Verhütung, auf ewig unsere Sache?

Foto: Imago Images / Shotstop
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Hätte ich mit 16 gewusst, dass ich mit 33 diesen Text schreiben würde, dann hätte ich versucht, mein späteres Ich davon abzuhalten. Weil es mir so peinlich gewesen wäre. Wir waren Teenager, alles war uns peinlich. Erst recht alles, was mit Sexualität zu tun hatte.

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Trotzdem mussten wir zu einer Frauenärztin gehen, dieser fremden Person erzählen, dass wir nun Sex mit einem Jungen hatten und irgendwas brauchten, um nicht schwanger zu werden. Seit diesem ersten Arztbesuch übernahmen wir ganz selbstverständlich die Verantwortung für die Verhütung. Weil wir uns dafür schämten, machten wir das so still und unsichtbar wie möglich. Und darin liegt eigentlich schon das ganze Unglück.

Wir fragten uns nie, warum die Jungs eigentlich nicht zum Männerarzt müssen, um sich dort Sachen verschreiben zu lassen, mit denen sie keine Babys machen können. Das war ganz einfach unsere Aufgabe. Im Privatfernsehen liefen Reality-TV-Formate über Teenie-Mütter, das war unsere Drohkulisse.

Ich habe mehr als zehn Jahre lang täglich eine kleine Pille geschluckt. So wie alle meine Freundinnen. Unsere Frauenärztinnen versprachen uns damit die sexuelle Freiheit, weniger Regelschmerzen, bessere Haut – und eben keine Babys. Wir stellten keine Fragen, sondern ließen uns die kleinen Pillen verschreiben, die wir uns fortan täglich, vom Handywecker daran erinnert, verschämt in den Mund schoben.

Die Frauenärztinnen erzählten nichts von Depressionen und Thrombosen

Wovon die Frauenärztinnen uns nicht erzählten, waren die Depressionen, Gewichtszunahmen, sinkende Libido, Thrombosen und Lungenembolien, die die Pillen auslösen können. Oder dass sich unser Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen um das 20- bis 87-fache steigern würde, wenn wir die Pille nahmen und rauchten. Das mussten wir selbst herausfinden.

Wir nahmen zu, hatten in den Augen unserer Freunde manchmal zu wenig Lust auf Sex und kämpften mit Stimmungsschwankungen – während der Pubertät war das alles schwer als Nebenwirkungen auszumachen. Dann eben ein anderes Präparat, statt grüner Ornamente pinke Blumen auf der Packung und ein Schminkspiegel gratis dazu. Und täglich klingelte der Pillenwecker.

Ich setzte die Pille mit Ende Zwanzig ab. So wie fast alle meine Freundinnen. Weil wir genug hatten vom Pillenwecker, von den Nebenwirkungen und von den künstlichen Pillenblutungen, die nichts mit der natürlichen Periode gemein haben. Seitdem probieren wir alle alles Mögliche aus und haben schon mehrmals die Pille danach genommen. Seitdem ist die Angst wieder da, ungewollt schwanger zu werden. Deswegen haben wir schon viele, viele Schwangerschaftstests gemacht. Für alle, die das nicht kennen: Das Ergebnisfenster sieht genauso aus wie das der Corona-Selbsttests, nur das Warten auf das Durchlaufen der Farbe ist viel schlimmer. Denn bei zwei Strichen weißt du ganz sicher: Dein Leben wird nie wieder so sein, wie es mal war.

Entweder wirst du dann Mutter, oder du treibst ab und wirst damit in den Augen vieler, wie etwa der katholischen Kirche, zu einer Person, die „Auftragsmörder“ engagiert – diesen Vergleich hat Papst Franziskus wirklich gemacht. Ich habe mir eine Kupferspirale einsetzen lassen. Dafür musste ich vorher ein Medikament schlucken, das meinen Muttermund weitete, ich bekam Unterleibsschmerzen, und mir wurde schlecht. Auch das Einsetzen tat weh, und auf dem Heimweg danach hatte ich Mühe, mich nicht in die S-Bahn zu übergeben. Die Spirale machte meine Regelblutung viel stärker und schmerzhafter. Ich rede nun scherzhaft von meinen „Schlachttagen“, witzig ist das eigentlich nicht. Aber ich nahm das Blut und den Schmerz in Kauf, um keine Angst mehr haben zu müssen.

