Frankreich: Bald Freierbestrafung?

Die französische Frauenministerin Najat Vallaud-Belkacem bei ihrer Rede vor der Nationalversammlung.
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Die Debatte tobt seit zwei Jahren. Schon im November 2011 beschloss das französische Parlament mit den Stimmen aller Parteien, die „Prostitution abschaffen“ zu wollen. Jetzt machen die Abgeordneten ernst: Heute begann im Parlament die Debatte um einen Gesetzentwurf, der Frankreich diesem Ziel einen großen Schritt näher bringen könnte. Das Gesetz, eingebracht von zwei sozialistischen und einem konservativen Abgeordneten, sieht vor: Die Entkriminalisierung der Prostituierten, die bisher eine Geldbuße von 3.750 Euro zahlen müssen, wenn sie Männer auf der Straße ansprechen. Dafür sollen jetzt die Freier bestraft werden: 1.500 Euro drohen Männern, die Frauen kaufen. Außerdem sollen sie in einer Schulung mit den Folgen der Prostitution konfrontiert werden. „Die Idee ist, das Machtverhältnis umzudrehen“, erklärte Ségolène Neuville, Vizepräsidentin der parlamentarischen Kommission zur Prostitution. „Jetzt kann ein Freier sagen: ‚Wenn du keinen Geschlechtsverkehr ohne Kondom willst, verrate ich dich der Polizei!’ Bald wird er es sein, der gegen das Gesetz verstößt.“

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Denjenigen, die finden, dass Frauen das Recht hätten, ihren Körper zu verkaufen, entgegnete Maud Olivier, sozialistische Abgeordnete und Initiatorin des Gesetzes: „Zu behaupten, dass Frauen das Recht haben, sich zu verkaufen, bedeutet die Tatsache zu verschleiern, dass die Männer das Recht haben, sie zu kaufen.“

Laut einer Erhebung des Innenministeriums kommen 80 Prozent der Prostituierten in Frankreich aus Osteuropa oder den ehemaligen Kolonien in Afrika und Asien. Das Gesetz sieht eine sechsmonatige Aufenthaltgenehmigung und den Anspruch auf eine Umschulung vor.

Zustimmung und Ablehnung des Gesetzentwurfs gehen quer durch die Parteien. „Wir wissen aus Erhebungen, dass jeder dritte Franzose schon einmal bei einer Prostituierten war. Das ist unter den Abgeordneten nicht anders“, erklärt Charles de Courson von der christdemokratischen UDI die heftigen Debatten. Er selbst will am kommenden Mittwoch für das Gesetz stimmen, aus „menschenrechtlichen Gründen“. Die einzige Partei, die nahezu geschlossen gegen den Entwurf stimmen will, sind – die Grünen.

 

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Union & SPD für Freier-Bestrafung

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Die Verurteilung der Menschenhändler soll nicht länger von der Aussage des Opfers abhängig sein. Das war bisher ein großes Problem, da die mit psychischer und physischer Gewalt bedrohten, oft hilflosen Opfer nur in den seltensten Fällen überhaupt wagten, auszusagen. Zudem soll das Aufenthaltsrecht der Opfer verbessert, soll ihnen Betreuung und Beratung zur Verfügung stehen.

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Ganz grundsätzlich will das neue Prostitutionsgesetz die Deregulierung der Reform von 2002 zurückdrehen und "umfassend überarbeiten". Ebenso sollen die "ordnungsbehördlichen Kontrollmöglichkeiten" verbessert werden - was allerdings eher ein Rückschritt wäre. Denn das würde bedeuten, dass die Kontrolle der Bordellbetriebe in Zukunft unter die Zuständigkeit der Ordnungsämter fielen - doch die sind dem (semi)kriminellen Milieu von Menschenhändlern, Zuhältern und Bordellbetreibern alles andere als gewachsen. Zuständig sein müsste die Polizei.

Dennoch ist diese Absichtserklärung der zukünftigen Koalition ein enormer Fortschritt. Zu verdanken ist sie vor allem dem Protest der vergangenen Wochen aus der Bevölkerung, ausgelöst durch den von EMMA lancierten "Appell zur Abschaffung der Prostitution".

Die jetzt verkündeten Maßnahmen sind allerdings nur ein erster Schritt gegen das Elend von hunderttausenden Armuts- und Zwangsprostituierten in Deutschland. Neun von zehn Prostituierten wollen aussteigen - sie sollten das auch in Deutschland endlich tun können!

Einen Wermutstropfen allerdings gibt es bei der geplanten Bestrafung der Freier von Frauen in Zwangslagen. Die gibt zwar das richtige Signal: Nämlich dass Frauenkauf kein Kavaliersdelikt, sondern ein Verstoß gegen die Menschenwürde ist. Doch sie ist nicht mehr als ein symbolisches Signal.

Gerade erklärte die finnische Justizministerin Anna-Maja Henriksson den Bankrott der in Finnland 2006 eingeführten Bestrafung der Freier von Zwangsprostituierten. Denn die "Zwangsprostitution" ist quasi unbeweisbar, weil gerade ihre Opfer oft kein Wort der Landessprache können, hilflos und abhängig sind, bedroht werden. Darum schlägt Henriksson jetzt die Bestrafung aller Freier vor, also ein konsequentes Prostitutionsverbot nach dem schwedischen Modell.

Die französische Frauenministerin Najat Vallaud-Belkacem sieht es ebenso. Ab dem 28. November wird das Parlament das von ihr vorgeschlagene Verbot der Prostitution inklusive der Bestrafung der Freier diskutieren. Denn die Kunden sind es ja, die den Prostitutionsmarkt überhaupt erst schaffen.

Die Prostituierten bleiben bei allen Modellen straffrei. Im Gegenteil: Beratung und Ausstiegshilfen für sie sollen intensiviert werden.

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