Die neue Kandidatin

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Trommelrhythmen einer Musikcombo aus dem Senegal lassen das Parkett vibrieren. Die Hessen-SPD feiert Geburtstag im prachtvollen Wiesbadener Stadtschloss, heute Hessischer Landtag. Die "Rote Heidi" ist 65 geworden, am schwarzen Blazer trägt Heidemarie Wieczorek-Zeul einen Sticker mit rotem Ypsilon. Die Entwicklungsministerin gilt als Leitfigur des linken Flügels. Dem wird auch ihre 15 Jahre jüngere Laudatorin zugerechnet: Andrea Ypsilanti, deren Initiale die Ministerin am Revers trägt, ist die Kampfansage an Hessens Ministerpräsidenten Roland Koch, CDU, den Ypsilanti bei der Landtagswahl am 27. Januar 2008 herausfordert.

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Im März 2003 war die gebürtige Rüsselsheimerin und Wahl-Frankfurterin zur SPD-Landesvorsitzenden gekürt worden. Nach dem schlechtesten Landtagswahlergebnis der GenossInnen in der Nachkriegsgeschichte sollte die Diplom-Soziologin den Karren aus dem Dreck, sprich die Hessen-SPD aus dem Stimmungstief ziehen. Die Unterbezirke votierten mehrheitlich für Ypsilantis innerparteilichen Herausforderer Jürgen Walter, Pragmatiker und Mann der Mitte. Doch der Landesparteitag entschied Ende vergangenen Jahres mit knapper Mehrheit anders. Ypsilanti hatte die Delegierten mit einer persönlich gehaltenen Vorstellung als Arbeitertochter und kämpferische Frau beeindruckt - als perfektes Gegenprogramm zum konservativen Ministerpräsidenten Koch. Bevor sie Soziologie studierte, arbeitete Ypsilanti als Sekretärin und Stewardess, sie ist Mutter eines Sohnes – den griechischen Namen hat sie von ihrem geschiedenen Ehemann. Als "Politikerin mit Bodenhaftung" empfiehlt sie sich dem Partei- und Wahlvolk.

Zahllose männliche Ministerpräsidenten in den vergangenen sechzig Jahren und nur eine Frau, nämlich Heide Simonis in Schleswig-Holstein. "Die Zeit ist reif, Andrea", ruft Bundesministerin Wieczorek-Zeul ihrer Laudatorin zu - Applaus brandet durch den Rokokosaal.

Die absolute Mehrheit der CDU scheint dahin zu sein – das signalisieren jedenfalls die Umfragen. Die Werte für die SPD bewegen sich heute in Hessen über denen im Bund, was jedoch auch nur bedeutet: um die 30 Prozent. Doch die Sozis wittern Morgenluft, das hilft ihnen, sich nach den Machtkämpfen des vergangenen Jahres zusammen zu raufen. Ihren ehemaligen Widersacher Jürgen Walter hat Andrea Ypsilanti in ihr "Zukunftsteam" eingebunden, er soll nach dem erhofften Wahlsieg Innenminister werden und innerparteilich den enttäuschten rechten Flügel befrieden.

Ihr Schattenminister für Wirtschaft und Umwelt ist Hermann Scheer, Präsident der europäischen Vereinigung Eurosolar und gilt als der deutsche Solarenergie-Papst. Die Frau mit der erneuerbaren Energie, das scheint auch auf die Art und Weise zuzutreffen, wie Andrea Ypsilanti ihr Arbeitspensum bewältigt. Während Wieczorek-Zeuls Geburtstagsgäste bei Sekt und Häppchen parlieren, sitzt die hessische SPD-Spitzendkandidatin längst wieder in ihrem Landtagsbüro und arbeitet Aktenberge ab, danach: weitere Wahlkampftermine.

Einsilbig reagiert sie auf die Frage, ob ihre prophylaktische Absage an jegliche Gespräche mit der Linken glaubwürdig sei. Koalition oder zumindest Tolerierung, die einzige Machtoption für Rot-Grün, skandieren die WahlkampfstrategInnen der Hessen-CDU unablässig. "Das nervt, ich habe alles dazu gesagt", erklärt Andrea Ypsilanti. "Frauenpolitisch ist die Linke übrigens Brachland", schiebt sie nach.

In Ypsilantis Schattenkabinett sind die Bereiche Justiz, Europa und Soziales weiblich besetzt. Als Frauen- und Gleichstellungs-Beauftragte soll die promovierte Politikwissenschaftlerin Judith Pauly-Bender (50) in die Staatskanzlei einziehen. Die Mitbegründerin des Frauenhauses in Offenbach hat mit Blick auf die Regierungszeit von Roland Koch und dessen auch finanziell "minimalistische Frauenpolitik" die Parole ausgegeben: "Neun Jahre Lila Pause sind genug."

Übrigens, eine gutbürgerliche Homestory, wie sie die Bunte über Roland Koch und seiner Frau Anke brachte, werden die Medien Andrea Ypsilanti nicht bekommen. "Ich stehe zu meiner Zwei-Familien-Wohngemeinschaft, in der vier Berufstätige drei Kinder erziehen. Auch, weil es so einfacher ist, Familie und Beruf zu vereinbaren", sagt Hessens SPD-Spitzenkandidatin. Aber: "Privates muss privat bleiben."

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