Bordelle: Größte Razzia aller Zeiten!

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Was die BeamtInnen am Dienstagmorgen in dem Haus in der Eiserfelder Str. 45 vorfanden, ließ auch hartgesottene PolizistInnen schlucken. "Das geht einem schon sehr nahe, in welchen Verhältnissen die Frauen da hausen mussten", wird eine Polizistin zitiert. Auch ihre KollegInnen waren schockiert. "Das bewegt unser Personal emotional schon sehr," erklärt der Siegener Polizeisprecher Jens Flören. Es ist selten, dass Polizeisprecher so etwas sagen.

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Die acht thailändischen Frauen, die die Polizei aus dem Haus befreite, waren aber nur ein Bruchteil der Opfer des Menschenhändlerrings, der jetzt in einer beispiellosen Polizei-Aktion gestoppt wurde. 1.500 BeamtInnen in zwölf Bundesländern durchsuchten 60 Bordelle, Massagesalons und Terminwohnungen. Es war die größte Razzia, die die Bundespolizei jemals gegen einen Prostitutions-Ring gestartet hatte. Und sie zeigt einmal mehr, wie das System Prostitution funktioniert – mit Gewalt.

Dass Frauen befreit und Täter angeklagt werden, ist die Ausnahme

Hunderte Frauen und Transsexuelle, sogenannte „Lady-Boys“, hatte die Bande nach Deutschland gelockt. Hier angekommen, mussten sie plötzlich fünfstellige Summen für die Schleusung „abarbeiten“. Kopf der laut Polizei-Informationen etwa 20-köpfigen Bande waren ein Deutscher und eine Thailänderin, die in Siegen lebten.

Auch jetzt wird es wieder Stimmen geben, die diesen klaren Fall von Menschenhandel als bedauerliche Ausnahme betrachten. Es ist genau umgekehrt. „Prostitution ist ein Industriezweig, in dem Gewalt, Ausbeutung und Zwang die Regel sind“, erklärte Sabine Constabel, Gründerin von „Sisters“, im Interview mit Claus Kleber im heute journal. „Dass ab und zu ein Verfahren durchgezogen wird, in dem diese Opfer befreit und Täter angeklagt werden, das ist die Ausnahme.“

Man muss sich ja nur vorstellen, mit welcher flächendeckenden Brutalität dieses System funktioniert haben muss: In jedem Bordell, in jedem Massagesalon, in jeder Terminwohnung muss es „Aufpasser“ gegeben haben, die die Frauen und Transsexuellen kasernierten und bedrohten. Die Bundespolizei wusste offenbar sehr genau, in welches kriminelle Milieu sie eindringt, wenn sie 1.500 PolizistInnen losschickte, darunter die GSG9. Die paramilitärische Spezialeinheit, bewaffnet mit Maschinengewehren, wird unter anderem zur Terrorbekämpfung eingesetzt. Und jetzt eben zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität in Deutschlands Bordellen.

Freier schrieben begeistert über den "Siegener Thaifickhimmel"

Schwerpunkt der Razzien war übrigens Nordrhein-Westfalen, wo die vormals rot-grüne Landesregierung in Sachen Prostitution einen äußerst „liberalen“ Kurs fuhr. So richtete sie zum Beispiel einen „Runden Tisch Prostitution“ ein, an dem auch Bordellbetreiber saßen. Vielleicht ja auch das Paar aus Siegen?

Und es ist womöglich kein Zufall, dass die Razzia zum jetzigen Zeitpunkt stattfand. Am 13. März hat in Stuttgart der Prozess gegen Jürgen Rudloff begonnen. Der Betreiber mehrerer Bordelle, darunter das „Paradise“ in Leinfelden-Echterdingen, war jahrelang von Talkshow zu Talkshow getingelt und hatte sich als Saubermann verkauft. Jetzt steht er wegen „Beihilfe zum schweren Menschenhandel“ und „versuchter gewerbs- und bandenmäßiger Förderung des Menschenhandels“ vor Gericht. Hermann Müller, Besitzer des Kölner „Pascha“ und weiterer Bordelle, sitzt ebenfalls hinter Gittern. Sein vor laufender Kamera verkündetes Credo: „Die Frau ist dazu geboren, dem Mann zu dienen und zu gehorchen.“

