Cum-Ex Anwältin wirft hin

Anne Brorhilker, Oberstaatsanwältin im Cum-Ex-Skandal, hat hingeworfen. - Foto: Oliver Berg/dpa
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Kaum war die Meldung in der Welt, war sie schon Top-News der wichtigsten Nachrichtenwebseiten in Deutschland: Anne Brorhilker will nicht länger als Oberstaatsanwältin in Köln die „Finanzmafia“, kriminelle Banken und Großanleger, verfolgen. Stattdessen will sie in der Geschäftsführung der Nichtregierungsorganisation "Finanzwende" politisch für eine effektivere Verfolgung dieser Finanz-Verbrecher deutschland- und auch europaweit kämpfen.

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Der Schritt überrascht, war die 50-jährige Juristin mit der beispiellosen Kompetenz und dem ungeheuren Mut doch diejenige, der der erste und bislang wichtigste Schlag gegen eine Mafia aus Banken, Steuerkanzleien und reichen Anlegern gelungen ist. Sie hatten über viele Jahre hinweg den deutschen Fiskus um Milliardenbeträge betrogen.

Anne Brorhilker hat Knall auf Fall ihren Beamtenstatus aufgegeben

Dafür wurde Brorhilker über Jahre hinweg angefeindet, wohl auch bedroht. Noch im vergangenen Herbst gab es seitens der Politik in Nordrhein-Westfalen Versuche, sie zu entmachten. Auch dank des Drucks aus der Öffentlichkeit - unter anderem durch die „Finanzwende“ - konnte die Teilung ihrer Abteilung verhindert werden. Stattdessen bekam sie zusätzliche Stellen, sodass inzwischen ein Team von über 30 Staatsanwälten an den so genannten Cum-Ex-Fällen arbeitet.

Dass Brorhilker nun Knall auf Fall ihren Beamtenstatus aufgibt und um Entlassung bittet, erklärt sie ausführlich in einem WDR-Interview, das zeitgleich am Montag, den 22. April 2024, veröffentlicht wurde. Zwar sei die Strafverfolgung dieser Steuersünder in Köln in "guten Händen", so Brorhilker. Doch bundesweit und auch in Europa müsse "die Justiz besser aufgestellt" werden, um gegen die fast unendlichen finanziellen Mittel sowie den politischen Einfluss der großen Steuersünder bestehen zu können. Sie sei "überhaupt nicht zufrieden damit, wie in Deutschland Finanzkriminalität verfolgt wird", sagte sie dem Sender.

Denn trotz des wegweisenden Urteils, das sie erreichen konnte, gehe der Steuerbetrug munter weiter. Es gebe jede Menge „Nachfolgemodelle“. Und noch immer seien Großbanken beteiligt, die europaweit agieren. Der Kampf gegen die Steuermafia müsse deshalb auch auf europäischer Ebene geführt werden, fordert sie.

Im Kampf gegen die Steuermafia muss die Justiz besser aufgestellt werden

"Finanzwende" wurde 2018 von dem früheren grünen Bundestagsabgeordneten Gerhard Schick als "unabhängiges und überparteiliches Gegengewicht zur Finanzlobby" gegründet. Der weithin bekannte Finanzexperte der Grünen verließ damals frustriert den Bundestag, weil die aus seiner Sicht notwendigen Reformen an den Finanzmärkten im Gefolge der Weltfinanzkrise 2008/9 ausblieben beziehungsweise nicht ausreichend waren. Zwar unterstützen laut der Webseite inzwischen über 8.000 BürgerInnen die Organisation, doch so richtig bekannt geworden ist die „Finanzwende“ in der breiten Öffentlichkeit bislang noch nicht.

Dabei soll nun offensichtlich Brorhilker mithelfen. Drei vordringende Ziele nannte sie im WDR-Interview für ihre Arbeit bei „Finanzwende“. So müsse Druck gemacht werden, dass die Justiz bundes- und europaweit besser gegen die Finanzmafia aufgestellt werde. Zudem gelte es, die Finanzlobby zurückzudrängen. Und schließlich dürfe es nicht sein, dass die großen Straftäter aufgrund ihres finanziellen und politischen Einflusses mit geringeren Strafen davonkämen als diejenigen, die über diesen Einfluss nicht verfügen. "Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen", fasste Brorhilker das in ihrer bekannt klaren Art zusammen. Man schätzt den dem deutschen Staat entstandenen Schaden durch die Cum-Ex-Betrugsmanöver auf 10 Milliarden Euro. Sprich: 10.000 Millionen Euro.

MARGARET HECKEL

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