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Hilfe, die Wechseljahre!

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Ich sitze im Bett, hellwach. Es ist 3.47 Uhr und ich ahne: Ich werde auch diese Nacht so schnell nicht wieder einschlafen. Seit etwa 2 Uhr wälze ich mich hin und her: Auf den Bauch, auf den Rücken, auf die Seite – Kopf nach links, nach rechts, ins Kissen – länger als drei Minuten halte ich es nicht aus. Und ich kann mich nicht entscheiden: unter die Decke (schwitzen) oder über die Decke (frösteln). Dabei ist mir auch noch übel. Wechseljahre nerven!

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Ich stehe auf und fange an, die Spülmaschine auszuräumen. Die Müdigkeit wird mich erst wieder um fünf, halb sechs einschlafen lassen – etwa eine Stunde, bevor ich aufstehen muss. Das geht nun seit Wochen und Monaten so. Durchschlafen? Morgens ausgeruht aufwachen? Davon kann ich nur noch träumen. 

Seit etwa zwei Jahren menstruiere ich nur noch unregelmäßig und schließlich gar nicht mehr. Einerseits: Juchuuh! Keine Perioden-Schmerzen, kein Vier-Tage-Lang-nur-mit-Ibuprofen-Durchhalten mehr. Eine wahnsinnige Erleichterung. Gleichzeitig passiert etwas mit meinem Körper, das mir bisher gänzlich unbekannt war: Ich nehme zu. Und zwar reichlich. Ich, die immerzu alles in sich hineinfuttern konnte – her mit Nudeln, Schokolade, Chips! – muss nun alle paar Monate neue Hosen kaufen. Ich will es erst nicht wahrhaben. Größe 36 – das war einmal. Bald passt auch Größe 38 nicht mehr. Inzwischen kaufe ich Unterhosen in XL. Der Speck kommt und bleibt.

Wechseljahre? „Das ist alles ganz natürlich, da müssen wir Frauen durch!“

Ein Besuch bei meiner Frauenärztin hat nicht viel gebracht. „Ja, Sie sind in den Wechseljahren“, hat sie mir bestätigt. Das war es dann aber schon. „Das ist alles ganz natürlich, da müssen wir Frauen durch“, bekomme ich noch zu hören. Von „Hormonsubstitution“ hält sie nichts. Und ich habe die Studie der amerikanischen „Women’s Health Initiative“ (WHI) aus dem Jahr 2002 mit 16.000 Teilnehmerinnen im Kopf, die abgebrochen wurde: Man war zu dem Ergebnis gelangt, dass die Behandlung mit „natürlichem Östrogen“ (das aus dem Urin schwangerer Stuten gewonnen wurde), das Risiko für Brustkrebs, Herzkrankheit, Thrombosen erhöhe. Das will ich auf keinen Fall! 

Ich google, wieder einmal: Wechseljahre …. „Ausprägung und Dauer der Wechseljahre sind sehr individuell“, lese ich. Meine Mutter – drei Kinder – war mit 42 Jahren „durch“. Ein paar Schweißausbrüche, sagt sie, das war’s. Die frühen Wechseljahre – sprich, der schon früh sinkende Hormonspiegel – hatten für sie allerdings eine bittere Folge: Sie leidet heute unter Osteoporose. 

Ich bin jetzt Anfang 50 und stecke mittendrin. Hitzewallungen. Frostanfälle. Schlafprobleme. Tiefe Depressen. Und vielleicht auch Gereiztheit? „Du musst die Ernährung umstellen!“, höre ich. Also gibt es morgens zum Frühstück jetzt Haferbrei mit Leinsamen. Eine liebe Freundin schenkt mir ökozertifizierte, nachhaltig produzierte Kapseln mit Omega3-Fettsäuren („Die Versorgung damit ist superwichtig!“). Wenig Fleisch. Mehr Gemüse. Am besten gar kein Zucker. Meine Laune hebt der Schokoladenentzug – besonders während EMMA-Produktionszeiten – nicht immer, im Gegenteil. Und die Schlaf-, Schwitz- und Speckprobleme bleiben. 

Lobpreisungen bestimmter Mittelchen führen meist gleich zu einem Kauf-Link

Ich befrage weiter Dr. Google: „Natürliche Mittel gegen Wechseljahrbeschwerden“. Eine ganze Palette wird mir da angezeigt. Yamswurzel. Traubensilberkerze. Soja-Isoflavone. Cimicifuga-Präparate mit Isopropanol. Maca. Ashwagandha. Schisandra. Schon mal davon gehört? Ich nicht. Meist führen die Lobpreisungen bestimmter Mittelchen gleich zu einem Link, wo frau es für viel Geld erwerben kann. 

Abgesehen von den Kosten: Was soll ich ausprobieren? Wie lange soll ich das Zeug einnehmen? Wann wirkt es? Und vor allem: Was macht es im Körper?

