Ask Alice!

Ask Alice! Gibt es ein Menschenrecht auf Sex?

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Liebe Angela,

du fragst mich, was ich von der so genannten „Sexualassistenz“ für Behinderte halte. Ich freue mich, dass du mich das fragst, denn dazu möchte ich schon lange etwas sagen: Es handelt sich bei der „Sexualassistenz“ schlicht um Prostitution, um nichts anderes.

Die „Sexualassistenz“ von „Sexarbeiterinnen“ für Behinderte ist relativ neu. Sie wurde erst vor einigen Jahren erfunden und als neuer Markt von der Sexbranche erschlossen. Die Argumentation dafür scheint mir besonders scheinheilig: Weil der arme Behinderte weniger oder keine Chance auf sexuelle Kontakte hat, soll er im Rückkehrschluss ein „Recht“ auf Prostituierte haben, möglichst noch bezahlt von der Krankenkasse.

Ich sage DER Behinderte, denn bisher habe ich in der Debatte ausschließlich von behinderten Männern gehört. Bei behinderten Frauen scheint das kein Argument zu sein. Weil Frauen Sex nicht so nötig haben wie Männer? Oder weil es für Frauen keinen Markt gibt, der sich lohnen würde? Erstens, weil es keine oder nur wenige Frauen gäbe, die es überhaupt wagen würden, „Sexualassistenz“ zu beanspruchen; und zweitens, weil es kaum männliche Prostituierte gibt, die diese Dienstleistung erbringen würden?

Das Problem behinderter Frauen ist, gerade wenn sie jünger sind, ja auch eher, dass sie oft mehr Sex haben, als ihnen lieb sein kann: die Missbrauchs- und Vergewaltigungsraten bei behinderten Frauen liegen um ein vielfaches höher als bei nicht-behinderten Frauen. Ganz einfach, weil sie sich schlechter wehren können.

Doch bei allem Mitgefühl selbstverständlich auch für einen geistig oder körperlich behinderten männlichen Menschen: Es gibt kein Menschenrecht auf Sexualität! Und es gibt schon gar nicht das Recht, dieses Bedürfnis auf Kosten dritter – eben Frauen in der Prostitution – auszuleben.

Übrigens: Umfragen belegen, dass heute jede zweite Frau über 60 keine Sexualität mehr lebt – oft gegen ihren Willen nicht. Weil sie allein ist. Weil sie in einer Gesellschaft, in der Frauen jung sein müssen, nicht mehr als begehrenswert gilt. Weil sie resigniert hat. Weil… Es gibt sehr viele Gründe. Wer aber spricht von diesen Frauen und einem „Recht“ auf Sexualität wg. Altersdiskriminierung?

Kurzum: Ich halte die Sexualassistenz für Behinderte für ein besonders perfides Argument. Dahinter steht die Absicht der Verharmlosung und Akzeptanz der gesamten Prostitution. Diese ist aber unter keinen Umständen zu akzeptieren!

In der Hoffnung, dass du mit meinen Argumenten etwas anfangen kannst

und mit lieben Grüßen 
Alice Schwarzer 

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