"Ich wurde vor manchen Abgeordneten gewarnt."

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Sie ist einen kluge junge Frau. Und mutig dazu. Und es sieht ganz so aus, als ließe sich die Debatte, die sie angestoßen hat, nicht mehr unter den Tisch kehren: die Debatte über Sexismus in der CDU. Genauer gesagt: über den Sexismus in allen Parteien hierzulande.

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Denn, so erzählte Jenna Behrends jetzt im Stern: Nach Veröffentlichung ihres Offenen Briefes an ihre „liebe Partei“ habe sie hunderte von Mails erhalten: „Aus allen Parteien, egal ob CDU, SPD, FDP, Grüne oder Linke, hörte ich: Bei uns ist es genauso. Aber wir haben das hingenommen.“

Es wurde hinter ihrem Rücken getuschelt, sie habe "sich hochgeschlafen"

Die 26-jährige Jura-Studentin und alleinerziehende Mutter einer dreijährigen Tochter war vor anderthalb Jahren zur CDU gestoßen. Und dann sehr rasch auf einen sicheren Listenplatz für die „Bezirksverordnetenversammlung Berlin-Mitte“ gewählt worden. „Ein großer Vertrauensvorschuss“, schreibt sie an ihre CDU. „Aber ihr werdet euch etwas dabei gedacht haben.“

Klar hat die Berliner Altherrenpartei sich etwas dabei gedacht: jung, hübsch, weiblich. Quote! Das zieht, vor allem bei den Wählerinnen. Inzwischen ist Behrends Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung, ehrenamtlich (nicht zu verwechseln mit den BerufspolitikerInnen im Abgeordnetenhaus!). 

In ihrem Offenen Brief klagt die junge CDU-Politikerin darüber, man habe hinter ihrem Rücken getuschelt, sie hätte sich „hochgeschlafen“. Einer der Altherren-Politiker soll sie als „süße Maus“ tituliert und Parteikollegen gefragt haben: „Fickst du die?“ Der eine ist, wie man inzwischen weiß, der nach der CDU-Wahlschlappe zurückgetretene Innensenator Frank Henkel. Er hat Behrends Vorwürfe bis heute nicht dementiert. 

Warum sie darüber nicht mit ihrer Partei geredet habe, bevor sie an die Öffentlichkeit ging, fragt der Stern. Behrends: „Das habe ich doch! Ich habe mit dem Ortsverbandsvorsitzenden und vielen anderen geredet, konkrete Vorfälle und Namen genannt. Doch ständig hörte ich: Das musst du aushalten, sonst bist du nicht geeignet.“ 

Die 26-Jährige, der unter anderem von manchen in ihrer Partei vorgeworfen wurde, dass sie ihre Tochter „bereits mit zwei Jahren in die Kita schickt“, hat zeitweise auch als Angestellte im Bundestag gearbeitet. Und da machte sie eine Erfahrung, die hochalarmierend klingt: „Ich wurde vor bestimmten Abgeordneten regelrecht gewarnt. Da hieß es: Bewerben Sie sich nicht bei dem Mann, er stellt seinen Angestellten nach.“ 

"Das musst du aushalten, sonst bist du nicht geeignet..."

Das klingt ja regelrecht nach Dominique Strauss-Kahn! In Frankreich waren in Spätfolge des DSK-Skandals vor etlichen Monaten Journalistinnen und Politikerinnen an die Öffentlichkeit gegangen. Sie beklagten und belegten den chronischen Sexismus von Politikern ihren Kolleginnen und Journalistinnen gegenüber. Ist es jetzt auch in Deutschland soweit, dass die Opfer sich endlich wehren? 

Zum Schluss muss noch ein trauriges Kuriosum am Rande der Debatte erwähnt werden. Zwei Berliner CDU-Abgeordnete gingen nach dem Offenen Brief von Behrends an die Öffentlichkeit und beschuldigten die über den Sexismus in ihrer Partei klagende junge Politikerin, gerade Behrends dürfe sich nicht beschweren, denn sie gehe „sehr offensiv auf Männer zu“. Und sie habe außerdem ein Verhältnis mit CDU-Generalsekretär Tauber. 

