Teurer Rückzug in die Mutterschaft

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Kein Verständnis hat Jung-Akademikerin Fengler für ihre Freundinnen, die nur wegen Kind den Beruf fallen lassen.
Neulich kam mein Mann von einem Spaziergang nach Hause und grinste etwas breiter als sonst. "Kennst Du schon", hob er an und machte dann eine feierliche Pause, "diesen Erotik-Shop nur für Frauen?" Nun hatte also auch er den Laden entdeckt, obwohl er versteckt, beinahe verschämt in einem Hofdurchgang der Weiberwirtschaft liegt, einem Gründerinnenzentrum in Berlin-Mitte: Weiberwirtschaft.
Schon der Name atmet den liebenswert-engagierten Charme der späten achtziger Jahre, als wir in der gymnasialen Oberstufe noch Projekttage veranstalteten und auf Turnmatten für (oder über?) den Weltfrieden meditierten. Und vielleicht ist es auch kein Zufall, dass die Weiberwirtschaft eben nicht im Zentrum, sondern am Rande des Szenebezirks Berlin-Mitte liegt: Fast an der Grenze zum Problemquartier Wedding, das auch schon bessere Zeiten gesehen hat.
Die hippen jungen Szenemütter der ‚Generation Golf', die inzwischen zur ‚Generation Bugaboo' mutiert ist - selbst in den coolsten Clubs kann man unversehens in hitzige Debatten über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Kinderwagenmodelle und speziell des Modells Bugaboo hineingezogen werden - die coolen neuen Mütter also: Sie verirren sich nur selten in die Nähe der Weiberwirtschaft. Und vielleicht ist auch das kein Zufall.
Denn unter ökonomischem Verhalten verstehen viele Frauen aus meiner Generation heute etwas anderes, als man nach Jahrzehnten der Emanzipations-Debatte gemeinhin annehmen würde. Zum Beispiel ließe sich doch vermuten, dass eine Frau Mitte dreißig, die eine dickleibige Magister- oder Diplomarbeit verfasst und nervenaufreibende Prüfungen absolviert hat - dass diese Frau nun, wenn sie unter den nicht eben leichten Bedingungen des derzeitigen Arbeitsmarktes einen Beruf gefunden hat, auch an ihm festhält. Dass sie also in der Arbeitswelt "ihren Mann steht", wie unsere Mütter vielleicht noch gesagt hätten.
Aber dem ist nicht so. Und darüber bin ich frustriert. Frustriert über die stattliche Zahl von Frauen, ausgerechnet meines Alters, die sich mit dem ersten Kind so fröhlich ins Hausfrau-und-Mutter-Leben verabschieden, als hätten sie insgeheim nur darauf gewartet.
So höre ich von einer eigentlich sehr ehrgeizigen Medizinerin, die soeben auch ihre Facharzt-Prüfung bestanden hat, dass sie in Elternzeit geht - und "natürlich" die vollen drei Jahre ausschöpft. Eine promovierte Philologin, die mit Stipendien mehrere Jahre im Ausland war, widmet sich nur noch ihrem kleinen Kind - und lässt nicht erkennen, dass sich das in absehbarer Zukunft ändern könnte. "Warte ab, wenn Du erst mal ein Kind hast, wirst Du auch alles ganz anders sehen", prophezeit sie.
Gehirnwäsche kraft der Hormone? Mir läuft jetzt schon eine Gänsehaut über den Rücken ob solch vergifteter Kumpanei: Denn es sind ja gerade Sätze wie diese, geäußert von Altersgenossinnen, die eine prinzipiell gebärwillige Frau mehr verunsichern als ein unberechenbarer Chef. Wer es, zumal als KinderloseR wagt, solche Lebensentwürfe in Frage zu stellen, wird entweder als gefühllos abgewatscht oder mit einer Woge des Selbstmitleids konfrontiert.