Und dann zeigte der Schwangerschaftstest doch zwei Striche. Es war der Beginn einer Tortur. Nach unzähligen Ultraschall- und Blutuntersuchungen war klar: Es war eine Eileiterschwangerschaft. Wird das Ei dort zu groß, platzt der Eileiter, und daran kann man verbluten. Mir wurde zweimal das Zellgift Methotrexat gespritzt, das sollte die Eileiterschwangerschaft beenden. Zweimal schlug es nicht an. Ich ging im Krankenhaus ein und aus, je mehr Zeit verging, desto größer wurde das Ei, und desto mehr Schmerzen hatte ich. Das Platzen des Eileiters würde ich an den noch stärkeren Schmerzen merken, sagten die ÄrztInnen, und ab dann würde mir auch nicht mehr viel Zeit bleiben, um rechtzeitig ins Krankenhaus zu kommen.

Ein Arzt wollte mich für diesen Fall einen Zettel unterschreiben lassen, der das Krankenhaus von der Verantwortung entbindet. Ich bekam Angst – nicht mehr vor einer Veränderung meines Lebens, sondern vor dessen Ende. Als das Zellgift erfolglos blieb, musste ich operiert werden. Das Ei, das die Ärzte mir dann aus dem Körper schnitten, war inzwischen schon auf die Größe eines Zweieurostücks angewachsen. Jetzt habe ich einen Eileiter weniger und drei kleine Narben auf dem Bauch.

Die Kupferspirale hat laut dem deutschen Berufsverband der Frauenärzte einen Pearl-Index von 0,4 bis eins, das heißt 0,4 bis eine von hundert Frauen wird mit dieser Verhütungsmethode pro Jahr schwanger. Im Jahr 2020 war ich eine dieser halben bis ganzen Frauen. Warum ich Ihnen das alles erzähle? Weil ich möchte, dass Sie sich die gleiche Frage stellen wie ich: Warum ist Verhütung immer noch so ein großes Problem – und warum ist es nur das Problem von uns Frauen?

„Unsere Sexualität war beherrscht, wenn nicht überschattet von der Angst vor einer ungewollten Schwangerschaft. Man kann sich das heute gar nicht mehr vorstellen. Nie konnte man unbesonnen sein, immer musste man erst mal seinen Kalender konsultieren, bevor man mit einem Mann schlief.“ Das sagte Alice Schwarzer über früher.

Die Pille wurde zum Schlüsselfaktor der Emanzipation, so der Pharmakonzern

2021 feierte Bayer 60 Jahre Pille, genauer gesagt:„60 Years Empowering Women“. „Diese revolutionäre Methode der Familienplanung wurde zu einem Schlüsselfaktor der Emanzipation und einem Wendepunkt für die Gesellschaft“, so der Pharmakonzern. Das liest sich erstmal wie eine Erfolgsgeschichte. Alice Schwarzer und ihre Mitstreiterinnen kämpften für allgemein zugängliche, sichere Verhütungsmittel und legale, straffreie Abtreibungen. Denn es gab weder das eine noch das andere – besser gesagt: es gibt. Bei Abtreibungen wird immer noch mit dem Strafgesetzbuch gedroht.

Und sicher sind Verhütungsmittel immer noch nicht – weder darin, Schwangerschaften zu verhindern, noch in Bezug auf ihre Nebenwirkungen. Dabei wurden nach der ersten Antibabypille noch viele andere Verhütungsmittel auf den Markt geworfen: eine zweite, dritte und vierte Generation von Pillen, Hormonringe, -spiralen und -schirmchen, Kupferspiralen und -ketten oder Hormonimplantate für den Oberarm, um nur einige davon zu nennen. Sie alle eint eine entscheidende Eigenschaft: Sie können ausschliesslich von Frauen angewendet werden. Aus der Verheißung der sexuellen Freiheit ist ein Zwang geworden, denn es hat nichts mit Emanzipation zu tun, gezwungen zu sein, zweifelhafte Mittel zu nehmen, weil es für Männer keine gibt.

