Die sauerländische Kabarettistin

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Lioba Albus schreckt vor nichts zurück: weder vor blutenden Tampons auf der Bühne, noch vorm Lästern übers Stillen, weder vor Männern noch vor Frauen, weder vor Karriere noch vor drei Töchtern.

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An dem Garderobenständer auf der Bühne hängen: ein Kittel, eine Jacke und Perücken. Mehr braucht sie nicht, um sich zu verwandeln bzw. ihr Alter Ego Mia Mittelkötter oder die Roswitta vom Grillstudio zu sein. Richtig spannend aber ist die Demaskierung. Wenn unter der dauergewellten Perücke der blonde Kurzhaarschnitt hervor lugt und die Kabarettistin über Männer, Mütter und Macht philosophiert. Kurzum: wenn Lioba Albus auf der Bühne steht.
Humor war schon immer die Sache der gebürtigen Sauerländerin. Als jüngstes von sieben Kindern (zwei Brüder, vier Schwestern) musste Klein-Lioba, benannt nach der katholischen Heiligen, sich das Wahrgenommenwerden erarbeiten. Und fand ihre Marktlücke: Schlagfertigkeit. Die hat sie von der Mutter: "Noch heute mit 85 hat sie einen wahrhaft anarchischen Witz."
Auf der Nonnenschule lernte Lioba gegen Regeln zu verstoßen. Der rigide, prüde Unterricht schrie geradezu nach Gesetzesbruch und setzte "anarchische Kreativität" frei. Heute lebt die Frau davon: "Es ist meine Leidenschaft, Tabus zu brechen." Vor 13 Jahren blutete Albus in ihrem ersten Programm, dem "Zähfließenden Verkehr in beiden Richtungen" auf der Bühne in die weiße Strumpfhose, für Tampons mit eingebautem Warnsignal werbend, damit es "beim nächsten Date keine böse Überraschung" gäbe. In ihrem neunten Solo-Programm "Hammelsprung" hält ihr kabarettistisches Alter Ego Mia Mittelkötter mit spitzen Fingern ein Sexheftchen hoch, aus dem sie mit verheißungsvollem Timbre "klätschnasse Geschichten" vorliest. Um dann mit angeekeltem Gesicht dem (männlichen) Publikum zuzuraunen: "Wenn sie jetzt entgegen ihrer Selbstachtung doch Erregung spüren..." Es folgt das Thema Stillen: Wer behaupte, das sei etwas Erotisches, der "hatte nie ein frisch geborenes Piranha an der Brust". Die Frauen im Publikum feiern, die Herren lächeln angestrengt.
Lioba Albus ist Mutter von drei Töchtern zwischen zehn und 18 Jahren. Zwei Väter gehören zur Familie, die kümmern sich gemeinsam mit der Mutter um die Kinder, getrennt von dem Vier-Mädel-Haus. Das Konzept "Weiberhaushalt" (selbst Pferde, Hund und Goldhamster sind weiblich) scheint zu funktionieren. Aber leicht ist der Spagat zwischen "Frau, Mutter, Geliebte, Kabarettistin" nicht.
Die Sauerländerin in Albus plädierte für einen soliden Beruf – Lehrerin. Aber die Abenteurerin in ihr trieb sie nach dem Abitur an die Münchner Schauspielschule. "Eigentlich wollte ich immer die Tragödin sein, wenn das nicht klappte wenigstens die Schöne." Aber Albus merkte schnell, welche Rolle ihr wirklich auf den Leib geschneidert war: die komische.
Dennoch unterschrieb sie zunächst einen Vertrag am Dortmunder Kinder- und Jugendtheater. Es machte ihr nicht wirklich Spaß. Prompt wurde sie das erste Mal schwanger und konzentrierte sich nun ganz auf ihre neue Mutter-Rolle. "Als ich angefangen habe den Brotaufstrich biologisch-ökologisch selbst herzustellen, da habe ich gemerkt: Das geht so nicht weiter".
Lioba Albus machte sich selbstständig: Seminare planen, Schauspielunterricht geben. Und eines stand von Anfang an fest: "Ich wollte auf keinen Fall eine arme Frau mit Kindern sein". Als sie sich 1990 entschloss, die Kabarettwelt zu erobern, war sie von ihrem ersten Mann geschieden und die zweite Tochter war auf der Welt. Mit Vätern über Geld streiten, dass wollte sie auf keinen Fall – lieber ihr eigenes verdienen.
Früh begann die Unermüdliche sich ein Netzwerk aus Nachbarinnen und Müttern aufzubauen. Alles nach dem Geben-und-Nehmen-Prinzip. "Ich habe mir nie Angst machen lassen", sagt sie. Stattdessen kletterte sie auf die Kleinkunstbühnen, als hätte das Publikum da schon immer auf sie gewartet. Gewartet haben anfangs vor allem Frauen. "Sie sind als Kabarettpublikum neugieriger", ist Albus überzeugt. Erst als die Medien auf sie aufmerksam wurden, sie bei den "Mitternachtsspitzen" und Max Schautzers "Immer wieder Sonntags" auftrat, kamen auch die Männer.
Und als Kabarettistin muss frau halt besonders überzeugen – Branche wie Publikum. "Bei Produzentinnen hatte ich einen schweren Stand, weil sie Angst hatten, in Verruf zu geraten, nur Frauen zu protegieren". Die Produzenten hingegen verstanden anfangs oft ihren Humor nicht.
Aber so geht es nicht allein Albus. 1993 traf sie beim Symposium "Frauen und Kabarett" auf Weg- und Leidensgefährtinnen. Ergebnis: Deutsche Kabarettistinnen gründeten das Netzwerk "Front-Frauen". Motto: Gemeinsam sind wir stark. Und gemeinsam stellten sie mehrere Revuen auf die Beine, veröffentlichten das Buch "Front-Frauen – 28 Kabarettistinnen legen los" (EMMA 1/1995).
Oft tritt Lioba Albus im Duo auf – mit Andrea Badey als "Pottsau" oder mit "Frauenflüsterer" Martin Herrmann. Ihre Wandlungsfähigkeit beweist sie jedoch gerade als Solistin. Nur Lioba, eine Perücke und ein Garderobenständer.

www.lioba-albus.de

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