Der verkaufte Krieg

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Alles war dunkel, doch das Bett, auf dem sie mich vergewaltigten, war beleuchtet, wie bei einem Verhör, wo sie das Licht auf dich richten. Nur das Bett wurde mit einem Scheinwerfer angestrahlt. .. Ich hatte das Gefühl, dass sie dabei manchmal Tonband und eine Kamera mitlaufen ließen."

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In sogenannten Friedenszeiten wird zur Herstellung von Pornographie in Filmstudios vergewaltigt, in Schlafzimmern, Kellern, dunklen Gassen, Gefängniszellen und Puffs. So sollte die Entdeckung nicht verwundern, dass Pornographie in einem von Serben in Bosnien-Herzegowina eingerichteten Konzentrationslager für Moslems und Kroaten in einer "Vergewaltigungskammer" hergestellt wird - wie von der Überlebenden, einer 28jährigen muslimischen Kroatin, berichtet. Trotzdem trifft es uns wie ein Schlag, öffnet uns auf schockierende Weise die Augen.

Als die amerikanische Schauspielerin Linda "Lovelace" vor einigen Jahren enthüllte, wie sie zur Mitarbeit an dem pornographischen Film "Deep Throat" gezwungen wurde und dafür nur Unglauben und die Unterstellung erntete, daran sei sie selber schuld, erklärte Gloria Steinem, das sei, als frage man einen ehemaligen KZ-Häftling: "Wie kommt es eigentlich, dass du im KZ gelandet bist?" Nun hat die Wirklichkeit diese Analogie eingeholt.

Mit der schon vor einem Jahr in Kroatien erprobten Strategie zieht das serbische Militär in Bosnien-Herzegowina eine Kampagne durch, die, wie die Welt jetzt weiß, beschönigend "ethnische Säuberung" genannt wird.

Es handelt sich aber um Völkermord: das heißt, die Entfernung oder Vernichtung aller Nicht-Serben aus dem Gebiet, das früher Jugoslawien hieß. Die Vergewaltigung, gewaltsame Schwängerung, Folterung und Ermordung muslimischer und kroatischer Frauen "für Serbien" sind ein Teil dieser Kampagne.

Dieser Völkermord wird fälschlicherweise als "Bürgerkrieg" bezeichnet, wobei "allen Seiten" gleichermaßen "Hass" vorgeworfen wird. Dadurch werden Aggressor und Opfer gleichgesetzt. Doch die serbische Aggression gegenüber Nicht-Serben ist genauso unbestreitbar wie die männliche Aggression gegenüber Frauen im täglichen Leben. Kriege bringen immer Greueltaten mit sich, besonders an der weiblichen Zivilbevölkerung. Aber weder die Moslems noch die Kroaten betreiben eine systematische Politik territorialer Expansion und Auslöschung der Serben durch Vergewaltigung serbischer Frauen.

Dies ist kein gegenseitiger Genozid. Das Zögern, zuzugeben, wer hier wem was antut, erinnert an die wohl- bekannte Methode, Frauen die Schuld zu geben, wenn sie von befreundeten Männern vergewaltigt werden, und ihnen außerdem vorzuwerfen, eine schlechte Meinung von diesen Männern zu haben.

Die Vergewaltigungen im serbischen Angriffskrieg gegen Bosnien-Herzegowina und Kroatien sind im Vergleich zu gewöhnlichen Vergewaltigungen das, was der Holocaust im Vergleich zum gewöhnlichen Antisemitismus war: ein und dieselbe Sache und doch gleichzeitig etwas qualitativ Neues, eine unvergleichliche Greueltat und doch nur der Höhepunkt von etwas, das jeden Tag geschieht. Jeden Tag, in jedem Land der Welt, werden Frauen von Männern sexuell missbraucht. Sex mit Gewalt ist auch zuvor schon dazu eingesetzt worden, ethnischen Hass zu erzeugen, anzustacheln und zu manipulieren, vom Dritten Reich bis hin zu "Penthouse". Doch nie zuvor wurde Sex so bewusst, so zynisch, so ausgeklügelt, so offen, so systematisch, mit einem solchen Maß an technologischer und psychologischer Ausgefeiltheit eingesetzt, um ein ganzes Volk zu vernichten.

