Tania Kambouri: Die Polizistin

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Tania Kambouri hat nicht viel geschlafen. Um sieben Uhr morgens ist sie von der Nachtschicht gekommen, um elf hat der Paketbote sie rausgeklingelt. Jetzt ist es zwei Uhr nachmittags und sie hätte sich eigentlich nochmal aufs Ohr hauen müssen, bevor sie wieder zum Dienst muss. Stattdessen sitzt sie mit mir in einem Café am Bochumer Hauptbahnhof, quasi mitten in ihrem Revier. „Macht nichts“, sagt sie und lacht. „Ich bin hart im Nehmen.“

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Das muss sie auch sein. Sonst könnte sie diesen Job nicht machen, der, seit sie ihn vor zwölf Jahren angetreten hat, immer härter wurde. So hart, dass sie im November 2013 einen wütenden Brief an ihre Gewerkschaftszeitung schrieb. Darin packte die Tochter griechischer Ein wanderer ein Thema an, über das normalerweise der Mantel des politisch korrekten Schweigens gebreitet ist.

„Meine Kollegen und ich werden täglich mit straffälligen Migranten konfrontiert, welche nicht den geringsten Respekt vor der Polizei haben“, schrieb Kambouri. Sie schilderte einen Alltag voller Beleidigungen und körperlicher Übergriffe durch Männer, die Frauen ebenso verachten wie das deutsche Rechtssystem. Streifenpolizisten, die von Migranten verprügelt wurden. Fehlender Rückhalt durch die Politik, die statt Kuschelkurs härtere Sanktionen einführen müsste. Das Fazit der Polizistin: „Es kann nicht sein, dass solche Menschen, die das Grundgesetz nicht achten und eine (illegale) Parallelgesellschaft geschaffen haben, hier tun und lassen können, was sie wollen.“

Mit diesem Brief hatte Tania Kambouri in ein Wespennest gestochen. Hunderte von zustimmenden Mails fluteten die Redaktion. Endlich hatte mal eine gewagt auszusprechen, was alle wissen, aber nicht laut zu sagen wagen, weil über solchen Sätzen ein Vorwurf als Damoklesschwert an ganz dünnem Faden hängt: Rassismus!

Tania Kambouri weiß, dass sie als Migrantentochter in dieser Hinsicht bessere Karten hat als ihre deutschen KollegInnen. Die Großeltern der 32-Jährigen kamen in den 1960ern nach Deutschland, als Gastarbeiter, wie man damals noch sagte. Die Großmutter ging nach Bayern in die Fabrik, der Großvater zum Wursthersteller Herta ins Ruhrgebiet. Tanias Eltern lernten sich in Herten kennen und machten ein kleines Restaurant auf. „Meine Familie hat hier hart gearbeitet, um sich was aufzubauen“, sagt sie. „Und jetzt ziehen die uns mit in den Dreck und das gefällt mir nicht.“

„Die“, das sind die türkischen, libanesischen oder auch russischen Straftäter – eine kleine Minderheit auch unter Migranten – die ihr und ihren KollegInnen das Leben extrem schwer machen. Besonders den Frauen. Der Türke, der die Polizei gerufen hatte, aber Tania und ihre Streifenkollegin anschreit, man möge ihm gefälligst Männer schicken, gehört da noch zur harmloseren Sorte.

Können wir das Revier mal angucken? Klar! Und los. Die Brüderstraße mit ihren Shisha-Bars, Piercingstudio und Dönerläden. „Hier hab ich aufgeräumt!“ sagt Oberkommissarin Kambouri nicht ohne Stolz. Ständig verstopften libanesische Jungmänner, die mit ihren dicken Autos posen wollten, die kleine Straße. Schickte die Polizei sie weg, waren sie drei Minuten später wieder da. Tania Kambouri hatte keine Lust, sich von den präpotenten Machos verarschen zu lassen. Sie legte los: Jeden Tag Kontrollen, jeden Tag Verwarngelder, jeden Tag Abschleppdienst. Das half.

Weiter geht’s. Die Gussstahlstraße. Zwischen zwei alten Fabrikgebäuden führt eine schmale Straße ins Rotlichtviertel. Frauen in Strapsen sitzen in Schaufenstern wie in Amsterdam. „Nachts ist es lebensgefährlich, hier reinzugehen“, erklärt Kambouri. „Das ist Kriminalität pur. Und das ganze Geschäft ist in Ausländerhand.“ Machen können sie wenig, bedauert die Polizistin. „Die Frauen vertrauen sich uns nicht an.“

Die Baarestraße, die mit ihren betagten Bergmannshäuschen eigentlich ganz gemütlich aussieht. „Eine Salafistenhochburg“, sagt Kambouri. „Die rekrutieren hier ganz offen Kinder und Jugendliche, aber das fällt ja unter Religionsfreiheit.“ Ein paar Straßen weiter eine graue, abgerockte Fassade: eine Flüchtlingsunterkunft. „Wenn wir mit den Flüchtlingen bei der Integration die gleichen Fehler machen wie bisher, dann kriegen wir ein Riesenproblem“, fürchtet die Migrantentochter. Auch da staut sich wieder viel Frust auf. Natürlich begehe nur ein winziger Bruchteil der Flüchtlinge Straftaten. Aber die hätten für die Täter keinerlei Konsequenzen.

Dabei ist Tania Kambouri von ganzem Herzen Polizistin. „Ich hatte schon früh einen tiefen Gerechtigkeitssinn“, erzählt die Oberkommissarin. „Wenn die Jungs den Mädchen den Ball weggenommen hatten, kamen die Mädchen zu mir“, erzählt Tania. Die Sache war dann schnell geklärt. Ins Abi-Buch schrieben ihre MitschülerInnen: „Alle haben in zehn Jahren Angst vor Bulle Tania.“ Ganz falsch lagen sie damit nicht.

Seit Kambouris Buch „Deutschland im Blaulicht“ Platz 1 der Beststellerliste stürmte, wird sie noch ernster genommen. Nur „Die Linke“ in Bochum protestierte gegen die „rassistische Polizistin“. Die entgegnet: „Wenn wir das Problem nicht ansprechen, sondern totschweigen, müssen wir uns nicht wundern, wenn wir immer mehr Rechte haben.“ Die Einladungen der AfD, die sie neuerdings bekommt, hat sie „natürlich alle abgelehnt“.

Unsere Rundfahrt ist zu Ende. Auf eine Hauswand ist ein Graffito gesprüht: ACAB. „Wissen Sie, was das heißt?“ fragt die Polizistin. Nein. „All Cops are Bastards“. Glücklicherweise ist Tania Kambouri hart im Nehmen.

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Tania Kambouri: Deutschland im Blaulicht (Piper, 14.99 €)

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