Die erste türkischstämmige MInisterin!

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Die Ernennung von Aygül Özkan, 38, zur Sozialministerin in Niedersachsen ist ein Meilenstein. Ein halbes Jahrhundert nach Beginn der Migration von TürkInnen in Deutschland übernimmt erstmals einer von ihnen Regierungsverantwortung, zumindest auf Landesebene, und eine Frau dazu.

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Das ist ein Signal in beide Richtungen: Richtung Türkischstämmige: Ja, ihr könnt! Richtung Deutschstämmige: Ja, wir gehören zusammen! Dabei sah es im letzten Augenblick so aus, als könne es noch schiefgehen. Denn die selbstbewusste Juristin und Managerin trat noch vor Ernennung kräftig ins Fettnäpfchen.

Sie forderte eine kopftuchfreie Schule – und das christliche Kreuz solle gleich mit abgehängt werden. Die CDU/CSU heulte auf und Ministerpräsident Wulff rückte eiligst gerade: 1. Kopftuchverbot nur für Lehrerinnen. 2. Das Kreuz wird „im Sinne einer toleranten Erziehung auf Grundlage christlicher Werte begrüßt“. Wetten, dass Ministerin Özkan weiterhin für Aufregung sorgen wird: in ihrer Community, wie in ihrer Partei?

Dabei hatte Özkan eigentlich nichts anderes gesagt, als das Verfassungsgericht schon vor Jahren: Wenn religiöse Symbole nichts in Klassenzimmern zu suchen hätten, dann müssten Kopftuch wie Kreuz draußen bleiben.

Seither laviert die deutsche Politik sich halbherzig durch. Lehrerinnen dürfen kein Kopftuch tragen, aber Schülerinnen dürfen es. (Frankreich zum Beispiel hat das konsequenter geregelt – und mit Erfolg).

Und das Kreuz? Da das Kopftuch in Deutschland aus Rücksicht auf die orthodoxen Muslime bisher nie offiziell klar als politisches Symbol benannt wurde, sondern man den Vorwand des „religiösen Symbols“ durchgehen lässt, muss es sich zwangsläufig mit dem christlichen Kreuz vergleichen lassen. Und da gleichzeitig die christlichen Orthodoxen nicht von ihrem Kreuz an weltlichen Schulen lassen wollen, rühren sie auch nicht wirklich ans Kopftuch. Ein Dilemma, das sich nur lösen lässt, wenn auch die Christen bereit wären, auf religiöse Privilegien in weltlichen Zusammenhängen zu verzichten.

Ansonsten hat wohl eher die türkische Community mit unbequemer Kritik von Özkan zu rechnen. Die Tochter eines 1963 nach Hamburg eingewanderten Schneiders, deren Eltern Ende der 1960er Jahre einen eigenen Schneiderladen aufmachten, ist der Überzeugung, dass auch die MigrantInnen selbst etwas tun können und müssen für die Integration: „Man muss auf Menschen zugehen“, sagt sie in der Zeit. „Gerade dann, wenn man fremd ist oder fremd aussieht, ist es wichtig, dass man den ersten Schritt macht. Wir schotten uns doch zu sehr ab.“

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