Isabel Schnabel: Abenteuerlustig

Foto: Sachverständigenrat
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Unbedacht ist sie nicht. Weder, wenn sie im Interview sagt, dass es schon so viele unfähige Männer in Führungspositionen gäbe, dass ein paar Frauen in Top-Positionen auch nicht so schlimm sein könnten. Noch, wenn sie twittert, dass eine Fusion zwischen Commerzbank und Deutscher Bank „ein Alptraum“ wäre. So was rutscht Isabel Schnabel nicht einfach raus. Ihr ist völlig bewusst, dass sie damit provoziert. Ausgewogene Schachtelsätze sind nicht ihr Ding. „Ich will ja gehört und verstanden werden“, sagt sie mit ihrer warmen, tiefen Stimme.

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Das wird sie. Schließlich ist Schnabel Deutschlands einflussreichste Ökonomin. Als einzige Frau gehört sie dem „Rat der Wirtschaftsweisen“ an, der die Bundesregierung in wirtschaftspolitischen Fragen berät. An der Universität Bonn hat sie einen Lehrstuhl für Finanzmarktökonomie, hinzu kommen eine ganze Reihe von weiteren Mandaten und Posten und zahlreiche öffentliche Auftritte.

Klar haben die jungen, begabten Männer Angst

Wenn Schnabel auf einem Panel Platz nimmt, hat sie ihre Lockenmähne in einem Pferdeschwanz gebändigt, sitzt aufrecht und ist nie um eine klare Meinung verlegen. Sie lässt sich nicht davon beirren, dass sie schon für manche ihrer Aussagen heftige Kritik einstecken musste. Ein wenig hat man gar den Eindruck, dass sie es erwartet. Vielleicht, weil ihre Karriere durch eine heftige Kritik erst so richtig ins Laufen kam.

Als junge Wissenschaftlerin hatte die Ökonomin einen Text bei einer renommierten Fachzeitschrift zur Begutachtung eingereicht und einer der drei Professoren, die begutachten sollten, zerriss das Stück in der Luft. Öffentlich. „Dadurch bekam ich plötzlich viel Aufmerksamkeit, weil ich in der Zeitschrift auf die Kritik antworten durfte“, erinnert sich Schnabel feixend.

Wenn diese Frau von etwas überzeugt ist, dann rudert sie also nicht zurück, sondern setzt lieber noch einen oben drauf. Es sei ok, Männer auch mal zu diskriminieren, sagte sie jüngst und löste damit eine Welle der Empörung aus. „Darüber habe ich schon häufig mit jungen Wissenschaftlern kontrovers diskutiert“, gibt sie offen zu. „Klar haben die jungen, begabten Männer Angst, dass sie benachteiligt werden. Meine These ist aber, dass es nicht ausreicht, beide Geschlechter gleich zu behandeln, solange Frauen unterbewusst so sehr benachteiligt werden.“

Mehr Frauen machen das Leben leichter

In der Wissenschaft etwa, würden Frauen auch bei gleich hoher Publikationszahl seltener als Männer von anderen Wissenschaftlern zitiert – die Zitationen aber sind die Währung von wissenschaftlichen Laufbahnen. Mehr Frauen in der Wissenschaft würden auch ihr das Leben leichter machen, glaubt Schnabel. „Da ändert sich die Gesprächskultur. Ich empfinde die Debatten als ziemlich aggressiv. Ich kann damit umgehen, aber es stört mich trotzdem“, sagt sie. Auch im „Rat der Wirtschaftsweisen“ gehe es häufig richtig zur Sache. „Da sitzen meinungsstarke Persönlichkeiten, ich eingeschlossen“, sagt sie. „Das sind schon manchmal kraftraubende Diskussionen.“

Die Erwartung, dass die Politik die Ratschläge des Gremiums umsetzt, hat Expertin Schnabel gar nicht. Aber immerhin würde die Expertise gehört und bei Entscheidungen mit einbezogen, meint sie.

Diesen Pragmatismus dürfte sie sich bei Martin Hellwig abgeschaut haben. Der international angesehene Ökonom war schon in Studienzeiten ihr Mentor, sie promovierte bei ihm. „Er gab mir die Einladungen zu Kongressen weiter, daher konnte ich schon sehr früh ein Netzwerk aufbauen“, erinnert sie sich. „Als junge Wissenschaftlerin war mir gar nicht klar, wie wichtig diese Kontakte sind. Denn nur weil man kluge Sachen schreibt, hat man noch lang keinen Erfolg. Das habe ich erst viel später verstanden.“

Nur einmal ist sie auf die Nase gefallen

Später, als Schnabel drei kleine Töchter zuhause hatte, konnte sie auf diese frühen Kontakte setzen. „Aber die Zeit war trotzdem nicht einfach. Wenn meine männlichen Kollegen ausgeruht ins Büro kamen, war ich schon geschafft vom Morgen“, erinnert sie sich und lacht ihr herzhaftes Lachen. Mit kleinen Tricks hat sie sich einen Zeitvorteil geschaffen. So schliefen ihre Töchter manchmal mit Strumpfhosen, damit sie in der Früh schneller angezogen waren. Die Großmutter war entsetzt: „Kinderfüße müssen doch atmen!“

Probleme mit der Doppelbelastung? Wenig. Für Isabel Schnabels Mann Reinhold, ebenfalls Ökonom, war es völlig selbstverständlich, dass sie sich die Familienarbeit gerecht aufteilten – und dass er, spätestens seit sie Wirtschaftsweise ist, sogar mehr zuhause macht als sie.

Erst als Isabel in der Berufsschule das Fach Volkswirtschaft entdeckte, wusste sie, wo sie hinwill. Und das war ziemlich schnell nicht nur das Studierzimmer, sondern die große, weite Welt. Und weil sie Hürden nicht als solche betrachtet, ging sie für ein Praktikum nach Sankt Petersburg. Zu Zeiten kurz nach Ende des Eisernen Vorhangs nicht unbedingt eine übliche Wahl für Studentinnen.

„Abenteuerlustig war ich schon immer“, sagt sie vergnügt und berichtet, wie sie mit dürren Russischkenntnissen Umfragen bei diversen Banken am Telefon durchführen sollte. Es hat irgendwie geklappt. Ihre anderen Auslandsaufenthalte in den USA, Frankreich und Großbritannien nehmen sich dagegen fast schon langweilig aus.

Nur einmal ist sie mit ihrer Abenteuerlust kräftig auf die Nase gefallen. In ihrer Schulzeit hat sie an einem Pyramidenspiel teilgenommen. „Ich habe da richtig viel Geld reingesteckt, 500 D-Mark, und hinterher war alles weg“, erinnert sie sich. Das war ihr eine Lehre: „Man sollte nichts tun, was man nicht versteht.“

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