Wie kann es sein, dass der Fantasie bei der weiblichen Verhütung keine Grenzen gesetzt sind, während ForscherInnen bei Männern nichts anderes einfällt, als eine Tüte über den Penis zu ziehen? Oder eben den Samenleiter durchzuschneiden? Als erste Aufzeichnung über die Verwendung von Kondomen gilt eine ungefähr 14.000 Jahre alte Höhlenmalerei in der französischen Dordogne. Seitdem wurde die Kondom-Technik ein bisschen verfeinert. Kondome haben einen Pearl Index von drei bis 15, was bedeutet, dass bis zu 15 von 100 Frauen schwanger werden.

Bei einer repräsentativen Befragung zum Verhütungsverhalten der deutschen Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) gaben 46 Prozent der befragten Frauen und Männer an, ein Kondom zu benutzen. Wäre es nicht endlich mal an der Zeit, den restlichen 54 Prozent eine Alternative anzubieten?

Die Berliner Studentinnen Jana Pfenning und Rita Maglio fordern das mit ihrer Petition „Better Birth Control“. Über 125.000 Unterschriften haben sie schon gesammelt. Sie beziehen sich auf das „Sustainable Development Goal 3.7“ der Vereinten Nationen, laut dem bis 2030 ein „universeller Zugang“ zu Verhütungsmitteln gewährleistet werden soll. „Universell“ heißt: auch für Männer. Eine Behauptung hält sich tapfer: Es sei einfach zu kompliziert, Verhütungsmethoden für Männer zu entwickeln, schließlich müsste man dann jedesmal viele Millionen Spermien stoppen und nicht nur einmal im Monat dafür sorgen, dass der Eisprung ausbleibt.

Dabei lässt sich gegen die millionenfache Spermienproduktion ganz ähnlich ankommen wie gegen den Eisprung, und zwar nicht mit Östrogen, sondern mit Testosteron. „Wenn man das von außen gibt, dann sendet das ein Signal an die Hirnanhangsdrüse, dass genug Testosteron da ist. Die schüttet dann keine Signalstoffe zur Testosteronproduktion mehr aus, weil der Hoden ja offensichtlich genug davon herstellt. Daran gekoppelt ist die Spermienbildung, die wird also gleichzeitig heruntergefahren“, erklärt mir Michael Zitzmann. Er ist Androloge am „Centrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie (CeRA)“ der Universität Münster.

„Das ist eigentlich genau das Gleiche wie bei der Pille für die Frau“, sagt Zitzmann. Und dass diese Kombination sehr gut funktioniert, weiß er, weil er sie selbst 56 Männern über Monate verabreicht hat. Die 56 Probanden in Münster gehörten zu den 400 Männern weltweit, die das Verhütungsmittel im Rahmen einer Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ausprobiert haben. Das ging auf das Vorhaben der WHO von 1971 zurück, das Wachstum der Weltbevölkerung zu bremsen. Elf Arbeitsgruppen hatten sich daraufhin auf die Suche nach einer Lösung gemacht – nur eine davon suchte sie bei Männern. Michael Zitzmanns Vorgänger beim CeRA war Teil dieser Arbeitsgruppe, und als jener in den Ruhestand ging, übernahm Zitzmann seine Aufgabe. „Die ‚Pille für den Mann‘ funktioniert. In vier oder fünf Jahren kann sie auf dem Markt sein!“, sagte er damals. Das ist jetzt mehr als zehn Jahre her.

Die „Pille für den Mann“ war eine Spritze, die alle zwei Monate in den Gesäßmuskel injiziert wurde. „Ich war zuversichtlich, dass das die letzte Studie sein würde“, erinnert sich Zitzmann. Der Pearl Index war besser als der von der Pille für die Frau, von den 400 teilnehmenden Paaren wurden nur vier Frauen schwanger – das wurde als sehr gut gewertet. Aber: Zehn Prozent der Männer klagten über Nebenwirkungen. Stimmungsschwankungen, eine veränderte Libido, Gewichtszunahme. Zitzmann erinnert sich an vier Männer mit Depressionen. Die Studie wurde vorzeitig abgebrochen.

