Tanja schreibt dem "Lieben Sexkäufer"
Ursprünglich hatte sie den Brief auf ihren Blog gestellt. „Lieber Sexkäufer“ hatte sie geschrieben, „falls du glaubst, dass ich jemals Lust auf dich hatte, liegst du schrecklich falsch. Du warst vielleicht Nummer drei, Nummer fünf oder Nummer acht an diesem Tag. Glaubtest du wirklich, dass ich mental oder physisch angetörnt werden kann von einem Mann, den ich mir nicht selbst ausgesucht habe? O nein. Mein Unterleib brannte. Von Gleitcreme und Kondomen.“
Tanja Rahm hat drei Jahre lang als Prostituierte gearbeitet, freiwillig und ohne Zuhälter. 13 Jahre ist das jetzt her. Heute ist die Dänin 36 Jahre alt und arbeitet als Therapeutin. Am 3. Januar stellte sie den Brief an ihre ehemaligen Freier online. Darin rechnet sie schonungslos mit ihnen ab, und zwar auch und vor allem mit den „Netten“: „Wenn du mein Aussehen gelobt hast, meinen Körper oder meine sexuellen Fähigkeiten, hättest du genauso gut auf mich spucken können. Du hast nicht den Menschen dahinter gesehen. Du hast nur das gesehen, was deiner Illusion der geilen Frau mit der nicht zu stoppenden Sexlust entspricht.“
Tanja Rahm: "Falls du glaubst, dass ich jemals Lust auf dich hatte, liegst du schrecklich falsch."
Seither haben Hunderttausende Tanja Rahms Brief gelesen. Er wurde als erstes in der norwegischen Aftenposten veröffentlicht, wo er 500.000 mal geklickt wurde. Jeder fünfte Norweger bzw. Norwegerin wollte also wissen, was Rahm über ihre Erfahrungen in der Prostitution zu sagen hat. In Norwegen ist der Sexkauf, wie in Schweden und Island, verboten.
Auch der deutschen Welt, die den Brief ebenfalls nachdruckte, bescherte Tanjas Brief mit 170.000 Zugriffen Rekord-Klickzahlen – trotz oder gerade wegen seiner Schonungslosigkeit. Da heißt es weiter: „Du glaubst, du hast ein Recht dazu. Die Prostituierten sind ja ohnehin da. Aber weißt du was? Die Prostituierten sind nur da, weil Männer wie du einem gesunden und respektvollen Verhältnis zwischen Männern und Frauen im Weg stehen. Die Prostituierten existieren nur, weil Männer wie du sich berechtigt fühlen, ihre sexuellen Bedürfnisse in den Körperöffnungen anderer Menschen zu befriedigen.“
Wie den LeserInnen-Kommentaren zu entnehmen ist, fühlten sich eine Menge Herren angesprochen. Verständlich: Laut einer französischen Studie geht jeder dritte Mann häufig oder sporadisch ins Bordell, in Deutschland dürften die Zahlen ähnlich sein. Kein Wunder, dass die Reaktionen auf den neu aufflammenden Kampf gegen Prostitution so heftig sind.
Besonders aufschlussreich ist der Kommentar von Akif Pirinçci in dem Online-Maskulisten-Blatt eigentümlich frei. Der deutsch-türkische Autor hatte 1989 mit dem Katzenkrimi „Felidae“ einen Weltbestseller gelandet. Der Roman war eine bittere Anklage gegen Tierversuche. Seither fühlt sich Pirinçci mit Titeln wie „Katzensinne. Was sie fühlen, was sie denken, was sie lieben“ sensibel in die Katzenseele ein. Mit seiner Empathie für Frauen ist es allerdings nicht ganz so weit her.
„Liebe ehemalige Nutte Tanja Rahm“, schreibt der 54-Jährige, der von der „von dir und Deinesgleichen angebotenen Dienstleistung ausgiebig Gebrauch gemacht“ hat. „Deine Wehwehchen sind wirklich das Allerletzte, was einen Puffgänger interessiert, denn er geht ja in einen Puff und nicht ins Krankenhaus, um kranken Frauen gute Besserung zu wünschen.“ Und weiter: „Anscheinend kapierst du die Grundregeln deines ehemaligen Gewerbes heute noch nicht.“
Eine dieser Grundregeln geht laut Tierfreund Pirinçci so: Bei der „Nutterei“ befinden sich die Beteiligten in einem „quasi animalischen Bereich“, in dem es „schnell mal zu Grobheiten, Unflätigkeiten, ja im extremen Fall gewaltsamen Missverständnissen kommen kann. Das ist ein Berufsrisiko, meine Liebe. Etwa so wie Stuntmen immer damit rechnen müssen, sich die Knochen zu brechen.“ Schließlich „zirkuliert im Blut des Mannes nun mal das Zehnfache an Testosteron. Und das Zeug ist nicht für Moral zuständig!“
Akif Pirinçci: "Eine Frau, die sich täglich von zehn verschiedenen Männern besteigen lässt, nennt man zu Recht eine Hure."
Dass es die Freier sind, die den Markt schaffen, lässt Pirinçci nicht auf sich sitzen. Schuld sind vielmehr die verdorbenen Frauen. Denn: „Prostituierte gibt es nicht, weil Männer dafür Geld zu zahlen bereit sind, sondern weil es Prostituierte gibt. Diesen Job kann nämlich die überwältigende Mehrheit der Frauen nicht verrichten, man muss dafür mehr oder weniger geboren sein.“ Deshalb nennt man eine Frau, „die sich täglich von zehn verschiedenen Männern besteigen lässt, zu Recht eine Hure.“ Es überrascht nicht wirklich, dass Pirincci seinen Heilige-Hure-Erguss im Maskulisten-Magazin eigentümlich frei veröffentlichen durfte.
Interessanterweise bestätigt der bekennende Freier genau das, was Tanja Rahm beschreibt: „Wenn ich Nein gesagt und dir klargemacht hatte, dass du nicht wiederkommen sollst, dann hast du deine Ehre wiederhergestellt, indem du mich in meiner Rolle als Prostituierte erniedrigt hast. Da hast von oben herab mit mir gesprochen, warst drohend und grob.“ Eine Prostituierte, die nicht weiß, wo ihr Platz ist? Nicht mit Männern wie Akif Pirinçci.
Nur, dass diese (Ex)Prostituierte sich nicht mehr erniedrigen lässt. „Das Gute daran ist“, mailte Tanja Rahm an EMMA, „dass jetzt all diese kranken Leute zeigen, was sie wirklich über Frauen und ehemalige Prostituierte denken.“ In der Tat.