Mir schwirrt nicht nur davon der Kopf. Probleme mit der Konzentration habe ich auch: Oft fühlt es sich an, als sei mein Hirn in dichte Wattewolken gepackt. Es gibt Phasen, da driiiiiin….geeeeeen Iiiiiiiin…fooooooor…maaaaaa…tiiiiiioooooonen nur… noch… seeeeeeeeehr… laaaaaang…saaaaam… durch dieses Knäuel aus Gedankenfetzen, das sich in meinem Kopf verzwirbelt hat. 

Auch mein Kurzzeitgedächtnis macht schlapp. Ich kann mir nix merken, muss alles nachschlagen. Konnte ich früher die Namen quasi aller Menschen, die ich getroffen habe, einfach mit den Gesichtern abspeichern und in den passenden Momenten wieder abrufen, habe ich jetzt oft schon nach einer Minute Gespräch mit einer neuen Bekanntschaft den Namen vergessen. Das macht mir Angst: Werde ich dement?

Manchmal habe ich den Namen einer neuen Bekanntschaft gleich wieder vergessen

Eine Coronaerkrankung kommt und geht. Meine geliebte Hundegefährtin wird krank und stirbt. Und ich bekomme zu allem Übel auch noch Knie und kann vor Schmerzen nur noch humpeln. Die Knorpel beider Knie sind fast zerstört, stellt der Orthopäde fest. Spielt der Hormonmangel durch die Wechseljahre auch hier eine Rolle? Ich lerne bei meiner Suche nach Hilfe, dass zum Beispiel Gelenkbeschwerden ein typisches Symptom der Wechseljahre sind. Und steife Knie sowie hin und wieder Schmerzen habe ich tatsächlich schon ziemlich lange – aber immer auf mangelnden Sport und das viele Sitzen am Rechner geschoben. 

Wegen der Knie kaufe ich mir auf Ebay-Kleinanzeigen schnäppchenmäßig ein Trimmrad und fange an, regelmäßig zu strampeln. Trotzdem: Manchmal sitze ich morgens auf der Bettkante und weine, weil ich vor Erschöpfung nicht weiß, wie ich den Tag bewältigen soll. So kann es nicht weitergehen.

Ausgerechnet auf TikTok mache ich dann eine Entdeckung: Mary Claire Haver, eine US-amerikanische Gynäkologin, die in kurzen, gut verständlichen Video-Clips die fünf Stellschrauben erklärt, an denen es zu drehen gilt: gesunde Ernährung (um die im Alter häufiger werdenden Entzündungsprozesse zu minimieren), Sport/Bewegung (um ausgeglichener zu sein und besser zu schlafen), guter Schlaf (der übrigens dazu beiträgt, dass sich nicht so viel Speck rund um die Mitte bildet), Stressreduktion (gut für alles) und Medizin (die fehlenden Hormone ersetzen). 

Ein Dossier über Hormone in der Januar/Februar-Ausgabe, als Print-Heft und eMagazin im www.emma.de/shop
Ein Dossier über Hormone in der Januar/Februar-Ausgabe, als Print-Heft und eMagazin im www.emma.de/shop

Eine Freundin hört sich mein Jammern an und erzählt, dass sie gerade eine Ersatztherapie (HRT – Hormone Replacement Therapy) mit humanidentischen Hormonen macht. Sie drückt mir das Buch „Women on Fire“ der Gynäkologin Sheila de Liz in die Hand. Ich lese – und staune. Entweder hat die Frau Aktien in der hormonproduzierenden Pharma-Industrie – oder einen echten Punkt: Sie sagt, dass der weibliche Körper gar nicht darauf ausgelegt sei, so alt zu werden, wie wir Frauen das heute in unserer westlichen Welt dank guter Versorgung tun. 

Kurzum: Die Evolution hat uns noch nicht parat gemacht für ein langes Leben. Und Hormone sind nicht nur für funktionierende Fortpflanzungsorgane zuständig, sondern schlicht: für alles – von der Haut über die Knochen bis zu den inneren Organen. „Hormonmangel gefällt dem Körper nicht, darum macht er ja Symptome. Er sagt damit: Es geht mir nicht gut.“ Und das sollten wir ernst nehmen. 

Und nun kommt noch eine gute Freundin und gestandene Feministin. Sie ist schon seit 20 Jahren durch. Sie hat, als sie überraschend mit Wechseljahren überfallen wurde – überraschend, weil bis dahin für Psycho gehalten – eine niedrig dosierte Hormonpille genommen. Fünf Jahre lang. Und dann nach vier Jahren – gegen den Rat ihrer Frauenärztin – einfach wieder abgesetzt (ganz wie ich meine „Antibabypille“ nach zwei Jahren). Und? Alles glatt gegangen. Während der Therapie und danach.

Jetzt aber her mit den Hormonen!

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