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Schade eigentlich: Keine dieser Frauen gibt einfach mal zu, dass die Stay-at-home-Lösung vielleicht unterm Strich einfach bequemer ist, als sich Tag für Tag mit launischen Kollegen oder säumigen Kunden herumzuschlagen. Zumindest zunächst. Die Hausfrauendepression kommt später.
Ich könnte noch viele Beispiele aufzählen und würde mich bei jedem Exempel noch ein bisschen mehr darüber ärgern. Allein erziehenden Müttern und Frauen aus einkommensschwächeren Schichten bleibt oft gar keine andere Wahl, als sich gleichzeitig im Job durchzubeißen. Doch ausgerechnet privilegierte Frauen, die sich gemeinsam mit ihrem Mann oder sogar alleine durchaus eine Top-Kinderbetreuung leisten könnten, denken retro - und verschwenden so kostbare Ressourcen: ihr Talent plus die Steuergelder, die ihr Studienplatz die Gesellschaft gekostet hat.
Wann prangert der Bund der Steuerzahler, der sich doch sonst so gern über jeden frühpensionierten Staatssekretär aufregt, eigentlich endlich mal die Millionen- oder Milliardenschäden an, die durch den Rückzug von akademisch ausgebildeten Frauen ins Private verursacht werden? Im Schnitt kostet ein Studienplatz in Deutschland 7.000 Euro pro Jahr. Es darf hochgerechnet werden. Ist es da ein Wunder, dass in so manchen bildungspolitischen Runden klammheimlich darüber diskutiert wird, die Mittel für "typische Frauenfächer" zu kürzen - weil zu viele Absolventinnen anschließend verpuffen und der Volkswirtschaft nicht den erwarteten Nutzen bringen?
Jedermann und jederfrau sei die Entscheidung über die Gestaltung seines Lebens selbst überlassen. Aber brauchen wir wirklich die Abertausende von Luxus-Kindergärtnerinnen, wie sie im Moment Deutschlands Spielplätze und Pekip-Gruppen bevölkern - akademisch gebildete Frauen, die dann ersatzweise aus Alltagskram wie der Auswahl der richtigen Babycreme eine Wissenschaft machen, zu der notwendigerweise das vergleichende Studium der verschiedenen Öko-Test-Magazine gehört?
Und warum lassen wir es diesen Frauen durchgehen, wenn sie dann jammern, es "lohne" sich für sie doch kaum, zu arbeiten? Schließlich fräße der Lohn für die Supernanny das eigene, sauer verdiente Gehalt gleich wieder auf. Warum werden diese Kosten nicht - mental wie real - längst auf beide Partner umgelegt und als wertvolle Investition in die berufliche Zukunft derselben begriffen?
Frauen können nicht rechnen, hat Harvard-Präsident Larry Summers vor einigen Jahren einmal behauptet (und damit international einen Sturm der Entrüstung ausgelöst). Das ist unwahr: Erstaunlich viele Frauen rechnen (immer noch) damit, dass andere schon für sie sorgen werden. Wie sonst lässt sich das desaströse Vorsorgeverhalten auch von jungen Frauen fürs Alter begründen, das Studien immer wieder belegen? Wie sonst ließe sich begründen, dass so viele ach so selbstbewusste junge Frauen zwar in Rage gerieten, würde man von ihnen "typisch weibliche" Dinge verlangen, beispielsweise "einem Mann den Haushalt zu führen" - dass man die gleichen Frauen aber dabei ertappt, wie sie unter vier Augen zugeben, auf einen "reichen Mann" zu warten?
Nicht alle, aber doch erstaunlich viele jüngere Frauen haben es sich im Windschatten der Emanzipation heute bequem eingerichtet: Für ihre Rechte haben Frauen vor ihnen gekämpft, und weil die Empirie träger ist als die Theorie, kann frau auch heute noch über die Gehaltsdiskriminierung von Arbeitnehmerinnen und die mangelhafte Repräsentation von Frauen in den Chefetagen der Wirtschaft lamentieren. Aber sind wirklich nur finstere Männerbünde daran schuld - oder auch die neue Weiberwirtschaft? Gerade akademisch gebildete junge Frauen zieht es heute mehr und mehr in die Reservate der Bürokratie: Nach dem Lehrer- ist nun auch der Richterberuf auf dem Weg der Feminisierung, und immer mehr Frauen strömen in Behörden und Ministerien.
Theoretisch stehen den Frauen ja alle Bereiche der Gesellschaft, bis hin zum Bundeskanzleramt, offen - sie nehmen ihre Chancen nur zu selten mit Nachdruck wahr.
Brauchen wir also einen anreizbasierten, also ökonomisch motivierten Feminismus: In vielen gesellschaftlichen Bereichen - vorneweg bei der Reform der Sozialsysteme - versucht man heute zunehmend, das Verhalten von Menschen über Anreize zu steuern. Wenn nicht (mehr) erwartet werden darf, dass jemand freiwillig auf Transferleistungen verzichtet, muss die Politik die Rahmenbedingungen so verändern, dass die gleiche Person sich besser steht, wenn sie mehr Eigenverantwortung übernimmt.
Bildung ist das beste Beispiel für eine "Ökonomik der Emanzipation": Selbst wenn ein Studium aufgrund von Gebühren künftig "nur" 5.000 Euro kostet, werden mutmaßlich mehr Frauen, auch diejenigen mit Kindern, nach Abschluss des Studiums bemüht sein (müssen), die teuer erworbene graue Theorie zu versilbern und beruflich zu reüssieren. Und auch der geplante Lohnersatz statt Elterngeld wird Folgen haben. Muss es sich einfach nur rechnen, emanzipiert zu sein?

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