In diesem Krieg wird Pornographie zu einem Werkzeug für Völkermord. Natalie Nenadic, eine Amerikanerin bosnischer und kroatischer Herkunft, schreibt aus Zagreb, sie habe aus muslimischen Quellen erfahren, dass "einige Massaker in Dörfern, wie auch Vergewaltigungen und Exekutionen in Lagern auf Video mitgeschnitten wurden". Eine Frau, die das Bucje-Vergewaltigungs- und Todeslager im von Serben besetzten Teil Kroatiens überlebte, beschreibt, wie ihre Vergewaltigungen pornographisch verwertet wurden: "Vor laufender Kamera wirst du von dem einen geschlagen, während der andere dich - Entschuldigung - fickt, seinen Schlagstock in dich reinrammt. Wir mussten sogar serbische Lieder singen vor der Kamera." Aussage für Aussage belegt, dass serbische Truppen filmen, während sie vergewaltigen. Und dabei lachen sie, stacheln sich gegenseitig auf und stoßen ethnisch beleidigende Flüche und Kraftausdrücke aus. "Ustascha-Hure" ist besonders beliebt. "Ustascha" ist ein Schimpfwort für das faschistische Regime in Kroatien (zu dem damals auch Bosnien-Herzegowina gehörte), das mit Hitler kollaborierte. Serbische Soldaten benutzen dieses Wort für muslimische und kroatische Frauen – von denen die meisten erst nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurden. Im vergangenen März sagte Borislav Herak, ein serbischer Soldat, vor einem Kriegsgericht in Sarajevo aus, dass die von ihm begangenen Vergewaltigungen befohlen worden waren, um die "serbische Moral zu heben". Die eingangs zitierte kroatisch-muslimische Überlebende - deren einer Zwillingssohn in ihren Armen enthauptet wurde -, berichtet, dass die serbischen Soldaten sie während der Vergewaltigung anbrüllten: "Kroatien wird endgültig vernichtet! 'Baliyas' müssen vernichtet werden! Du bist halb das eine und halb das andere. Darum musst du total vernichtet werden! Weil du Kroatin bist, werden dich fünf verschiedene Männer vergewaltigen - und weil du eine 'Bula' bist, nochmal fünf andere."

"Baliya" und "Bula" sind Schimpfwörter für Moslems. Hier verbindet sich Fremdenhass mit Frauenhass, ethnischer Hass wird sexualisiert. Fanatismus wird vom Vergewaltiger orgiastisch ausgelebt und mittels Pornographie als Massenerlebnis verbreitet. Die Filme und Videobänder werden zur Kriegspropaganda, zur Motivation für Folterer, die Befehle ausführen und genießen. Das hebt in der Tat ihre Moral.

Ein Teil der Vergewaltigungen, die zur Herstellung von Pornographie inszeniert werden, sind von Anfang an als Kriegspropaganda gedacht. Eine ältere Kroatin wurde dabei gefilmt, wie sie im Konzentrationslager Bucje zuerst mit Elektroschocks gefoltert und anschließend von einer Gruppe Serben in erbeuteten Kampfanzügen vergewaltigt wurde. Man zwang sie, vor laufender Kamera zu "gestehen", dass ihre Vergewaltiger Kroaten waren.

Solche Falschinformationen – durch Vertauschen ethnischer Kennzeichnungen - sind leicht zu fabrizieren, wo es keine angeborenenen Unterscheidungsmerkmale gibt, und werden von den Serben routinemäßig eingesetzt. Ein ebensolcher Vorfall des Vertauschens von Opfern und Mördern wurde laut Aussage eines UN-Sprechers in Sarajevo als schamlose Lüge abgetan (zitiert in der "New York Times" vom 14. April 1993). Eine von den Serben gefangengenommene Frau beschrieb, wie sie gezwungen wurde, ein falsches "Geständnis" über ihre Aktivität als "Terroristin" vor einer Fernsehkamera von Novi Sad zu verlesen. Sie wusste, dass diese Lügengeschichte ausgestrahlt worden war, weil sie von einem serbischen Bewacher erkannt wurde, der sie im Belgrader Fernsehen gesehen hatte.

Die serbische Propaganda manipuliert kulturelle Merkmale mit postmoderner Behendigkeit, sodass diese zugleich wirklich und unwirklich sind. Symbole, Bilder, Sprache und Identität werden zu einer vielschichtigen Scheinwirklichkeit umgemünzt, um im einen Moment dies, im nächsten das genaue Gegenteil darzustellen - alles im Dienst des Völkermords, der einzig geltenden Wirklichkeit, die nur eine Bedeutung hat. Wenn erfundene Menschen dargestellt werden, wird das Spiel mit der Realität zu einer faschistischen Strategie.

