Das Babyjahr ist eine Frauenfalle

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Jede 2. junge Frau wünscht sich, dass auch  Väter ihr Babyjahr nehmen - aber nur jeder 50. Mann tut es. Noch bevor das Gesetz im Januar 1986 in Kraft trat, warnte Emma 1985 vor der Frauenfalle Babyurlaub. Wir forderten einen zwingend für beide Elternteile vorgeschriebenen Erziehungsurlaub: "halb bleibt der Vater zu Hause, halb die Mutter".
Doch da sich alle Männer-Parteien in der Frage einig waren, wurde das fatale Erziehungsgeldgesetz verabschiedet - und weit über die Befürchtungen hinaus zu einem wahren Grab für die Berufstätigkeit der Frauen. So nahmen 1997 genau 96 Prozent aller berechtigten Berufstätigen den Erziehungsurlaub - darunter nur zwei Prozent Väter.
Über das Schicksal der 94 Prozent der Mütter nach den zwei Jahren Erziehungsurlaub ist nichts bekannt. Zu befürchten ist, dass sie entweder im Haus hängen blieben oder im Beruf ein paar Etagen tiefer weitermachen mussten. Was allerdings auch Emma damals nicht klar war: Wie gefährlich ein längerer Erziehungsurlaub für die Frauen sein kann. Auch wir forderten 1985 noch "zwei bis drei Jahre mit realem Lohnersatz".
Die zwei bis drei Jahre kamen, der Lohnersatz verkümmerte zum Taschengeld. Doch nach den desolaten Erfahrungen der letzten Jahrzehnte in Deutschland und weltweit kann heute nur noch ein Schluss gezogen werden: Eine Erziehungszeit, die nicht länger traditionell von Müttern genommen und die jungen Frauen nicht aus dem Beruf reißen soll, müsste folgendermaßen aussehen:
1. Das Babyjahr darf nicht länger als ein Jahr gehen (entsprechend muss es Krippen geben).
2. Es muss zwingend zur Teilung zwischen Mutter und Vater vorgeschrieben sein und sonst verfallen (In Schweden wurde der Anfang gemacht: zwölf Monate, davon zwingend ein Monat der Vater - demnächst sollen es zwei, später sechs Monate sein).
3. Das Erziehungsgeld müsste zumindest ein annähernder Lohnersatz sein.
All das erfüllt das neue Erziehungsgeldgesetz leider nicht.
Wie kein anderes Gesetz hat das Bundeserziehungsgeldgesetz in den letzten 14 Jahren dafür gesorgt, dass die heutige Frauengeneration trotz hoher und höchster Qualifikation im Beruf weit hinter den Männern zurückbleibt. Das war vorauszusehen, auch wenn die Politiker, die es 1986 eingeführt hatten - allen voran der damalige CDU-Familienminister Geißler - angeblich nur hehre Ziele verfolgten: Erziehungsarbeit sollte endlich anerkannt und sogar honoriert werden, Frauen sollten sich nach der Geburt ohne Arbeitsplatzrisiko um ihr Kind kümmern können, Mütter und Väter (ja, auch Väter) sollten partnerschaftlich Familie und Beruf vereinbaren können.
Bisher erhielten Mütter zwei Jahre lang Erziehungsgeld von 600 DM. Allerdings nur dann, wenn das Familien- einkommen nicht über 100.000 DM netto (in den ersten sechs Monaten) bzw. 29.400 DM im Jahr (ab dem 7. Monat) lag und die/der Erziehende nicht erwerbstätig war oder höchstens 19 Wochenstunden Teilzeit arbeitete. Für das dritte Jahr gab es zwar kein Geld, aber ein Anrecht auf Freistellung. So gehört Deutschland zu den Ländern mit dem längsten Freistellungsanspruch nach der Geburt eines Kindes; ein Anspruch, um den viele Ausländerinnen uns beneiden - solange sie die Nachteile nicht kennen.
Denn der dreijährige Erziehungsurlaub ist eine regelrechte Frauenfalle geworden. 95 Prozent aller berufstätigen Mütter - und knapp zwei Prozent der Väter - nehmen heute nach der Geburt eines Kindes Erziehungsurlaub. Das Gesetz ist also de facto ein "Frauengesetz". Genützt aber hat es den Männern: Während sie zu Hause das Kind betreut, haben ihre Ex-Kollegen freie Bahn. Kommt sie nach drei Jahren zurück, sind die guten Stellen längst untereinander verteilt, und sie fängt wieder von vorn an. Und während sie aussetzt, wird er zum "Familienernährer", Frau und Kind werden abhängig.
Das spornt an. Die meisten Männer machen besonders in der sogenannten "Familiengründungsphase" ihren ersten Karrieresprung. Bestärkt von einer Vollhausfrau, die ihrem Mann den Rücken freihält. Damit hat er einen Konkurrenzvorteil gegenüber allen Frauen - nicht nur gegenüber seiner eigenen.
