Kleinhans: Die Fußball-Pionierin
„Wenn ich die Mädels heute so sehe, wünschte ich, ich wäre nochmal 17 und könnte mitspielen“, schwärmt Christa Kleinhans. Die heute 88-Jährige war der Star von Fortuna Dortmund und gilt als die beste Fußballerin ihrer Zeit, in den 1950er und 1960er Jahren.
Christa ist verdammt gut. Die Jungs respektieren sie auf dem Platz
Etwa 150 Länderspiele hat sie in der Nationalelf bestritten – und zwar als den Frauen das Fußballspielen noch offiziell verboten war.
1937 geboren, wächst Christa als Nachkriegskind in Dortmund im Schatten des Stahlwerks Hermannshütte auf. Mit zwei Brüdern und als einziges Mädchen zwischen den Jungs bolzt sie nach der Schule. Mit Dosen, Bällen aus Lumpen, Schweinsblasen. Ihr Glück: Die Eltern lassen sie. Der Vater ist sogar stolz auf sein „Fußballmädchen“. Auf der Kirmes schießt er der Tochter einen Ball. Und: Christa ist verdammt gut. Die Jungs respektieren sie.
Nach dem „Wunder von Bern“ 1954 ist ganz Deutschland im Fußballfieber – auch die Mädchen und Frauen. Besonders im Ruhrgebiet gründen sich erste „Damenfußballvereine“. Dem DFB passt das alles nicht. 1955 verbietet er den Frauen das Kicken – inklusive Geldstrafe für Vereine. Christa wird erstmal Leichtathletin – und zur schnellsten 100-Meter-Läuferin Westfalens. Aber ihr Herz schlägt für den Fußball.
Trotz DFB-Verbot bleiben und wachsen die „Damenfußballvereine“. Als 1955 Fortuna Dortmund gegründet wird, ist Christa schnell dabei. Die Spielerinnen suchen sich Wiesen und Felder zum Spielen. Oft kommen Männer mit Stöcken, um sie zu vertreiben. „Flintenweiber“ rufen sie, oder „Zieht euch was Vernünftiges an!“ Schließlich dürfen die Dortmunderinnen abends auf dem Platz eines Handballvereins trainieren – wenn die Männer weg sind. Die Spielerinnen tricksen den DFB aus, organisieren Turniere, haben bald einen illegalen Liga-Betrieb und bringen sogar Länderspiele auf die Beine. 1957 findet das erste Länderspiel gegen Westholland im Münchener Dantestadion statt. Selbstverständlich ist Christa Kleinhans im Kader und gewinnt vor 18.000 ZuschauerInnen das Spiel mit 4 : 2. Jenseits ihres Fußballlebens macht sie eine Lehre bei der Post. 45 Mark gibt es da als Lehrlingslohn. Schuhe und Trikots muss sie abstottern. Fast zehn Jahre lang dreht sich für sie alles um Fußball.
Er wollte mir das Liebste nehmen, was ich habe. Er war eifersüchtig.
1960 heiratet Christa, doch die Ehe hält nur ein Jahr. „Der Typ wurde plötzlich eifersüchtig“, sagt sie, „eifersüchtig auf den Fußball“. „Er wollte mir das Liebste nehmen, was ich hatte. Ich sagte mir: Ich kämpfe für meine Sache, und die gebe ich nicht wegen ʼnem Mann auf.“ Sie reicht die
Scheidung ein. Als Postbeamtin entgeht ihr wegen des Fußballs eine Beförderung. Die Ehe holt viele Frauen vom Fußballplatz. Christas Verein löst sich auf. 1965 dann das letzte Spiel. Christa wechselt zum Handball und wird auch darin sehr erfolgreich. Zuletzt spielt sie sogar in der Bundesliga.
Als der DFB 1970 dann das Fußballverbot für die Frauen aufhebt, wird auch Christa gefragt, ob sie nicht wieder spielen will. Aber sie ist endgültig durch mit dem DFB. Die Liebe zum Fußball ist immer geblieben. Nach wie vor sieht die Fußballpionierin am liebsten Spiele der Frauen – und freut sich vollen Herzens auf die EM in der Schweiz.