Filme, die zeigen, wie muslimische und kroatische Frauen durch serbische Soldaten vergewaltigt werden, waren in Banja Luka, einer von Serben besetzten Stadt im Westen Bosnien-Herzegowinas, im Fernsehen zu sehen. Die Frauen wurden jedoch als Serbinnen präsentiert, die von Moslems und Kroaten vergewaltigt werden. Im September 1992 wurde die Vergewaltigung einer etwa 50jährigen Frau, nackt und mit deutlich sichtbaren Schlagwunden, im Fernsehen gezeigt. Ein serbisches Kreuz hing um ihren Hals; der Vergewaltiger beschimpfte ihre "Tschetnik"-Mutter (ein Ausdruck für serbisch-faschistische Kollaborateure, der zu einem Ehrenbegriff in der serbischen Armee geworden ist); jemand brüllte: "Noch fester!" Die Beschimpfungen waren nachsynchronisiert – und eindeutig serbisch in Aussprache und Wortwahl. Das Gesicht des Mannes war nicht zu sehen, im Gegensatz zu dem der Frau. In einer weiteren, ein paar Tage später gesendeten Vergewaltigung war eine etwa 35jährige Frau mit kurzen schwarzen Haaren zu sehen, die auf dem Boden lag. Ihre Arme waren gespreizt und an einen Baum gefesselt, die Beine an die Hände gebunden. Viele Männer hatten zugesehen, wie sie vergewaltigt wurde, viele tausend mehr sahen ihre Vergewaltigung im Fernsehen. Diesmal wurden, offenbar durch einen technischen Fehler, etwa vier bis fünf Sekunden Originalton mitgesendet: "Willst du Sex, Ustascha? Magst du serbische Hengste?"

Asja Armanda von der kroatischen "Kareta"- Frauengruppe weiß von einer Nachrichtensendung, in der serbische Panzer gezeigt wurden, die in ein "gesäubertes" Dorf einfuhren. Die Panzer waren von oben bis unten mit pornographischen Postern bepflastert. Wie kann es geschehen, dass Völkermord zu einer so unverhüllten sexuellen Obsession wird? Dass reale Vergewaltigungen zur Fernsehunterhaltung werden?

Jugoslawien war bereits vor dem Krieg von Pornographie durchtränkt. Der dortige Markt war, so der jugoslawische Kritiker Bogdan Tirnanic, "der freieste der Welt". Das vielgelesene jugoslawische Nachrichtenmagazin "Start" brachte Titelbilder a la "Playboy" und enthielt in jeder Nummer einen Poster mit einer nackten Frau, die sich in sexuell aufreizender Pose darbot. Ausgewählte, unter dem kommunistischen Regime privilegierte Journalistinnen schrieben regelmäßig in "Start". Manche von ihnen arbeiteten in der Redaktion und verstanden sich als Vertreterinnen von Fraueninteressen. Die Präsentation von Pornographie als feministisches Modell stieß damals viele Frauen ab.

Wenn Pornographie derart alltäglich ist, wird die gesamte männliche Bevölkerung darauf gedrillt, Frauen nicht als Menschen und sexuelle Übergriffe als selbstverständliches Vergnügen zu betrachten. Die "New York Times" berichtete, man habe "stapelweise Pornohefte" im Schlafzimmer von Borislav Herak gefunden, dem gefangengenommenen serbischen Soldaten, der seelenruhig zugab, jede Menge Morde und Vergewaltigungen begangen zu haben. Dem Kriegsgericht in Sarajevo beschrieb er auf die Frage, wo er das Töten gelernt hätte, anschaulich, wie man es ihm beigebracht hatte - an Schweinen. Niemand fragte ihn, wo er das Vergewaltigen gelernt hat. Obwohl er aussagte, seine erste Vergewaltigung in diesem Krieg sei auch sein erstes sexuelles Erlebnis gewesen.