Ein Rückstand, den die wenigsten Frauen aufholen - auch nicht mit Frauenförderplänen, Gleichberechtigungsgesetzen oder Wiedereingliederungshilfen.
So manche Frau ahnt das und zieht ihre eigenen Schlüsse: Deutschland ist das Land mit der niedrigsten Geburtenrate. Von den heute 40-jährigen Akademikerinnen ist knapp jede zweite kinderlos, bei den anderen Frauen dieses Alters jede dritte. Diese Frauen haben begriffen, wie leicht der Babyurlaub zur Frühpensionierung werden kann.
Rot-Grün wollte nun alles besser machen als Schwarz-Gelb. Die SPD-Familienministerin Christine Bergmann kündigte gleich nach Amtsantritt eine Reform an, um "Beruf und Familie noch besser zu vereinbaren", auch die Väter sollten motiviert werden. Nun liegt das reformierte Gesetz als Entwurf vor, soll noch vor der Sommerpause verabschiedet werden und am 1. Januar 2001 in Kraft treten. Was erwartet dann die Mütter (und den Vater)?
1. Es bleibt beim Taschengeld von 600 DM im Monat. Im Klartext heißt das, wer Erziehungsurlaub nimmt, ist finanziell abhängig. Mütter ohne Männer und Einkommen werden Sozialhilfeempfängerinnen - womit sie zwar nicht unbedingt arm sind, da sie die 600 DM zusätzlich bekommen, aber doch arm dran, weil sie der Staat zu Bittstellerinnen macht. Mit dem neuen Gesetz werden die Einkommensgrenzen um 10 bis 14 Prozent erhöht. Diese Erhöhung fällt jedoch so zaghaft aus, dass nur wenige Familien davon profitieren: Statt 50 Prozent der Familien werden in Zukunft 55 Prozent über den 6. Monat hinaus das volle Erziehungsgeld bekommen. Zum Vergleich: 1987 waren es noch 83 Prozent der Familien.
2. Das "Herzstück" der Reform sollte nach Ministerin Bergmann der "flexible Erziehungsurlaub" sein, flexibel in drei Punkten:
• Wer nach einem Jahr wieder in den Beruf zurück will, kann das Erziehungsgeld "budgetieren", das heißt, statt zwei Jahre lang 600 DM ein Jahr lang 900 DM beziehen. (In den ersten beiden Monaten nach der Geburt des Kindes wird übrigens das Mutterschaftsgeld, pro Tag 25 DM, beim budgetierten Erziehungsurlaub voll, sonst mit 20 DM angerechnet).
• Beide Eltern sollen gleichzeitig Erziehungsurlaub nehmen können: ein halbes Jahr lang zu je 900 DM im Monat (also 1.800 DM zusammen) oder ein Jahr lang zu je 600 DM (also 1.200 DM).
Allerdings: Genug zum Leben ist das nicht. Ob sie dann ebenfalls wie Alleinerziehende ein Recht auf eltern-unabhängige Sozialhilfe haben, ist bisher nicht geklärt. Wenn die Einkommensgrenze überschritten ist, entfällt das budgetierte Erziehungsgeld komplett. Noch schlimmer: Wer ab dem siebten Monat zu viel verdient, muss Geld zurückzahlen. Dazu kommt: Wenn beide gleichzeitig Teilzeit arbeiten wollen, müssen sie einen Betreuungsplatz für ihr Kind finden, was bekanntlich schwierig ist.
• Künftig sollen Mütter bzw. Väter die unbezahlten zwölf Monate des dreijährigen Erziehungsurlaubs aufsparen und bis zum 8. Lebensjahr des Kindes in kleinen Portionen einlösen können. Doch dieses Recht gilt nur, wenn der Arbeitgeber zustimmt.
3. Von Expertinnen einhellig begrüßt wird die Erhöhung der zulässigen Teilzeitarbeit von bisher 19 auf 30 Wochenstunden - in der Hoffnung, dass Frauen damit den Anschluss an den Beruf besser halten können und sich vielleicht sogar der eine oder andere Vater für diese Form der Arbeitszeitreduzierung interessieren lässt. Aber die Arbeitgeberverbände haben bereits heftig dagegen protestiert.
Ergebnis: Das Recht auf 30-Stunden-Teilzeit im Erziehungsurlaub soll nur in Betrieben ab 15 Beschäftigte gelten. Damit wäre fast jede dritte Frau und jeder fünfte Mann von der Kombination von 30-Stunden-Woche plus Babyurlaub ausgeschlossen.
Aber da war doch noch etwas ... Ach ja, die Väter-Kampagne des Familienministeriums. Damit sollen Väter motiviert werden, Erziehungsurlaub zu nehmen.

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Die Autorin ist heute Fachreferentin für Familienpolitik bei der PDS-Bundestagsfraktion. Sie schrieb zuletzt über das Thema in EMMA 6/97.

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