Der 11. JournalistInnenpreis

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Am Vormittag der Preisverleihung erlaubte die EMMA-Redaktion sich einen kleinen Test: Wir gaben bei Google das Suchwort „Journalistinnen“ ein. Reaktion: „Meinen Sie Journalisten?“ Wir sehen, es gibt auch im Jahr 2010 noch genug Grund, für einen Journalistinnen-Preis!

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Doch 20 Jahre nach Initiierung des „Journalistinnenpreises“ durch EMMA nahmen neben vier Journalistinnen tatsächlich auch drei Journalisten den Preis in Empfang. Denn seit acht Jahren gibt es – im Rahmen dieses wg. „struktureller Benachteiligung“ speziell für weibliche Journalisten geschaffenen Preises – auch einen „Männerpreis“.

Es blieb Andreas Rossmann von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vorbehalten, die sanfte Ironie der Formulierung zu bemerken. In der Tat ist der „Männerpreis“ eine Umkehrung der „Frauenpreise“, die, nicht immer bewusst aber dennoch, eine Abwertung sind: eben nicht das Allgemeine, sondern das Spezielle, das Abweichende, das Damenfach. Auch bei diesem 11. JournalistInnenpreis standen jedoch darum die Frauen im Mittelpunkt – und waren hier die Männer die Abweichung.

Der Preis hat eine inzwischen lange Tradition hochkarätiger Jurys und ebensolcher PreisträgerInnen. Doch war diese Preisvergabe 2010 im Bayenturm zu Köln, dem Sitz der EMMA-Redaktion und des FrauenMediaTurms, eine der hochkarätigsten. Es ist der fünfköpfigen unabhängigen Jury (bei der nur Alice Schwarzer als Initiatorin kontinuierlich dabei ist) diesmal besonders schwer gefallen, die besten unter den 137 Einreichungen auszuwählen; Einreichungen von Redaktionen, von den AutorInnen selbst und, in einigen wenigen Fällen, auch von LeserInnen.

Bei den meisten Texten ging es, wie an den prämierten Texten zu sehen, um brennend aktuelle, gesellschaftliche Probleme. Das Thema „Mütter“ und „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“, das noch immer so viele Frauen bewegt, scheint für die JournalistInnen „durch“ zu sein, das heißt: Es ist alles gesagt worden. Auffallend ist: Viele Frauen wenden sich jetzt der Welt zu (Mafia, Kanzlerin, Liberia) – viele Männer beschäftigen sich mit Themen, die lange Zeit als „Frauenthemen“ galten (Missbrauch, Sextourismus, Frauen an der Macht).

Und wie steht es um die „strukturelle Benachteiligung“ von Frauen in dem einstigen Männerberuf Journalismus? Da sind die Frauen so im Vormarsch, dass vielleicht bald von einer „Verweiblichung“ des Berufsstandes gesprochen werden muss: So sind 60 Prozent aller Volontäre weiblich, 50 Prozent aller Redakteure – und inzwischen immerhin sogar 25 Prozent aller Chefredakteure. Sollte der Trend anhalten, wäre fast mit einer Imageschädigung für den Journalismus zu rechnen. Denn das ist ja bekannt, wie es Berufsständen geht, in denen mehr Frauen als Männer tätig sind: Gehälter wie Renommee sinken.

Dabei ist die Frage der journalistischen Qualität selbstverständlich geschlechtsneutral, wie es auch den Beiträgen - alle Texte sind in der EMMA-Ausgabe Sommer 2010 veröffentlicht - zu entnehmen ist: Offenheit, Neugierde, Ambivalenzfähigkeit, Mut und Haltung, sowie Kreativität bei Sprache wie Recherche zeichnen einen guten Text aus. Und das trifft auf die prämierten Frauen wie Männer zu.

Seit 1992 sponsert das NRW-Frauenministerium den JournalistInnenpreis mit den Preisgeldern, unabhängig von der jeweiligen Parteienzugehörigkeit des Ministeriums. Dieses Mal vertrat Abteilungsleiterin Claudia Zimmermann-Schwartz Frauenminister Laschet. Sie erinnerte an eine Erkenntnis der Medienwissenschaftlerin Margret Lünenborg: „Was nicht medial wahrgenommen wird, ist im Prozess gesellschaftlicher Verständigung nicht oder nur begrenzt wesentlich.“ So ist es. Und auch darum dieser Preis: Um die Aufmerksamkeit auf geschlechterbewusste, qualitätsvolle Texte von Journalistinnen und Journalisten zu richten.

Die Preisverleihung am Nachmittag des 17. Mai im historischen Bayenturm war, so empfanden das alle Beteiligten – eine runde, ermutigende und heitere Sache. Dazu trugen nicht zuletzt die beiden Schauspielerinnen vom Schauspielhaus Köln bei, Anja Lais und Laura Sundermann, die die Texte der Journalistinnen lebendig machten – sowie Gerd Buurmann vom Severins-Burg-Theater, der sich temperamentvoll den „Männertexten“ widmete.

In seiner Dankesrede gestand Tanjev Schultz von der Süddeutschen Zeitung, dass er früher EMMA-Leser und selbst das große I – wie bei JournalistInnen – seine Sache war. Doch das sei nun, bei der SZ, Vergangenheit. Vielleicht sollte der prämierte Kollege die Old Boys seiner Zeitung ja mal darauf aufmerksam machen, dass das große I keine Erfindung von Feministinnen ist – sondern eine Erfindung von Arno Schmidt. Dafür hätte der (verstorbene) Schriftsteller glatt einen JournalistInnenpreis verdient!

 

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