Pornographie ist die perfekte Vorbereitung - Stimulation und Lehrbuch in einem - für die sexuellen Greueltaten, die in diesem Völkermord befohlen werden. Pornographie, die bekanntlich dazu dient, Frauen in den Augen der Benutzer zu entmenschlichen, ist in etlichen Vergewaltigungslagern reichlich vorhanden, wie Überlebende berichten. In einem Militärgefängnis war sie speziell auf die sexuellen Vorlieben der Wachen abgestimmt, als Vorlage zur Nachahmung. Eine Mutter von zwei Kindern erinnert sich, dass die Männer kleine Penisse in die Pornoheftchen malten, neben diejenigen Frauen, die sie "haben" wollten, und ihre Namen drauf schrieben. Neben die Männer in den Heftchen schrieben sie: "Ich hab einen längeren als du", und bekräftigten dies mit ihrer Unterschrift. Ein serbischer Wächter malte laut Aussage "einen Schwanz und einen Pfeil, der zeigte, wohinein er ihn stecken wollte." Mit anderen Worten, diese Männer machen mit den Frauen in den Heftchen das, was sie mit den Frauen in den Lagern tun: "Die Frauenfiguren in den Pornoheften wurden mit der Schere zerschnitten, während die Männer heil blieben."

Geschlechtsteile werden zu Waffen, und Waffen werden personifiziert: Überlebende, die sich der bosnischen Frauenflüchtlingsgruppe "Zene BiH", jetzt im Exil in Zagreb, angeschlossen haben, berichten, auf den Überresten eines Projektils, das in eine Sarajevoer Entbindungsstation eingeschlagen war, den Namen des Tschetnik-Kommandeurs Jovan Tintor gefunden zu haben.

Wenn Pornographie so alltäglich und so akzeptiert ist, dass keine klare Abgrenzung mehr zu Nachrichten, Unterhaltung und dem "normalen" Leben zu erkennen ist, können Frauen sie nicht mal mehr als solche benennen. Eine Frau, die das serbische Militärgefängnis überlebte, berichtet von einem dicken Sex-Buch, das dort die Runden machte. Es zeigte "Männer mit Tieren, Frauen mit Tieren und wie man Aids bekommt". Das Buch war "so zerlesen, dass es total auseinanderfiel". Eine andere Frau sprach von "diesen Magazinen mit den nackten Frauen, dem Sex". Die Frauen aus dem Militärgefängnis suchten nach Worten, um das Gesehene zu beschreiben: "Entweder stehen sie da und sind nackt, oder sie liegen, eine Frau auf einer Frau, eine Frau auf einem Mann, in all diesen Stellungen, die es gibt. Ich weiß nicht, wie diese Magazine genannt werden." Auf die Frage, was sich an den Wänden der Schlafräume der Wachen befand - Bilder ihrer politischen Führer vielleicht? - antwortete eine Frau: "Bilder von Milosevic oder Tito habe ich da nicht gesehen. Nur Bilder von nackten Frauen, die üblichen Bilder aus "Start" und solchen Sachen. Männersachen eben."

Besteht ein Zusammenhang zwischen dem Konsum von Pornographie, der Sexualisierung von Folter und den ausgeführten sexuellen Handlungen? Eine Frau berichtet, dass ihr das gleiche angetan wurde wie einer Frau, die sie in einem Pornoheft gesehen hatte. Zunächst beschreibt sie die Abbildungen, die sie im Lager sah: "Diese Bilder mit den Dingern drauf, mit denen sie dich schlagen, so Ketten, mit denen sie dich ans Bett fesseln. Er hatte sie an der Decke aufgehängt." Übergangslos fährt sie mit der Beschreibung dessen fort, was man ihr angetan hat: "Da gab es eine Art Holzbrett an der Seite, an das eine Frau mit Ketten gefesselt war. Sie hatte eine Maske auf und er schlug sie mit einer Art dicken Peitsche. Ich meine, diese Peitsche erinnerte mich an das Konzentrationslager Bergejci, weil sie in Bergejci auch so eine dicke Peitsche hatten, - eine Peitsche aus Leder - und die Gefangenen damit genauso geschlagen wurden. Ich meine, ich bin in Bergejci einmal so geschlagen worden, mit einer Peitsche, genau wie die da. Daher weiß ich, wie weh das tut." Viele Folterungen in den Lagern werden als sexuelle Spektakel inszeniert, als ritualisierte sadistische Vorführungen, bei denen der Sexualakt aus dem Zufügen extremer Schmerzen bis hin zum Tod besteht und die sexuellen Gelüste von Ausführenden und Zuschauern gleichermaßen befriedigt.

