In der aktuellen EMMA

Dee Dee and the Girls

Holt gezielt junge Musikerinnen ins Rampenlicht, Sängerin Dee Dee Bridgewater. - Foto: Niccolo Bruna/oho nic.bruna@gmail.com
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So viel sich in ihrem ereignisreichen Leben  auch änderte, eine Erfahrung machte Sängerin Dee Dee Bridgewater  über Jahrzehnte immer wieder: Die einzige Frau auf der Bühne oder im Studio zu sein. „Die Jazz-Szene war ein sehr, sehr patriarchalisches Universum“, erzählt sie bei einem Videointerview von ihrem Zuhause in New Orleans. „Wenn man das überhaupt durchbrechen konnte, dann meistens als Sängerin.“ Eine Musi­kerin am Klavier oder Saxofon, das kam vor, allerdings sehr selten. Noch seltener waren reine Frauen­bands.

Bei Bridgewater selbst war es nicht anders: Fast immer hieß es „Dee Dee and the Guys“. Dabei war es nicht so, dass sie keine Frauen in ihren Bands wollte. Aber wenn sie nicht gezielt etwas dafür tat, waren es eben doch meist wieder alles Männer. Also tat sie etwas.

Sie selbst hat mit inzwischen 75 Jahren so ziemlich alles erreicht, was eine Künstlerin im Jazz erreichen kann. Sie tourt mit ihren Ensembles um die ganze Welt. In ihrem Repertoire vereint sie viele musikalische Stile – von Jazzstandards bis hin zu Liedern von Kurt Weill; von französischen Chansons, die sie sich in ihrer Zeit in Paris aneignete, bis hin zu ihrem Album „Red Earth“ (2007). Eine „Suche nach meinen afrikanischen Wurzeln“, wie sie selbst sagt, die sie mit MusikerInnen in Mali aufgenommen hat. Ihre Musikpreise – darunter drei Grammys, eine NEA Jazz Masters Fellowship und eine Goldene Schallplatte – dürften Regale füllen.

Im Repertoire von "We Exist!" sind Songs aus den Zeiten der Bürgerrechtsbewegung

Aufgewachsen in Memphis und Flint, spielte Dee Dee schon als Jugendliche Gigs mit ihrem Vater, dem Jazztrompeter und Musiklehrer Matthew Garrett. Ihre Mutter, Marion Garrett, war – wie schon Dee Dees Großmutter – Sängerin.

Bridgewaters Debüt „Afro Blue“, bei dem ihr damaliger Ehemann, der Trompeter Cecil Bridgewater, mitwirkte, erschien 1974, da war sie 24 Jahre alt. Am Broadway spielte sie in „The Wiz“ 1.672 Mal die gute Hexe Glinda. Das Musical deutete den klassischen Stoff des „Wizard of Oz“ – weißes Mädchen entdeckt die Welt – um: Soul, Gospel und Funk ersetzten das einstige Musicalpathos, schwarze Künstlerinnen besetzten die Hauptrollen. Für ihre Rolle erhielt Dee Dee Bridgewater 1975 einen Toni Award. 

Ihre Songs interpretiert die Künstlerin mit großer Intensität. Ihr Scat-Gesang ist technisch anspruchsvoll und originell. Zu ihren Vorbildern zählt sie Ella Fitzgerald, Billie Holiday, Sarah Vaughan und Nancy Wilson.

Dee Dee Bridgewater lebte unter anderem in New York, Paris und Las Vegas und war drei Mal verheiratet, bis sie beschloss, allein zu leben. Ihre zwei Töchter und ihr Sohn fanden alle ihren Weg in kreative bzw. kulturnahe Berufe. China Moses ist Sängerin, Tulani Bridgewater-Kowalski Produzentin und Managerin, Gabriel Durand Musiker. Um ganz unabhängig zu sein, gründete Bridgewater ihre eigene Produk­tionsfirma und 2006 ihr eigenes Musiklabel „Dee Dee Bridgewater Records“. Heute produziert sie jedes ihrer Alben selbst, dazu die von anderen.

"Frauen existieren und ihr werdet uns jetzt die Anerkennung geben, die wir verdienen!"

Ihr neuestes Projekt: Mit Tochter Tulani gründete sie das „Woodshed Network“, ein Mentoringprogramm für junge Jazzmusikerinnen, das ihnen mit Insiderwissen, Kontakten und Networking beim Karriereaufbau hilft. Bridgewater stolz: „Schon 48 Frauen haben an dem Programm teilgenommen und sie alle machen jetzt unglaubliche Dinge!“

In ihrem neuesten Ensemble spielt Carmen Staaf Klavier, Hannah Marks Bass und Shirazette Tinnin, außerordentliche Professorin für Percussion am Berklee College, sitzt am Schlagzeug. Der Name des  Programms: „We Exist!“ Bei manchen Konzerten übernehmen Musikerinnen aus Europa. Im Repertoire sind Songs, die zur Zeit der Bürgerrechtsbewegung oft zu hören waren, etwa Nina Simones „Mississippi Goddam“ oder „Trying Times“ von Roberta Flack. „Frauen existieren, wir existieren, und ihr werdet uns jetzt wirklich ansehen und uns endlich die Anerkennung geben, die wir verdienen!“, so Bridge­water. Es war nicht immer so, aber heute ist sie stolz auf ihr Lebenswerk, vor allem auch, weil sie etwas an junge Musikerinnen weitergeben kann. Dieses Mal also: Dee Dee and the Girls!   

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