Kerstin Ott: Dancing Queen

Kerstin Ott und Helene Fischer gemeinsam auf der Bühne.
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Da wird der Herr Llambi am Freitagabend ganz schön schlucken müssen. Der strenge Juror der RTL-Show "Let's Dance" ist bekannt für sein recht traditionelles Verständnis der Geschlechterrollen. Zumindest auf dem Parkett. Kerstin Ott aber wird er nicht verbiegen können. Zumal die Schlagerqueen erstmalig in der Showgeschichte mit einer Frau tanzt. "Ich fände es seltsam, mit einem Mann zu tanzen", sagt sie. Und wenn Kerstin sich nicht ändert, dann muss sich eben das Regelwerk der Show ändern.

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Dass sie ordentlich Chuzpe hat, hat Kerstin Ott schon oft unter Beweis gestellt. Denn es gehört noch immer Mut dazu, Flagge zu zeigen. Besonders, wenn es die in den Regenbogenfarben ist. Als gelernte Lackiererin kennt sich Schlager-Queen Kerstin Ott zwar mit Farbe aus, hätte wohl aber nie gedacht, dass gerade sie es ist, die die Helene-Fischer-Show in den Regenbogenfarben leuchten ließ. Sechs Millionen sahen zu, eine weitere Million klickte noch einmal bei YouTube in ihr „Regenbogenfarben-Lied“ hinein, das musikalische Statement für gleichgeschlechtliche Liebe.

Kerlige Kerstin, sexy Helene – als Duo in einem seltenen Moment von Aufrichtigkeit in der sonst so künstlichen Schlager-Welt. Kerstin resümiert: „Helene hat meine Botschaft mitgetragen, das hat eine tiefe Bedeutung. An ihr kommen nun mal auch die konservativen Medien nicht vorbei.“ Und Spaß gemacht habe es sowieso.

Dabei verlief Otts Leben bis zu ihrem YouTube-Hit „Die immer lacht“ 2016 alles andere als lustig. 1982 in Berlin geboren wird sie mit drei Jahren in ein Kinderheim gegeben, da ihre Mutter große Probleme mit sich selbst hat, der Vater lebt in einer anderen Beziehung. Mit sechs Jahren kommt sie zu einer Pflegefamilie nach Norddeutschland, in der sie mit fünf anderen Pflegekindern recht lieblos aufwächst: Die Kleidung muss im DIN-A4-Format gefaltet werden, vor dem Essen werden die ­Fingernägel kontrolliert, die Haare gescheitelt. Bei Regelverstößen gibt es zur Strafe wochenlang ­Stubenarrest und Arbeiten in Haus und Garten.

https://www.youtube.com/watch?v=_m6vy1Q-jrQ

Kerstin rutscht in der Schule ab, fängt mit elf Jahren an zu rauchen. Manchmal klaut sie Spielzeug, am liebsten Lego und Playmobil. Zu allem Überfluss stirbt auch noch ihr geliebtes Pony bei einem Brand auf dem Reiterhof.
Doch Kerstin bewahrt sich ein heiteres Gemüt, arrangiert sich mit ihrer Umwelt. Als sie zwölf Jahre alt ist, wechseln die Pflegeeltern und Kerstin erfährt zum ersten Mal so etwas wie Nestwärme.

Als Teenager verschmäht sie Mädchenklamotten, will wohl lieber ein Junge sein. Ihr ist schon früh klar, dass sie sich eher zu Frauen hingezogen fühlt. Allerdings beginnt damit ein Leben in Tarnung. Lesbisch zu sein ist auf dem Land in den 90er-Jahren nicht gerade leicht. Erst mit 17 Jahren während ihrer Malerlehre wird sie selbstbewusst genug, um zu sich zu stehen.

Mit 18 geht Kerstin zum ersten Mal in eine Spielhalle, von nun an verzockt sie um die 1.000 Euro im Monat am Spielautomaten, rutscht in Depressionen ab. Eine Zeit lang ist sie sogar obdachlos. „Es war eine düstere Zeit“, erzählt Ott heute.

Das einzige, was Kerstin immer wieder Auftrieb gibt, ist die Musik. Musik hören, Lieder schreiben, singen. Sie legt auf als DJ, macht bei Talentwettbewerben mit, greift in Gaststätten spontan zur Gitarre, auch wenn es ihr lange schwerfällt, öffentlich aufzutreten. Für eine Freundin schreibt sie 2005 „Die immer lacht“. Jahre später entdecken zwei DJs das Lied im Internet, remixen es. 2016 wird es das erfolgreichste Lied des Jahres – und Kerstin wird berühmt.

Zu Beginn ihrer Karriere habe es Versuche gegeben, ihren Stil zu verändern. Darauf hat Kerstin nur gesagt: „Das könnt ihr vergessen, ich bleibe ich.“ Ihre Fans lieben sie für ihre Bodenständigkeit, und Helene hat das so gefallen, dass der Star mit der Newcomerin in der großen Weihnachtsshow im Duo aufgetreten ist. Auch bei der RTL-Show „Let’s Dance“ wird Kerstin Ott neue Maßstäbe setzen.

Kerstins große Liebe heißt Karolina. Die beiden sind seit 2017 verheiratet. In Norddeutschland haben sie sich eine kleine Wohlfühl-Oase geschaffen, haben zwei Kinder, drei Hunde – und endlich viel zu lachen. 

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