Eine typische Männerreaktion? Oh nein, die Verdächtigungen gegen die konfliktbereite junge Frau kamen von Frauen! Und nicht von irgendwelchen Frauen, sondern auch ausgerechnet von der Vorsitzenden der Berliner Frauenunion sowie einer Ex-Femen-Aktivistin. 

Aber was wollten diese CDU-Frauen uns damit sagen? Dass Jenna Behrends eh eine Schlampe sei und außerdem ein Verhältnis habe? Also dass so eine gar nicht das Recht habe, sich über Sexismus zu beschweren, weil sie selber schuld sei? 

Einmal abgesehen davon, dass sowohl Behrends wie Tauber beteuern, kein Verhältnis zu haben, abgesehen davon wäre das sowieso nicht nur ihre Privatsache, sondern auch ganz und gar irrelevant für diese Debatte.

„Ich dachte, es gäbe eine Frauensolidarität, aber das stimmt nicht. Wer es als Frau nach oben geschafft hat, ist abgehärtet oder abgestumpft“, kommentiert Jenna diese Verhaltensweise ihrer Parteikolleginnen. „Frauen sind manchmal härter als die Männer.“ 

Auch mit dieser bitteren Erkenntnis hat die so kluge, mutige Jenna Behrends recht. Lest selber. Hier ihr Offener Brief:

 
Liebe Partei,

wir müssen reden. Nein, nicht über das Wahlergebnis, sondern über dich. Darüber, wie du mit Frauen umgehst und deine Zukunft verspielst. Du beklagst häufig, dass junge Menschen und insbesondere Frauen sich nicht für dich interessieren. Nach einem intensiven Jahr mit dir weiß ich, woran das liegen könnte: an dir.

Gerne erinnere ich mich an unser erstes Date in einer Bar in Berlin Mitte. Dienstagabend um 20.30 Uhr. Du warst sogar so aufmerksam unser Treffen nicht „Stammtisch“ zu nennen. Dann ging alles ganz schnell: Von der Spargelfahrt nach Brandenburg, über das Sommerfest in einem Biergarten bis zum Kreisparteitag. Dort hast du mich in geheimer Abstimmung auf einen als sicher geltenden Listenplatz für die Bezirksverordnetenversammlung Berlin Mitte gewählt. Ein großer Vertrauensvorschuss. Aber du und deine Delegierten, ihr werdet euch etwas dabei gedacht haben.

Was du aber, liebe Partei, nach meiner Nominierung begonnen hast, zerstört unsere Beziehung und zerstört über kurz oder lang auch dich. Auf den ersten Blick verstehe ich den Missmut, den du gegenüber politischen Quereinsteigern wie mir hegst. Es fühlt sich nicht fair an, wenn man die jahrelange Ochsentour auf sich nimmt, um dann auf einem hinteren Listenplatz zu landen und leer auszugehen. Wenn du dieses Thema offen auf dem Nominierungsparteitag ansprichst, während ich nach meiner Bewerbungsrede alleine auf dem Podium stehe (Wortlaut: „Wie viele Plakate haben Sie denn schon in Ihrem Leben geklebt, Frau Behrends?“), dann kann ich darauf immerhin reagieren. Dann kann ich dir erklären, dass mein Ortsverband mich vorgeschlagen hat, weil er daran glaubt, dass eine junge Frau gut für die Wahlliste und die spätere Fraktion ist und es eine Qualifikation gibt, die sich nicht in der Zahl aufgehängter Plakate bemisst. Der Rest ist dann Ortsverbandsarithmetik und ja: auch Frauenquote.

Liebe Partei, ich weiß, du lästerst gerne bei zu viel Bier. Aber die junge Frau, die bereit wäre, sich für ein kommunales Ehrenamt hochzuschlafen, gibt es nur in deiner schmutzigen Fantasie. Die junge Frau, die ständig mit den Gerüchten um ihre angeblichen Affären konfrontiert wird, die gibt es in echt. Kannst du dir in deiner kleinen Welt wirklich nicht vorstellen, dass ich als junge Mutter meine Freizeit lieber mit meiner Tochter und meinen Freunden verbringen würde, als in einer Männerrunde, die mir erklärt, sie seien im Gegensatz zu mir wahre Feministen, weil ich ein Komplettverbot der Burka für falsch halte?