Man hätte die Pille für den Mann durchaus auf den Markt bringen können

Sie dürfen jetzt gerne nochmal zum Anfang des Textes zurückblättern und die Nebenwirkungen der Pille für die Frau mit denen des Präparates für den Mann vergleichen. Es sind dieselben. Nur dass bei den Frauen der Prozentsatz derer, die unter ihnen leiden, deutlich höher ist. Bei der bereits erwähnten Befragung zum Verhütungsverhalten der BZgA sagten 38 Prozent der Frauen, die mit der Pille verhüteten, dass diese negative Auswirkungen auf Körper und Seele hat. Und eine Studie der Universität Kopenhagen aus dem Jahr 2016 stellte einen schockierenden Zusammenhang zwischen hormoneller Verhütung und Depression her: Frauen, die eine klassische Kombinationspille aus Östrogen und Gestagen einnahmen, wurden zu 23 Prozent häufiger Antidepressiva verschrieben als Frauen, die keine Pille einnahmen. Mit der Minipille, die nur Gestagen enthält, beträgt dieser Wert 34 Prozent. Und für nicht-orale hormonelle Verhütungsmittel – also Ringe, Pflaster und Schirmchen – stieg das Risiko um das Dreifache.

Auch das Risiko für Thrombosen nimmt bei neuen hormonellen Verhütungsmitteln zu statt ab. Laut einem Risikobewertungsverfahren der Europäischen Arzneimittelagentur und anderen europäischen Behörden bekommen pro Jahr zwei von 10.000 Frauen eine tiefe Venenembolie. Das heißt, in einer Vene bildet sich ein Blutgerinnsel, von dem sich Fragmente lösen und in die Lunge wandern können, was dann zu einer Lungenembolie und zum Tod führen kann. Mit jeder Pillengeneration und den neuen Produkten wie Pflastern und Hormonringen steigt dieses Risiko: auf bis zu neun bis zwölf von 10.000 Frauen. Außerdem erhöhen die Mittel auch das Risiko für arterielle Blutgerinnsel, die Schlaganfälle oder Herzinfarkte auslösen können. Trotzdem lautet das offizielle Urteil: Der Nutzen überwiegt das Risiko.

Ich frage Michael Zitzmann, ob es auch bei der Spritze für den Mann ein erhöhtes Thromboserisiko gegeben habe. Er verneint. „Man hätte die Nebenwirkungen bei Männern und Frauen durchaus zusammen betrachten können. Da wird mit zweierlei Mass gemessen, das ist wirklich nicht ganz korrekt“, räumt er ein. „Man hätte das Mittel durchaus auf den Markt bringen können.“

Warum also nicht? Ich frage die WHO, warum die Studie wegen so relativ geringer Nebenwirkungen abgebrochen wurde und ob an einer Verfeinerung der Spritze gearbeitet wird. Ich erfahre, dass die Beteiligten an der Studie mittlerweile im Ruhestand sind und sich dazu nicht mehr äußern wollen.

Ein simpler Grund, warum es immer noch nicht mehr Verhütungsmittel für Männer gibt, ist der Profit. Die Rechnung ist ganz einfach: Wenn eine Firma Verhütungsmittel für Männer auf den Markt bringt, könnte der Markt bei den Frauen in gleichem Maße einbrechen. Und dieses Geschäft ist viel zu lukrativ, um es zu gefährden. Eine Monatspackung der Pille kostet bis zu rund 25 Euro. Hormonoder Kupferspiralen kosten inklusive des Eingriffs 350 bis 450 Euro. In Deutschland werden Verhütungsmittel nur in Ausnahmefällen von den Krankenkassen übernommen, Kosten wie Risiken tragen die Frauen selber. Mein Freund fand es selbstverständlich, die Hälfte des Preises meiner Spirale zu bezahlen. Ob das alle Männer so sehen?

Der weltweite Marktführer Bayer verdiente 2020 allein mit seinen Hormonspiralen Mirena, Kyleena und Jaydess sowie mit seinen Pillen YAZ, Yasmin und Yasminelle 1,75 Milliarden Euro. Die Produktgruppen stehen auf Platz drei und fünf der umsatzstärksten Pharmaprodukte des Konzerns. Hinzu kommt eine breite Produktpalette des Tochterunternehmens Jenapharm. Damit das Geschäft so rentabel bleibt, schicken die Pharmakonzerne Vertreter in Arztpraxen, versenden kostenloses Infomaterial und sponsern Fortbildungen – mit großer Wirkung. In Deutschland prüfte die Verbraucherzentrale Hamburg im Jahr 2016 die Verhütungsberatung von GynäkologInnen und gab drei Viertel der Geprüften die Noten „ausreichend“ und „mangelhaft“, denn: „Zu oft verwiesen die GynäkologInnen auf die Antibabypille als ideales Verhütungsmittel und klärten nicht über Alternativen mit weniger Nebenwirkungen auf.“

