In der aktuellen EMMA

Evelyn Palla: Traut sich

Evelyn Palla machte als einzige in der DB-Chefetage den Lokführerschein. Foto: Oliver Lang/Deutsche Bahn AG
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So sieht Selbstbewusstsein aus: „Ich bin, wer ich bin. Ich kann, was ich kann.“ Das antwortete Evelyn Palla 2017 auf die Frage nach ihrem Erfolgsrezept. Damals war sie die Finanzchefin der Österreichischen Bahnen (ÖBB) und wurde gemeinsam mit einer Vorstandskollegin von dem Magazin Austrian Business Woman (ABW) befragt. Dennoch war die Berufung der heute 52-Jährigen und Mutter dreier Kinder zur Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG eher eine Überraschung, zumindest außerhalb der Eisenbahn-Welt. Angeblich hatten schon mehrere Alpha-Männer Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder abgesagt, wie rund um den Berliner Reichstag kolportiert wurde. 

Nun muss es also wieder mal eine Frau richten. „Gläserne Klippe“ nennen Wissenschaftler wie der Mannheimer Betriebswirtschaftler Max Reinwald das: Normalerweise liegt die Chance bei fünf Prozent, als Frau in eine Führungssituation berufen zu werden. Ist das Unternehmen in der Krise, steigt die Wahrscheinlichkeit um satte 50 Prozent auf dann 7,6 Prozent. Immerhin.

Und die Deutsche Bahn ist so richtig in der Krise. Die Lage ist desaströs – und zwar in allen Bereichen außer dem, den Palla selbst vorher drei Jahre lang gemanagt hat. Im Regionalverkehr (DB Regio) gelang ihr eine Stabilisierung des Betriebs. Die Bahnen dort sind deutlich pünktlicher als der Fernverkehr. Statt jahrelanger Verluste macht DB Regio seit einiger Zeit auch wieder Gewinne.

Geschafft hat die in Bozen geborene Südtiro­lerin das mit „Wettbewerb, unternehmerischem Denken und flachen Hierarchien (…) dem Palla-Prinzip“, wie die Wirtschaftswoche anerkennend schreibt. Das sei die Blaupause auch für eine erfolgreiche Bahnreform. So hätte Palla den Verantwortlichen vor Ort deutlich mehr Autonomie und Entscheidungsbefugnisse gegeben. Andererseits habe sie wichtige Rahmenbedingungen schnell entschieden und dann auch umgesetzt. Unaufgeregt und stoisch sachbezogen sei die neue Bahn-Chefin. Sie überblicke das System, vor allem aber liege ihr die Bahn „am Herzen“, zitiert die Wirtschaftswoche einen ranghohen Manager. 

Es bereitet ihr Freude, dafür zu sorgen, dass die Bahn „ihre Sache jeden Tag ein bisschen besser“ macht, antwortete Palla schon als ÖBB-Managerin auf die Frage nach ihrem „Business-Highlight“. Nach ihrem Wechsel zur Deutschen Bahn verantwortete sie zuerst die Konzern-Finanzen in der Zentrale. 2022 wurde sie zur Chefin von DB Regio berufen. Nebenberuflich machte sie als einzige in der DB-Chefetage den Lokführerschein. „Ich wollte wissen, wie es sich anfühlt, im Führerstand zu sitzen“, sagte sie der Schwäbischen. Und sie wolle „verstehen, was unsere Mitarbeitenden täglich leisten und was unser Geschäft ausmacht“.

Tatsächlich ist die Motivation vieler bei der Bahn inzwischen auf einem Tiefstand angekommen. Hinzu kommen die ständigen Kämpfe mit den beiden rivalisierenden Gewerkschaften EVG und GDL. Vor allem letztere legt bei Tarifauseinandersetzungen gerne mal tage- und wochenweise den gesamten Bahnverkehr lahm. 

Wie bizarr die Verhältnisse hier oft sind, zeigt auch eine taktische Finte bei der Berufung von Palla im Aufsichtsrat der Bahn. Dort hat der EVG-Vorsitzende Martin Burkert gegen Palla gestimmt, allerdings nur, um den Widerstand der Gewerkschaft gegen Verkehrsminister Schnieder und sein Bahnkonzept auszudrücken. Palla selbst sei „ein großer Gewinn für die Bahn“, sagte Burkert dem Mitteldeutschen Rundfunk: „Sie verkörpert Teamgeist.“ Er sei überzeugt, dass „die Weichen mit ihr richtig gestellt sind“.

Palla wird diesen Vertrauensbonus angesichts der vor ihr liegenden Mammut-Aufgabe gut gebrauchen können. Sie selbst stapelte bei ihrer Vorstellung schon mal bewusst tief: Die Sanierung der Bahn sei ein Marathon, „nichts wird schnell gehen“. Sicherlich ein kluger Schachzug von einer Frau, die künftig im Zentrum der deutschen Aufmerksamkeit stehen wird.   

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