Als eine Freundin mich vor kurzem fragte, wie sie sich in der Partei engagieren kann, hätte ich ihr beinahe gesagt: „Lauf weg, so schnell du kannst.“ Ich wollte ihr vom Abgeordneten erzählen, der besonders aktiv Gerüchte über meine angeblichen Affären verbreitetet , weil er mich offenbar als Konkurrenz sieht und Angst um seine erneute Kandidatur hat. Vom Senator, der auf einem Parteitag meine Tochter begrüßte: „Oh, eine kleine süße Maus.“ Der dann pausierte, mich ansah und fortfuhr: „Und eine große süße Maus.“ Derselbe Senator, der einen Kollegen aus dem Abgeordnetenhaus vor meiner Nominierung fragte: „Fickst du die?“.

Liebe Partei, ich will mit dir diskutieren, neu denken, Ideen entwickeln. Die Liste der Probleme, für die wir eine Lösung finden müssen, ist lang: Ich will eine bessere Familienpolitik, echte Chancengleichheit und eine funktionierende Verwaltung. Und wenn ich mir sicher war, dass ich eine Verbündete bei diesem Projekt habe, dann die Frauen Union. Hätte ich bloß an den Satz einer erfahrenen Kollegin gedacht: „Die größten Steine werden dir immer Frauen in den Weg legen.“

Statt „Sisters in Crime“ zu werden, schottete die Frauen Union sich ab und tagte plötzlich nur noch vorstandsintern. Offizielle Begründung: „Das macht man im Wahlkampf so“. Näher an der Wahrheit dürfte aber wohl die inoffizielle Begründung liegen, die ich später hörte: „Die ist so karrieregeil und will bei der nächsten Vorstandswahl auch noch hier Vorsitzende werden.“

Ja, ich gebe zu: Es gab einen Moment, in dem habe ich darüber nachgedacht habe, ob ich für den Kreisvorstand der Frauen Union kandidieren soll. Aber weißt Du auch warum, liebe Partei? Die derzeitige Vorsitzende hatte mich eindringlich gebeten, ihre Nachfolgerin zu werden. Davon war plötzlich keine Rede mehr. Dafür wird immer wieder an mich heran getragen, dass ich von Mitgliedern als nimmersatte Karrieristin bezeichnet werde. Wirklich wichtig ist der Vorstandsposten der Frauen Union zwar nicht – aber offenbar als Instrument zur innerparteilichen Selbstdarstellung wichtig genug, um jede Frau, die gefährlich werden könnte, mit Methoden, die jeder Fairness entbehren, wegzubeißen. Inzwischen übrigens auch die zweite Frau, der derselbe Vorstandsposten angeboten wurde.

Auch wenn ich mich anfangs mehr am angeblichen Hochschlafen gestört habe, bin ich mir unschlüssig, ob ich den „Die-hat-zu-große-Ambitionen“-Vorwurf von einer anderen Frau nicht noch vernichtender finde. In ihrer Wirkung bei deinen Mitgliedern, liebe Partei, unterscheiden sie sich kaum. In Kombination sind sie unerträglich. Ein Parteimitglied meinte mir deshalb einen guten Ratschlag geben zu wollen: „Sie Sind doch eine außerordentlich hübsche und kluge Frau. Jetzt mischen Sie doch nicht überall in der Partei mit, dann mögen die Sie auch lieber.“ Ich will nicht gemocht werden, ich will mich für mein Land engagieren.

Liebe Partei, ich habe versucht mit dir über Verleumdungen, Gerüchte, Sexismus gegenüber Frauen und teilweise auch durch Frauen zu reden. Aber nicht nur mein Ortsvorsitzender erklärte mir, das alles sei Teil des politischen Auswahlprozesses. Wenn ich damit nicht klarkäme, dann sei ich für kein Amt geeignet. Ich hingegen frage mich, was das für Politiker sein müssen, die so ein System produziert.

Es ist genau dieselbe Denke, mit der mich ein Parteifreund aus dem Bundesvorstand von diesem Brief abhalten wollte: „Jenna, wenn du das jetzt veröffentlichst, dann wirst du in der Partei nichts mehr. Das ist dir klar, oder?“ Was wäre aber die Alternative? Ein buntes Werbeblättchen mit netten Versprechungen, wie attraktiv Politik doch angeblich für junge Frauen sei?

