Grundgesetz. Andererseits liegt in der Gesetzgebung noch sehr viel im Argen. Was können die Tiere von der neuen Regierung erwarten? Forderungen!
Die deutschen Bundestagsabgeordneten waren am 17. Mai 2002 das erste Parlament auf der Welt, dass dem Tierschutz Verfassungsrang gegeben hat. Bis dahin hieß es in dem Artikel 20a "Der Staat schützt, auch in Verantwortung für die künftigen Generationen, die natürlichen Lebensgrundlagen ..." Eine überwältigende Mehrheit von 542 der 576 Abgeordneten war dafür, dass dieser Passus um drei Wort ergänzt wurde:
"... und die Tiere." Damit ist der Tierschutz in Deutschland seit dreieinhalb Jahren nicht mehr Privatsache, sondern Staatsaufgabe. Alle Gesetze und Urteile müssen sich seither an diesen drei Worten und ihrer Begründung messen lassen, die lautet: "Die Leidens- und Empfindungsfähigkeit, insbesondere von höher entwickelten Tieren erfordert ein ethisches Mindestmaß für das menschliche Verhalten. Daraus folgt die Verpflichtung, Tiere in ihrer Mitgeschöpflichkeit zu achten und ihnen vermeidbare Leiden zu ersparen."
Die Entscheidung "insbesondere von höher entwickelten Tieren" lässt leider einen großen Spiel- und Ermessensraum, und die Umsetzung des hehren Anspruchs auf sich warten. Vor allem, da ihm massive, millionenschwere Interessen entgegen stehen: von Forschung über die Fleischindustrie bis hin zu den Jägern. Die Grünen hatten sich stark für die Tierrechte eingesetzt, was aber ist von der schwarz-roten Koalition in Sachen Tiere zu erwarten?

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Die Legehennen und Mastgeflügel

32 Millionen Hennen legten 2004 in Deutschland über neun Milliarden Eier. 78 Prozent dieser Hennen werden in Käfigen von der Größe eines DIN A 4 Blattes gehalten. Das wird ab Januar 2007 in Deutschland verboten sein. Die neue Regierung will nach EU-Richtlinie ‚ausgestaltete Käfige' etablieren, die den Tieren jedoch keine Verbesserung bringen. 350 Millionen Hühner werden jährlich für den Verzehr gemästet (pro Kopf-Verbrauch:
19 Kilo). Sie vegetieren in Käfigen zu 23 Tieren auf einem Quadratmeter. Die EU-Richtlinie erlaubt sogar 25 Tiere pro Quadratmeter. Eine Linderung ist nicht in Sicht. Forderung: Kein schlechteres EU-Recht, sondern die für 2007 geplante Abschaffung jeglicher Art von Käfighaltung.

Die Haltung von Schweinen

In Deutschland leben 10 Millionen Mastschweine in Betrieben bis zu 100.000 Tieren, auf engstem Raum, ohne Licht, auf Betonböden. Der Schweinefleischkonsum pro Kopf beträgt 55 Kilo im Jahr. Ferkeln werden ohne Betäubung die Schwänze kupiert und die Zähne abgekniffen, um das Schwanzbeißen (eine Ersatzbeschäftigung aus Langeweile) zu verhindern.
Der EU-Gerichtshof hat im September 2005 Deutschland verurteilt, da die bereits 2001 erlassene Richtlinie zur Schweinehaltung (mit zumindest leichten Verbesserungen) bis heute nicht umgesetzt worden war. Die neue Bundesregierung kündigt "kurzfristig" eine "Schweinehaltungsverordnung" nach den Minimalstandards der EU an. Forderung: Verbesserung der Schweinhaltung über die EU-Standards hinaus. Weg von riesigen Anlagen zur Schweinemast.

Die Tiertransporte

Täglich werden etwa eine Million Tiere (Geflügel nicht eingerechnet) quer durch Europa transportiert, oft weit über 3.000 Kilometer und länger als 70 Stunden. Dabei wird der Export von Rindern wg. Überproduktion in der EU mit zirka 200 Euro pro lebendem Tier subventioniert (2005 etwa 77 Millionen Euro). Die EU-Agrarminister haben im November 2004 eine europäische Gesetzgebung ab 2007 zum Schutz der Tiere beim Transport beschlossen.
Da sie sich über Transportzeiten und Ladedichten nicht einigen konnten, wurden die alten Gesetze unverändert übernommen. Der Koalitionsvertrag verspricht: "Wir wollen erreichen, dass die Lebendtiertransporte zurückgeführt, die Transportdauer von Tieren reduziert und die Transportbedingungen verbessert werden." Forderung: Transport von Tieren nur noch vom Aufzuchtort bis zum nächstgelegenen Schlachthof. Streichung aller Subventionen für den Export von lebenden Tieren.

