Frauen droht dramatische Altersarmut

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Die Zahlen von Ursula von der Leyen waren ein Schock. Wer heute 2.500 Euro im Monat verdient und 35 Jahre in die Rentenkassen einzahlt, bekommt später eine Rente von nur 688,16 Euro. Die Bundesarbeitsministerin wusste genau, was sie tat, als sie diese Tabelle Ende ­August in den Medien lancierte: Sie wollte durch die von ihr ausgelöste Medien-­Debatte den Druck auf die eigene ­Koali­tion so erhöhen, dass Union und FDP nicht anders könnten, als ihrer „Zuschussrente“ zuzustimmen.

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Zwar stieß sie auf Widerstand in der eigenen Partei. Doch nun hat auch die SPD mit der „Solidarrente“ ein Modell für Geringverdiener vorgestellt. Und die Diskussion eskaliert so, dass die Arbeitsministerin ihr Ziel am Ende doch noch erreichen könnte. Wenigstens ein erster Schritt zur Bekämpfung der Altersarmut könnte noch vor der Bundestagswahl 2013 gemacht werden.

Heute wie in Zukunft trifft Altersarmut vor allem Frauen: Bereits 2009 waren zwei von drei der insgesamt rund 400.000 Menschen, die die so genannte ­Grund­sicherung bezogen, Frauen. Die liegt derzeit bei 688 Euro im Monat und zwingt zum Gang zum Sozialamt. Durch die von Rot-Grün 2004 beschlossene ­Renten­reform wird im Jahr 2030 das ­Renten­niveau von derzeit 51 Prozent des Nettolohns auf 43 Prozent sinken – und die Zahl der Frauen, die in die Altersarmut rutschen, explodieren. Denn die Absenkung bedeutet, dass auch NormalverdienerInnen kaum mit der staatlichen Rente über die Runden kommen können, wie von der Leyens Zahlen zeigen. Rot-Grün hat deswegen mit der so genannten Riester-Rente die private Vorsorge und mit den Betriebsrenten die betriebliche Vorsorge ausgebaut. Doch gerade ­Gering­verdienerInnen, Alleinerziehende und Men­schen mit unsteten Erwerbsbiografien nutzen sie kaum. Manche, weil sie einfach kein Geld zum Sparen haben. Andere, weil sie nicht Bescheid darüber wissen. 40 Prozent der Geringverdiener oder rund 1,8 Millionen Beschäftigte haben bislang keine Riester-Rente abgeschlossen.

Dabei werden gerade diese Gruppen vom Staat sehr großzügig gefördert. Eine Alleinerziehende ohne eigenes Einkommen und mit zwei nach 2008 geborenen Kindern braucht nur fünf Euro im Monat in ihre Riester-Rente einzubezahlen, um 754 Euro im Jahr vom Staat geschenkt zu bekommen. Wer 10.000 Euro im Jahr verdient, muss 33 Euro im Monat „riestern“, um 154 Euro für sich und jeweils 300 Euro pro Kind (vor 2008 geborene Kinder 185 Euro) zusätzlich im Jahr zu bekommen. Doch Riester-Verträge haben keinen guten Ruf, weil sie früher sehr kompliziert waren. Zudem kritisieren Verbraucherschützer, dass sie sich kaum lohnen. Auch wird die Riester-Rente auf die Grundsicherung angerechnet.

Ursula von der Leyen möchte nun all jenen den Gang zum Sozialamt ersparen, die heute wenig verdienen und deshalb mit Rentenbeginn unter der Grundsicherung liegen würden. Sie sollen eine „Zuschussrente“ bekommen, müssten dafür aber mindestens 35 Jahre eingezahlt sowie eine Riester-Rente abgeschlossen haben.

Vor allem die jungen Christdemokraten, die FDP und der Wirtschaftsflügel der Union rebellieren dagegen. Während der Wirtschaftsflügel und die FDP vor allem auf mehr private Vorsorge setzen, wollen die jungen Christdemokraten eher zu einem steuerfinanzierten System. Schon heute kommt jeder dritte Euro im System aus Steuermitteln, derzeit rund 80 Milliarden Euro. Damit werden so genannte „versicherungsfremde Leistungen“, vor allem Kindererziehungszeiten, Erwerbsminderungsrenten und anderes bezahlt.

Jetzt schwenkte auch die SPD auf von der Leyens Kurs ein. Wer 40 Jahre Vollzeit arbeitet, soll eine Mindestrente von 850 Euro im Monat bekommen. Diese „Solidarrente“ würde im Moment rund eine Milliarde Euro pro Jahr kosten, Tendenz deutlich steigend. Die SPD rückt von der einst von ihr erfundenen Riester-Rente ab und will Betriebsrenten zusätzlich fördern: Arbeitnehmer sollen zwei Prozent des Bruttolohns sparen und dafür einen pauschalen Zuschuss von 400 Euro im Jahr bekommen. Wahrscheinlich wird die SPD mit diesem Vorschlag in den Bundestagswahlkampf gehen. Will die CDU/CSU keine offene Auseinandersetzung um die Rente, muss sie vorher noch eine Lösung finden.

Womit wir wieder bei Arbeitsministerin Ursula von der Leyen wären: Ihre Chancen steigen damit, dass das Problem der kommenden Altersarmut noch vor der Wahl angepackt wird. Denn wenig emotionalisiert so sehr wie das Rententhema. Und es ist kaum anzunehmen, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel diese Gefahr für ihren Wahlkampf nicht doch noch rechtzeitig aus dem Weg schafft. Dann hat Ursula von der Leyen ihr Ziel doch noch erreicht und erfolgreich gegen Alters­armut gekämpft.

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Nein! zur Armut der Frauen im Alter (1/11)

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