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Lassnig: „Mit einem Tiger schlafen“

Szene aus dem Film "Mit einem Tiger schlafen" von Anja Salomonowitz. - Foto: Stadtkino Filmverleih
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Die störrische Bauerstochter Birgit Minichmayr spielt die störrische Bauerstochter Maria Lassnig. Nein: Sie ist Maria Lassnig. 107 Minuten schauen wir ihr zu, wie sie sich mit all ihren Sinnen und Sehnen Kunst abringt. Die heute 47-jährige Minichmayr spielt die 2014 mit 94 Jahren gestorbene Lassnig durchs ganze Leben: von der Halbwüchsigen bis zur Sterbenden. Mit immer derselben Frisur und ohne Masken. Was stimmig ist. Lassnig ist die immer gleiche, was auch der Stock, an dem sie am Schluss geht, nicht ändert.

Das Großartige an diesem Film von Anja Salomonowitz ist, dass Maria als Künstlerin ernst genommen wird. Die Regisseurin lässt allen Frauen-Chichi beiseite und zeigt sie wie einen Mann: leidenschaftlich um ihre Arbeit ringend. Salomonowitz verschont uns mit den durchaus zahlreichen Liebschaften von Lassnig; nur zwei Lieben werden kurz angedeutet: die mit dem Kollegen Arnulf Rainer und die mit einem Hippie-Musiker in New York. Ansonsten ist es die hart arbeitende Malerin, die im Fokus steht.

Vom Bauernhof in Kärnten, wo eine starke, männerfreie Mutter die Tochter gleichzeitig fördert und dominiert, über die Stationen Paris und New York bis zum Retour nach Wien. Immer sehen wir die  alterslose Lassnig, oft im weißen Feinripp-Hemd und in praktischer Unterhose oder auch im Oversize-Trainingsanzug malen, malen, malen. Dabei liegt sie oft auf dem Boden, weil sie ihre eigenen Bilder  nicht sehen will, die sie da aus sich herausholt. Sie will ihr Inneres nach außen stülpen. Sie malt „Körperbewusstseinsbilder“.

Ein Einschnitt ist der Tod der gewaltigen Mutter 1964. Da lebt Maria in Paris. In den 1970ern ist sie in New York. Da gerät sie an den Film. Sie macht überaus eigenwillige und sarkastische Kurzfilme (zu sehen z. B. auf YouTube). Es ist von Anfang an klar, wie stark Lassnigs Arbeiten sind. Doch sie braucht lange bis zum Durchbruch. Sie ist ja eine Frau und eine Bauerstochter noch dazu. Sie gehört nicht zu den Wiener Künstlercliquen.

1980 wird sie als erste KunstprofessorIN an die Wiener Hochschule für angewandte Kunst berufen, 1982 bestückt sie den Pavillon Österreichs auf der Biennale in Venedig. Den muss sich die da schon  weltweit bekannte Künstlerin allerdings mit der jüngeren Medienkünstlerin Valie Export teilen. Was sie erbost. Heute gehören die Bilder von Maria Lassnig zu den höchstbezahlten in der zeitgenössischen Kunst, erreichen Millionenpreise. Die „Maria Lassnig Stiftung“ verwaltet ihr Werk.

Regisseurin und Hauptdarstellerin zeigen Lassnigs Schmerz, ihre Absolutheit und ihre Melancholie. Sie zeigen auch ihr Misstrauen, das sich im Alter bis zur Paranoia steigerte. Leider zeigen sie nicht ihre Ironie und ihren Humor. Die finden sich aber in ihren Bildern und Filmen.

Jetzt in Österreich im Kino, in Deutschland ab dem 23.5.: „Mit einem Tiger schlafen“.
www.marialassnig.org

 

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