Das Schächten

Orthodoxe Juden und Muslime schächten Tiere, weil sie nur ‚koscheres', das heißt ausgeblutetes, Fleisch essen. Beim Schächten wird den Tieren bei lebendigem Leib und ohne Betäubung die Kehle durchgeschnitten, dann lässt man sie ausbluten. Ein langsames, qualvolles Sterben, das bis zu zehn Minuten dauert.
Im Januar 2002 erklärte das Bundesverfassungsgericht im Namen der ‚Religionsfreiheit' das Schächten für erlaubt. 2004 erklärte der Hessische Verwaltungsgerichtshof dieses Urteil für überholt, da es den Verfassungsrang des Tierschutzes vom Mai 2002 nicht berücksichtigt. Im Frühjahr 2005 forderte das Land Hessen ein Schächtungsverbot. In der Schweiz ist es bereits verboten. Forderung: Das Verbot von Schächtungen ohne vorherige Betäubung.

Die Pelztiere

Jährlich werden allein in Deutschland rund 300.000 Pelztiere getötet (40 Millionen weltweit). Sie werden vergast oder durch Elektroschocks umgebracht, damit das Fell unversehrt bleibt. Diese Nerze, Füchse, Marder, Iltisse, Biber und Chinchillas vegetieren unter elenden Bedingungen, denn jede Verbesserung erhöht die ‚Produktionskosten'.
In Ländern wie Österreich, der Schweiz und Großbritannien sind Pelztierfarmen inzwischen verboten bzw. strenge lebensverbessernde Bedingungen für die Tiere erlassen. In Deutschland wird seit Jahren diskutiert, in der EU gibt es bisher keine Reglementierungen. Forderung: Das totale Verbot von Pelztierfarmen. Mindestens aber Erlasse zur Verbesserungen der Lebensbedingungen.

Die Tierversuche

Über zwei Millionen Tiere im Jahr werden in Deutschland bei Tierversuchen getötet, europaweit elf Millionen. Tendenz steigend. Die Tiere leiden und sterben für Medikamente oder Kosmetika. Ab 2009 dürfen EU-weit für Kosmetika keine Tierversuche mehr gemacht werden, ab 2013 ist der Verkauf solcher Produkte verboten. Die Vivisektion für die medizinische Forschung aber geht ungehemmt weiter. Die neue Regierung kündigt die "zügige Weiterentwicklung" von Alternativmethoden an. Forderung: Schnellstmögliche Umsetzung der Ankündigung auch in der medizinischen Forschung.

Die Tierquälerei und der sexuelle Missbrauch von Tieren

Bisher steht auf Tierquälerei und "grundlose Tiertötungen" Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Für den Missbrauch von Tieren gibt es bisher noch kein Problembewusstsein, da Tiere nicht als eigenständige Geschöpfe respektiert, sondern wie Besitz behandelt werden - ganz wie früher die Frauen. Die Dunkelziffer ist hoch. Forderung: Eine Erhöhung des Strafmaßes bei Folter und sexuellem Missbrauch von mindestens drei bis fünf Jahre.

Die Tiere in Zoo und Zirkus

Es gibt in Deutschland rund 300 kommunale und private Einrichtungen, die Wild- und Haustiere eingesperrt halten und vorführen. Die Tiere leben unter nicht artgerechten, oft katastrophalen Bedingungen und sind depressiv und schwer verhaltensgestört. In Zeiten der Wildparks, des Ferntourismus und vor allem des Fernsehens gibt es keine Rechtfertigung mehr für Zoos. Dasselbe gilt für die Tiere im Zirkus, für deren Haltung es nur unverbindliche Minimalvorgaben gibt. In Skandinavien ist die Haltung von Wildtieren im Zirkus schon lange verboten. Forderung: Die Abschaffung aller Zoos. Und das Verbot von Tieren im Zirkus - allen voran der Wildtiere.

Die Verbandsklage

Der Tierschutz steht zwar inzwischen im Grundgesetz, doch können die Tiere nicht selber klagen. Da liegt es nahe, Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen die Möglichkeit zu geben, als Verband stellvertretend für die Tiere aufzutreten, in einzelnen Fällen (gequältes Tier) ebenso wie grundsätzlich (Gesetze). Noch zu rotgrünen Zeiten hat das Land Schleswig-Holstein die Verbandsklage für Tiere eingeführt. Der Antrag, dies auch auf Bundeseben zu tun, lehnte der Bundesrat 2004 ab. Forderung: Die Einführung der Verbandsklage auf Länder- und Bundesebene. Die Schaffung von Tierheimen und Tier-Auffang-Stationen auch auf kommunaler Ebene.
EMMA 1/2006

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