Ehrlicher finde ich die Antwort, die ich meiner Freundin gegeben habe, von der ich dir oben erzählte, liebe Partei: Ich habe ihr nämlich nicht geraten wegzulaufen. Stattdessen habe ich sie ermuntert sich zu engagieren. Politik ist zu wichtig, um sie hauptsächlich alten Männern zu überlassen. Es gibt sie, die tollen, großartigen Frauen in der Union: Angela Merkel, Ursula von der Leyen, Elisabeth Winkelmeier-Becker, Nadine Schön und viele andere. Lassen wir sie nicht alleine, liebe Frauen. Lasst Politiker nicht über uns reden, sondern lasst uns Parteimitglied und Politikerinnen werden. Gemeinsam haben wir eine Chance: Wenn wir sie jetzt nutzen, dann können wir unser Land gemeinsam gestalten.

Von dir, liebe Partei, erwarte ich dann zumindest eins: Behaupte nie wieder, du konntest deine eigene Frauenquote leider, leider nicht erfüllen, weil keine Frau kandidieren wollte.

Deine Jenna 

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Frankreich: Wonnemonat Mai

Ex-IWF-Präsident Strauss-Kahn (Mitte), wenige Wochen, bevor die Bombe platzte. Links Lagarde.
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Es passiert immer im Mai. Im Mai 2016 veröffentlichten 17 französische Ex-Ministerinnen einen Aufruf gegen den epidemischen Sexismus der Männer in der Politik (und allen „Männerberufen“) – darunter die heutige Direktorin des IWF (Internationaler Währungsfond), Christine Lagarde (siehe Foto oben). Sie ist die direkte Nachfolgerin von Dominique Strauss-Kahn, der im Mai 2011 über die Anzeige eines schwarzen Zimmermädchens, Nafissatou Diallo, gestürzt war, die ihn der Vergewaltigung beschuldigt hatte. Und im Mai letzten Jahres veröffentlichten 40 Journalistinnen ihr „Pfoten weg!“-Manifest, in dem sie den in der Politik herrschenden Sexismus anklagten und bedauerten: „Die Affäre Strauss-Kahn hat leider keine Wende gebracht.“

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Der Fall Strauss-Kahn hat leider keine Wende gebracht

Im Mai 2016 war nun ein Tweet der Auslöser: „Legt Lippenstift auf, um gegen sexuelle Belästigung zu protestieren.“ Auf dem beigestellten Foto (siehe Seitenspalte) zeigen sich acht Politiker in Anzug und mit roten Lippen, darunter auch Denis Baupin, zu diesem Zeitpunkt Abgeordneter der französischen Grünen und stellvertretender Präsident des Parlaments. Es war der 8. März, Tag der Frauen.

„Ich hätte schreien und kotzen können“, sagt Parteikollegin Elen Debost. Für die Politikerin war das der Gipfel der Heuchelei. Noch am selben Tag postete sie den Tweet auf ihrer Facebook-Seite und kommentierte: „Wirklich beschämend, wie er sich über uns lustig macht: Denis Baupin mit Lippenstift und der Parole ‚Ich unterstütze die Frauen‘“ Zwei Journalisten von France Inter und dem Onlinemagazin Mediapart gingen der Sache nach. Debost sagte, Baupin habe sie monatelang belästigt und mit anzüglichen Textnachrichten bombardiert. 

Offenbar war sie nicht die Einzige. Bei ihrer Recherche stießen die Journalistinnen bei den französischen Grünen auf ein „System der Omertà“, ein Gesetz des Schweigens, wie man es von der Mafia kennt: Viele wussten Bescheid, niemand traute sich, an die Öffentlichkeit zu gehen. Rasch wurden die Anschuldigungen von insgesamt acht Parteikolleginnen öffentlich, vier berichteten anonym, die anderen vier gingen vor die Kameras. Ihr bisheriges Schweigen begründeten sie damit, sie hätten dem Ruf der Partei nicht schaden wollen. 

