Steinigung wg. Homosexualität

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Es war im Oktober 2005, als Jasmin Tabatabai die Hauptrolle in einem berührenden Film spielte. Er hieß "Fremde Haut" und Halbiranerin Tabatabai war die Iranerin Fariba, die aus ihrer Heimat nach Deutschland flüchtet, weil sie Frauen liebt. Aber Fariba wird kein Asyl gewährt - am Ende wird sie abgeschoben, zurück in ein Land, in dem auf Homosexualität die Todesstrafe steht.

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Es ist im Oktober 2007. Jetzt kämpft die Schauspielerin Tabatabai darum, dass der fiktive Fall Fariba nicht zum realen Fall Yasmin K. wird. Yasmin K. ist vor eineinhalb Jahren nach Deutschland geflohen, weil ihr im Iran die Steinigung drohte. Doch bisher verweigern die deutschen Behörden und Gerichte der Frau, die Frauen liebt, das Recht auf Asyl. Das bedeutet: Abschiebung. "Ein Skandal!" sagt Tabatabai. "Das wäre mein Ende", sagt Yasmin K.

Anders als Fariba im Film, die bei ihrer ersten Befragung nicht wagt, den wahren Grund für ihre Flucht zu nennen, hat Yasmin dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sofort ihre Geschichte erzählt. Mit 14 hatte sich die heute 31-Jährige in die Nachbarstochter verliebt. Als deren Eltern es bemerken, zieht die Familie weg. Yasmins Mutter schleppt ihre Tochter zum Arzt, der ihr Hormontabletten verschreibt. Die nützen nichts.

Auf der Uni verliebt sich Yasmin in eine Kommilitonin. Auch das bleibt nicht verborgen. Yasmin fliegt von der Uni und wird nun von den Eltern gedrängt, einen Mann zu heiraten. Was sie tut. Aber sie hält dennoch die Beziehung zu ihrer Freundin aufrecht. Im Oktober 2005 stürmen die Sittenwächter die Geburtstagsfeier der Freundin und verhaften alle Anwesenden.

Nur Dank der Beziehungen ihres wohlhabenden Vaters kommt Yasmin frei. Der Vater ist es auch, der die Flucht seiner lesbischen Tochter organisiert. Über die Türkei kommt Yasmin K., die inzwischen in Abwesenheit zum Tode verurteilt ist, Anfang 2006 nach Berlin und beantragt Asyl.

Doch beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) glaubt man der jungen Frau nicht. Die höchst erstaunliche Begründung: Yasmins Mutter bestätige die Schilderungen ihrer Tochter nicht. Als zwei Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes die Frau befragten, stritt die alles ab: Die Mutter habe "nichts über die Veranlagung ihrer Tochter zu berichten gewusst". "Absurd", lautet der Kommentar von Anwältin Eva Lindenmaier.

"Die haben einer iranischen Frau von zwei ihr unbekannten Männern Fragen stellen lassen, deren Beantwortung nicht nur peinlich, sondern für den Ehemann tödlich sein könnte." Das Ausländeramt bleibt dabei: Yasmin K.'s Geschichte sei "eine Verfolgungslegende".

Dabei müssten die Beamten wissen, dass allein die Tatsache, dass Yasmin K. es gewagt hat, ihre Homosexualität bei deutschen Behören öffentlich zu machen, ein schwerwiegendes Indiz für die Richtigkeit ihrer Aussagen ist. "Homosexualität ist im Iran ein so irrsinniges Tabu", erklärt Jasmin Tabatabai, "das kann man sich hier in Deutschland überhaupt nicht vorstellen. Es gibt viele Menschen, die sich eher umbringen würden als über ihre Homosexualität zu sprechen."

Hinzu kommt die "Furcht, Angaben könnten an die Verfolger gelangen", bestätigt amnesty international. Und die Tatsache, dass AsylbewerberInnen, deren Fluchtgrund "Homosexualität" lautet, selbst in den Asylbewerberheimen gefährlich leben, weil sie dort von ihren "Mitbewohnern drangsaliert" werden. Viele homosexuelle Flüchtlinge, Frauen wie Männer, schieben - wie Fariba im Film - deshalb andere Fluchtgründe vor.

Amnesty international, die gerade ein Buch über "Menschenrechtsverletzungen an Lesben, Schwulen und Transgender" herausgebracht haben, gehen davon aus, dass "die Zahl derer, die wegen Verfolgungsmaßnahmen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung nach Deutschland flüchten, deutlich höher ist als die Zahl derer, die tatsächlich in der Lage sind, diese Fluchtursache anzugeben". 

Yasmin K. hat es gewagt, über die wahren Gründe für ihre Flucht zu sprechen. Nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ihr dennoch nicht glaubte, klagte sie vor dem Berliner Verwaltungsgericht. Was sich dort abspielte, erinnert wiederum an eine groteske Filmszene aus Tabatabais "Fremde Haut": "Haben Sie Ihr Todesurteil als beglaubigte Kopie?", fragt da ein Beamter die verstörte Fariba, die fassungslos verneint.

Auch im realen Leben zweifelt das Verwaltungsgericht an der Echtheit des Todesurteils und der Gerichtsvorladungen, die Yasmin K. von ihrer Familie nachgeschickt wurden. Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes handelt es sich um Fälschungen.

Am 23. September wurde Yasmin K.s Klage abgewiesen. Begründung: "Menschenrechtswidrige Behandlungen oder gar die Todesstrafe drohen der Antragstellerin nicht, da ihrem Verfolgungsvortrag nicht geglaubt werden kann." Immerhin glaubte das Gericht im Gegensatz zum Ausländeramt, nachdem fünf Richter die junge Frau achteinhalb Stunden lang befragt hatten, dass Yasmin K. tatsächlich homosexuell ist. Und zwar "schicksalhaft" und "irreversibel", wie es die deutsche Asyl-Rechtsprechung verlangt.

Dennoch soll Yasmin K. zurückgeschickt werden. In ein Land, in dem sexuelle Handlungen zwischen Frauen (mosaheqeh) laut Strafgesetzbuch, sprich: Scharia, mit 100 Peitschenhieben bestraft wird - bei Wiederholung wird die Todesstrafe verhängt. Der amnesty-Jahresbericht spricht von mindestens 177 Hinrichtungen im Jahr 2006, darunter mehrere wegen "unislamischen Sexualverhaltens". Ein offizielles Gerichtsverfahren ist aber gar nicht unbedingt vonnöten.

Die paramilitärische Basij-Miliz, die sogenannten Sittenwächter, kontrolliert "sittsames Verhalten" und hat dabei im Mullahstaat freie Hand: Jüngst wurden sechs Milizionäre, die wegen fünffachen Mordes an "moralisch Verdorbenen" angeklagt waren, freigesprochen.

"Soll die Frau denn erst gesteinigt werden, bevor man ganz genau weiß, ob das Todesurteil echt ist oder nicht?", fragt Anja Kofbinger bitter. Die frauenpolitische Sprecherin der Berliner Grünen ist Mitglied des Petitionsausschusses, und der ist, neben der Härtefallkommission, Yasmins letzte Chance - falls das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts bestätigt.

"Yasmin K. darf natürlich keinen Fuß mehr in dieses Land setzen." Bleibt zu hoffen, dass der Berliner Innensenator Ehrhart Körting, der als Vorsitzender der Härtefallkommission das letzte Wort über das Schicksal von Yasmin K. sprechen wird, das genauso sieht. Damit es, anders als für Fariba im Film, für Yasmin im Leben ein Happy End gibt.

Iranian Queer Organisation: www.pglo.net

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In fremder Haut (5/05)

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