Ein bosnischer muslimischer Soldat, nennen wir ihn Haris," der als Spion beim serbischen Militär eingeschleust wurde, observierte im April 1992 ein kleines Konzentrationslager in einem von Serben besetzten kroatischen Gebiet. Das gesamte Lager befand sich ausschließlich unter freiem Himmel, die Insassen waren "hungrig, gefoltert, blutig geschlagen". Er sah, wie ein Mann und eine Frau – im siebten oder achten Monat schwanger - von den Serben auf eine Lichtung im Wald geführt wurden. Die Frau wurde aufrecht an einem Kreuz festgebunden, die Füße zusammengebunden, Arme nach rechts und links ausgestreckt. Dann schnitten sie ihr den schwangeren Leib mit einem Messer auf. "Es lebte ... es bewegte sich." Die Frau war nach etwa 15 Minuten tot.

Der Mann, offenbar ihr Ehemann und Vater des Babys, war an einen Baum gefesselt und musste alles mit ansehen. Die Soldaten versuchten, ihn zu zwingen, den Arm des Babys zu essen. Später "hackten sie mit Messern auf ihn ein, schnitten ihm Stücke aus dem Fleisch, damit er zu Tode blutete." Währenddessen "lachten sie: 'Wir werden euch alle abschlachten! Dies ist unser Serbien!'" Haris ist auch sicher, dass alles gefilmt wurde. Dies ist Pornographie "live". Unter anderen politischen und weltanschaulichen Vorzeichen berichten Opfer ritueller Folterhandlungen auch hier in Amerika über die gleiche Art inszenierter Grausamkeiten, die mit dem Tod des Opfers enden. Manche berichten, dass auch diese "Snuff'-Szenen auf Video aufgenommen werden.

Die Nazis waren im Einsatz der Medientechnologie ihrer Zeit voraus. Seit damals ist die visuelle Technik, die Menschen als lebende Zielscheiben benutzt, sehr viel billiger, einfacher zu bedienen und leichter zugänglich geworden. Die Pornographie ist im Verlauf ihres weltweiten Dauereinsatzes seit einem halben Jahrhundert immer eindeutiger, aufdringlicher und gewalttätiger geworden. Vor diesem Hintergrund wirken die Bemühungen der Nazis gegenüber denen der Serben vergleichsweise primitiv. In den Nürnberger Prozessen gegen die Kriegsverbrechen der Nazis wurde Vergewaltigung nicht geahndet, obwohl dem Gericht Dokumente über sexuelle Formen der Folter sowie Vergewaltigung vor- lagen.

Vergewaltigung im Krieg wurde überwiegend als Zufallsprodukt des Krieges und nicht als gezielt eingesetzte Kriegspolitik behandelt. Julius Streicher - Herausgeber der antisemitischen Wochenzeitung "Der Stürmer", die pornographische, antisemitische Hasspropaganda enthielt - wurde nur allgemein der "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" und der "Aufhetzung gegen die Juden" angeklagt. Streicher, den die Anklageschrift im Nürnberger Prozess als brutalen Sadisten beschreibt, der stets eine Lederpeitsche am Handgelenk trug, wurde für schuldig befunden und zum Tod durch den Strang verurteilt. Werden in den Kriegsverbrecherprozessen gegen den Völkermord in Bosnien-Herzegowina und Kroatien diejenigen, die zum Genozid durch Vergewaltigung, sexuelle Folterung und Mord aufhetzen - sowohl die serbischen Pornographieproduzenten, als auch die Politiker und ihre Untergebenen - ihre gerechte Strafe bekommen?

Was schulden wir heute den Frauen, die "von Glück sagen konnten, wenn sie dich bloß vergewaltigten"? Wird es ihnen möglich sein, über das zu sprechen, was man ihnen angetan hat? Eine Überlebende sagte: "Es ist sinnlos, über den Rest zu sprechen. Für mich gibt es keine Sicherheit mehr. Ich habe nichts mehr." Wenn die Filme über ihre Vergewaltigung als Pornographie verkauft werden - dank der "Demokratie" und "Befreiung" im postkommunistischen Osteuropa und dank dem weltweiten Schutz, den Pornographie im Namen der "Meinungsfreiheit" genießt - wird diese Frau noch weniger als nichts haben

 

Catharine MacKinnon vertritt als Anwältin die juristischen Interessen von fünf kroatischen und muslimischen Gruppen überlebender Frauen. Mit Unterstützung von NOW hat sie gegen den Führer der bosnischen Serben, Radovan Karadzic, bei einem New Yorker Gericht Anzeige erstattet wegen Völkermord durch Vergewaltigung als Kriegsverbrechen.

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