Der Pharmakonzern Bayer war es auch, der die – soweit ersichtlich – letzte Forschung zu männlichen Verhütungsmitteln seitens der Pharmaindustrie beendete. Diese betrieb bis 2007 die Schering AG: In klinischen Studien testete sie eine Kombination aus Gestagen-Implantat, das einmal jährlich in den Oberarm eingesetzt werden musste, und Testosteron-Spritze, die ungefähr alle drei Monate in den Gesäßmuskel gespritzt wurde. Doch dann übernahm Bayer die Schering AG und stellte die Forschung kurze Zeit später ein.

Ich möchte von dem Konzern erfahren, warum das so war und bekomme diese Erklärung: „Die Kombination aus Implantat und Injektion hat sich in den klinischen Studien zwar als wirksam und mit tolerierbarem Nebenwirkungsprofil gezeigt. Wegen des unangenehmen Anwendungsschemas war Bayer jedoch nicht überzeugt, dass diese Kombination von den Männern genügend akzeptiert werden würde.“

Wir Frauen tragen weiterhin die Konsequenzen, wenn was schiefgeht

Ich habe Ihnen auch deshalb meine Geschichte so detailliert mit allen Nebenwirkungen erzählt, damit Sie diese Antwort nun ebenso schwer zu ertragen finden wie ich. Und auch der Konzern Bayer weiß um das „unangenehme Anwendungsschema“ der weiblichen Verhütungsmittel. Rund 10.000 Frauen haben Bayer in den USA bereits wegen von Verhütungsmitteln ausgelösten Thrombosen und Lungenembolien verklagt. Der Konzern zahlte in Vergleichen mehr als zwei Milliarden Dollar.

Jenseits der Pharmaindustrie gibt es hingegen eine ganze Reihe an Forschungsvorhaben zu Verhütungsmitteln für Männer. Sowohl in Indien als auch in den USA wird unter den Namen RISUG und Vasalgel eine umkehrbare mechanische Lösung erforscht: Ein siebartiges Polymergel wird in den Samenleiter gespritzt und fängt dort die Spermien ab, während der Rest der Samenflüssigkeit durchfließen kann. Will man die Spermien irgendwann nicht mehr aufhalten, nimmt man ein Mittel ein und das Gel löst sich auf. Die klinischen Studien dazu verlaufen vielversprechend. Die US-amerikanische Firma Eppin Pharma erforscht das hormonfreie Medikament EP055, das ein Protein auf der Oberfläche der Spermien zerstört und so ihre Fähigkeit zu schwimmen beeinträchtigt. Bislang wurde es nur an Affen getestet.

Michael Zitzmanns Hoffnungen ruhen auf einem hormonellen Gel, das sich die Männer täglich auf die Schultern reiben. Erste kleinere Studien belegten eine gute Wirksamkeit, nun läuft eine klinische Studie mit mehreren hundert Probanden weltweit. Maria Cristina Meriggiola, eine der beteiligten Ärztinnen aus Italien, sagt mir: „Die Männer mögen es sehr gerne.“ Ob das Gel es irgendwann auf den Markt schafft, wird sich letztlich am Geld entscheiden.

Wir werden an der Tatsache nichts ändern können, dass wir Frauen die Konsequenzen tragen, wenn Verhütung schiefgeht. Vielleicht wäre ich auch im Eileiter schwanger geworden, wenn mein Freund verhütet hätte und nicht ich. Aber hätte er die Wahl gehabt, dann wären mir vielleicht viel Angst, Stimmungs- und Gewichtsschwankungen, Schmerzen und „Schlachttage“ erspart geblieben. Im schlimmsten Fall hätte statt mir auch mal mein Freund mit so etwas umgehen müssen. Das nennt sich Gleichberechtigung und sollte im Jahr 2023 mehr auslösen als nur betretenes Schweigen.

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