Mehr Frauen in die Wissenschaft!

© Maurice Weiss/ostkreuz
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Die Gründerzeit-Villa im noblen Berliner Grunewald wirkt imposant, die Eingangshalle mit der dunklen Holztäfelung und der geschwungenen Treppe herrschaftlich, das Stahlrohr-Mobiliar im Konferenzsaal nüchtern. In diesem Haus, ein Ort konzentrierten Forschens und gelebter Toleranz, waren weibliche Fellows lange in verschwindender Minderheit. Das ist Vergangenheit. Heute liegt sogar die Leitung des Wissenschaftskollegs in der Hand einer Frau: der Historikerin Barbara Stollberg-Rilinger.

Das überwiegend von Bund und Land finanzierte Kolleg führt seit 1981 jedes Jahr ab September rund 40 handverlesene ForscherInnen aus allen Weltgegenden und Fachgebieten zusammen und ermöglicht ihnen, sich während neun Monaten ohne jegliche Lehr- oder administrative Verpflichtungen zu konzentrieren auf ihre Arbeitsprojekte und den Austausch über Fach-, Sprach- und Kulturgrenzen. Die Fellows sollen Einblick in andere Forschungsgebiete und Denkweisen erhalten und sich beim gemeinsamen Mittagessen oder den traditionellen Dienstagskolloquien darüber austauschen.

Wie fruchtbar ein solcher Austausch sein kann, hat Barbara Stollberg-Rilinger selber erfahren. 2015/16 hat sie selber als Fellow in Berlin an ihrem Buch über Kaiserin Maria Theresia gearbeitet. Zur gleichen Zeit schrieb dort die Literaturwissenschaftlerin Ina Hartwig an ihrer Biografie über die Dichterin Ingeborg Bachmann. Zwei sehr unterschiedliche Forschungsgegenstände, die mindestens eines gemeinsam haben: das Geschlecht.

Eine akademische Karriere war der Historikerin Stollberg nicht in die Wiege gelegt worden. Als Gymnasiastin fand sie Geschichte eher langweilig, eine Anhäufung von Jahreszahlen und Fakten, die sie sich nur schwer merken konnte. Während des Studiums in Köln entdeckte sie dann, dass die Beschäftigung mit der Vergangenheit vor allem Einblick in andere, fremde Lebenswelten vermittelt. Das ist, was sie an der Geschichtswissenschaft fasziniert.

Ihre Habilitationsschrift verfasste sie zum Teil während der Babypause nach der Geburt ihrer zwei Söhne. Die zog sie während der langen Krankheit und dem frühen Tod ihres Mannes allein auf – was ihren wissenschaftlichen Elan nicht bremsen konnte.

1997 wurde Barbara Stollberg-Rilinger auf den Lehrstuhl für Geschichte der frühen Neuzeit an der Universität Münster berufen. Dort erreichte sie die Einladung als Fellow ans Berliner Wissenschaftskolleg (Wiko). Schon damals war ihr das Rektorat des Wiko angetragen worden. Doch sie glaubte sich der Aufgabe nicht gewachsen. Erst als sie ein zweites Mal berufen wurde, sagte sie zu.

Inzwischen war ihre monumentale und mit renommierten Preisen ausgezeichnete Maria-Theresia-Biografie erschienen, übrigens gleichzeitig mit einer unter ganz anderen Prämissen verfassten Biografie der Kaiserin von Elisabeth Badinter.

Wer Stollberg-Rilinger heute als Rektorin erlebt – souverän, uneitel, akribisch vorbereitet bei Veranstaltungen – weiß ihre Fellows gut aufgehoben. Als Rektorin liegt ihr daran, mehr Frauen ins Wiko zu holen. Wissenschaftlerinnen, die aus Rücksicht auf ihre Männer oder Kinder zögern, einer Einladung auf Zeit nach Berlin zu folgen, ermuntert sie: Das Wiko verfügt auch über Gästewohnungen für Familien. Gleichstellung ist für sie ein selbstverständliches Gebot. Sie sagt: „Ein ausgeglichenes Verhältnis von männlichen und weiblichen Fellows wirkt sich auf das Klima im Kolleg positiv aus. Die Atmosphäre ist entspannter, der Profilierungsdrang lässt ebenso nach wie die Lust auf Konkurrenzkämpfe.“

Der eigene Weg der Wiko-Rektorin legt beredtes Zeugnis dafür ab.

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