Es herrschte ein System des Schweigens -
wie bei der Mafia

Baupin sprach von „lügnerischer Verleumdung“, legte aber noch am selben Tag sein Amt als Vizepräsident der Nationalversammlung nieder. Als „DSK der Grünen“ wird er nun von den französischen Medien bezeichnet. Tatsächlich erinnern die Vorwürfe an diejenigen, die französische Journalistinnen öffentlich machten, als der damalige Chef des Internationen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, 2011 in New York wegen Vergewaltigung eines Zimmermädchens angeklagt wurde. Doch seither hat sich nichts geändert. Zumindest in Frankreich nicht. Im Mai 2015 veröffentlichten 40 französische Journalistinnen in der Zeitung Libération ein Manifest, in dem sie den „herrschenden Sexismus“ denunzierten: deplatzierte Bemerkungen, Hände auf Oberschenkeln oder dubiose Tauschgeschäfte wie „eine Info gegen einen Apéro“. Sie schrieben: „Wir dachten, die DSK-Affäre habe die Linien verschoben, und das machohafte Verhalten, das Symbol altmodischer Politik, sei vom Aussterben bedroht. Irrtum“.

Unter den acht Frauen, die nun 2016 gegen Baupin Zeugnis abgelegt haben, ist auch Sandrine Rousseau, Parteisprecherin von Europe Écologie – Les Verts (EELV). Für sie war ebenfalls der Tweet der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Rousseau berichtet, wie sie 2011 von Baupin auf dem Weg zur Toilette in einem Gang „gegen die Wand gedrückt“ worden sei. Er soll ihren Busen begrabscht und versucht haben, sie zu küssen. Zurück auf ihrem Platz, erzählte sie fassungslos ihrem Tischnachbarn, was passiert war. Der einzige Kommentar lautete: „Mist, hat er wieder angefangen.“ 

Der anfangs spaßige Ton wurde sehr schnell nervend

Rousseau, damals neu in der Partei, informierte zwei Kollegen, aber traute sich nicht weiterzugehen: „Ich hatte Angst, dass man mir nicht glaubt, dass man mich für verrückt hält, dass ich diejenige bin, die für Ärger sorgt.“

„Fast täglich hat er mich mit Hunderten von provozierenden und schmierigen SMS belästigt“, berichtet eine andere Abgeordnete, Isabelle Attard. Sie habe von mehreren Kolleginnen gewusst, die ähnliche Nachrichten bekamen. Während Arbeitssitzungen habe Baupin sie regelmäßig angemacht, anfangs im spaßigen Ton, der dann sehr schnell „lästig, ja nervend“ wurde.

Als Spezialistin für Energiefragen der französischen Grünen ließ sich der Kontakt mit Baupin für sie nicht ganz vermeiden. Sie ging deshalb zu Terminen mit ihm nur noch in Begleitung eines Assistenten. „Mir war das sehr unangenehm, einen Mitarbeiter mitzunehmen, der dort seine Zeit als Bodyguard, Beschützer und Verhinderer schmieriger Witze vergeudete, weil ich mich sonst unwohl gefühlt hätte.“

Seit der Skandal öffentlich ist, räumen etliche Grüne ein, dass man auf peinliche Weise versagt habe. Die einen versuchten, sein Verhalten als „übertriebene Anmache“ abzutun. Ein Parteifunktionär aber gestand: „Es war wirklich weithin in der Partei bekannt.“

Die Frauen schwiegen, um dem Ruf ihrer Partei nicht zu schaden

Die meisten Vorwürfe liegen Jahre zurück und könnten vor Gericht als verjährt eingestuft werden. Auf die Frage, warum sie nicht früher damit an die Öffentlichkeit gegangen sind, sagen die Frauen der Grünen, sie hätten dem Ruf der Partei nicht schaden wollen. Inzwischen zieht der Skandal seine Kreise weit darüber hinaus. Die politische Klasse Frankreichs wird mal wieder mit ihren Usancen und Unsitten konfrontiert, die bis zur DSK-Affäre gern als charmanter, wenn auch aus der Zeit gefallener Donjuanismus abgetan wurden.

Kurz nach dem Appell der 17 Ex-Ministerinnen haben sich weitere 500 Frauen und Männer aus Politik und Medien öffentlich angeschlossen. Sie fordern „das Ende der Straffreiheit“ bei sexistischen Vergehen. Es wird eng für den berühmtberüchtigten Ohlala-Charme.
 

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