Die Stimmung kippt. Immer mehr Menschen, darunter auch PolitikerInnen, begreifen, was Prostitution ist: „Prostitution ist in großen Teilen legalisierte, liberalisierte Sklaverei“, sagt Sabine Constabel zur besten Nachrichten-Sendezeit. Eine hilfreiche Lektüre sind diesbezüglich die Freierforen, in denen die Männer, die die Eiserfelder Straße 45 aufsuchten, über ihren Besuch bei "Thai Enny“, Quang oder Lin schrieben. Nach der Dienstfahrt schnell das "Thai-Buffet in Siegen gecheckt" oder positive Erfahrung gemacht im "Siegener Thaifickhimmel". Für die Frauen war es die Hölle.

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Zwangsprostitution im "Paradise"?

Michael Beretin und Jürgen Rudloff: Keine Saubermänner im Rotlichtmilieu. - © Foto: C. Lauer
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Während „Paradise“-Geschäftsführer Michael Beretin weiterhin in Untersuchungshaft sitzt, erhebt die Staatsanwaltschaft Stuttgart neue Vorwürfe gegen Jürgen Rudloff (Foto re), der als Inhaber der „Paradise“-Häuser gilt. Laut Bild soll es im „Paradise“ Zwangsprostituierte gegeben haben, die von Mitgliedern einer Rockerbande, den United Tribuns aus Stuttgart und Bosnien, zur Prostitution gezwungen worden seien.

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Zwangsprosti-
tution im Paradebordell "Paradise"?

Eine 18-Jährige in Rudloffs Paradies soll unter Androhung von Gewalt sogar genötigt worden sein, sich den Namen ihres „Besitzers“ auf den Bauch tätowieren zu lassen. Und eine junge Schweizerin soll von ihrem Zuhälter u.a. mit einem Gürtel geschlagen und dazu gezwungen worden sein, 10.000 € pro Woche an den Mann abzuliefern. Rudloff wollte sich auf Anfrage von Bild zu den Anschuldigungen nicht äußern, hatte jedoch noch in der vergangenen Woche alle Vorwürfe bestritten.

Eine Prostituierte zahlt in der Woche im "Wellnessbordell Paradise" rund 700 € für Eintritt (79 € am Tag) und Steuer (25 €). Bei 50 € pro Freier und einer Sechs-Tage-Woche und 10.000 Euro für den Zuhälter muss die Frau also rund 34 Männer pro Tag zu Willen sein – und hat dann immer noch keinen einzigen Cent für sich zum Leben. So geht’s zu im Paradise. Für die Frauen.

Aber auch so mancher Mann dort ist unglücklich. Zum Beispiel der eigene Sohn von Bordellkönig Rudloff war so ein unglücklicher Mensch. Seine Mutter machte im Dezember in der vielgesehenen SWR-Talkshow „Nachtcafé“ überraschend den Selbstmord ihres Sohnes, den sie mit Rudloff hatte, öffentlich.

Welche Rolle spielt der Vertreter der Allianz-Versicherung?

Frau Steinz schilderte ihren Sohn als besonders sensibel und geradezu gerechtigkeitsfanatisch. Sie ließ es dennoch zu, dass der junge Mann in dem Bordell seines Vaters, von dem sie schon länger getrennt lebt, arbeitete. Am Tag des Selbstmordes von Marc-Dennis war der Vater zusammen mit einem Freund zu Besuch bei seiner Ex und seinem Sohn – und verabschiedete sich mit den Worten: Bis nachher, komm doch noch nach. Vermutlich auf dem Weg zum Paradise sprang Marc-Dennis von einer Brücke.

Mehr über die Großrazzia im Paradise, in weiteren Großbordellen und „Modelwohnungen“, sowie die Verquickungen eines Generalvertreters der Allianz Versicherung mit Rudloff & Co. im aktuellen EMMA Magazin. Und der aktuelle Stand der Gesetzesplanung: Welche Rolle spielt eigentlich die Staatssekretärin des Frauenministeriums, die ASF-Vorsitzende Elke Ferner, bei der Verzögerung des neuen Prostitutionsgesetzes? 

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