In der aktuellen EMMA

„Viele Männer wollen nur Sex!“

Lilith, 22, und Vivien, 28, beim Gespräch über Sexualität in der EMMA-Redaktion. - Fotos: Bettina Flitner
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Liebe Vivien, liebe Lilith, wie war denn eigentlich euer Einstieg in die Sexualität? Selbstbefriedigung?
Vivien Selbstbefriedigung war für mich gar kein Thema. Ich bin damit aufgewachsen, dass das etwas ist, das Jungs und Männern vorbehalten ist. Mädchen masturbieren nicht, weil das irgendwie eklig und schmutzig ist. Darüber haben wir auch im Freundeskreis nicht gesprochen, das war voll das Tabu. 
Lilith Da kann ich mich anschließen. Masturbation war auch bei uns nie ein Thema. Auch im Sexualkundeunterricht wurde darüber nicht aufgeklärt. Der Schwerpunkt lag auf dem Geschlechtsverkehr. 
Vivien Das erste Mal Sex hatte ich mit Ende 14. Gerade unter uns Mädchen war da ein großer Druck, dass man das schnell hinter sich bringt. In der Schule und im Freundeskreis haben wir viel darüber gesprochen, dass es voll das krasse Ereignis ist, das erste Mal Sex zu haben. 
Lilith Ja, Sex war in der Schule ein großes Thema. Ich war auf einer internationalen Schule und da habe ich beide ­Extreme erlebt: Wir hatten Muslime und Mormonen in der Klasse, für die Sex vor der Ehe gar nicht in Frage kam. Und auf der anderen Seite 14-Jährige, die einen sozialen Druck ausgeübt haben, dass man früh Sex haben soll. Ich muss aber sagen: Trotz dieses Drucks bin ich sehr standhaft geblieben. Ich wollte in diesem Druck nicht unter­gehen. Mein erstes Mal hatte ich mit 18.

Sind eure Eltern beim Thema Sexualität eher aufgeschlossen oder eher konservativ?
Vivien Meine Eltern haben sich getrennt, als ich drei war. Ich bin als Einzelkind bei meiner Mama aufgewachsen. Und die war eigentlich sehr, sehr offen. Sie hat mich aufgeklärt und ist auch sehr frei mit Nacktheit umgegangen. Meine Mama ist heute 63, die ist in der zweiten Welle der Frauenbewegung groß geworden. Aber ich war so stark beeinflusst durch meine Mitschülerinnen, dass meine Mutter keinen großen Einfluss auf mein sexuelles Verhalten hatte. 
Lilith Ich bin von zu Hause her sehr feministisch geprägt. Meine Eltern, vor allem meine Mutter, hat mich aufgeklärt und mir immer gesagt: Lass dich nicht drängen! Wenn dir unwohl ist bei etwas, dann sag Nein. Und: Nein heißt Nein! Meine Mutter hat mir und meiner älteren Schwester immer gesagt: Ihr seid euer eigener Chef! Ihr müsst niemandem gehorchen, weder Gleichaltrigen noch Erwachsenen. Wenn ihr euch bei irgendwas unwohl fühlt, dann hört auf euer Bauchgefühl! 

Und du, Vivien?
Vivien Ich habe über meine Erfahrungen mit niemandem gesprochen, auch mit Freundinnen nicht. Und mit meiner Mutter hätte ich schon gar nicht drüber geredet, weil es mir damals einfach peinlich war. Ich habe ihr nicht erzählt, dass ich schon Sex hatte. Ich hatte ihr noch nicht mal erzählt, dass ich meine Tage bekommen habe. Ich war da so gefangen. 

Wie war denn euer erstes Mal?
Lilith Mir war es sehr wichtig, keinen unverhüteten Sex zu haben. Weil ich niedrigen Blutdruck habe, durfte ich die Pille nicht nehmen und habe mit 18 eine Spirale eingesetzt bekommen. Es war aber nicht so, dass ich dachte: Sobald ich die jetzt drin habe, muss sofort irgendwas passieren! Aber ich hatte dann einen Freund und mit dem lief das alles sehr langsam und auch sehr liebevoll. Wir kannten uns schon vorher freundschaftlich und daraus ist dann mehr geworden. Die Beziehung hielt acht Monate, dann sind wir wegen des Stu­diums auseinandergezogen und das war dann auch eine beidseitige Trennung.
Vivien Bei meinem ersten Freund war es noch nicht so, aber bei meinem zweiten Freund habe ich mich sehr angepasst an das, was er wollte. Er hat mir immer reingedrückt, dass ich ja nicht prüde zu sein habe, dass ich alles mitmachen muss. Es war jetzt nichts doll Gewaltvolles. Also leichte Schläge und Würgen. Aber das war noch im Rahmen. Vergewaltigung war auch ein Thema. 

Er hat Sex von dir erzwungen?
Vivien Ja. Ich habe gesagt: Ich möchte das nicht und habe geweint. Und er hat trotzdem weitergemacht. Ich wollte keine Penetration und die hat er trotzdem durchgezogen. Es war eine sehr toxische Beziehung, die über ungefähr zwei, drei Jahre ging, bis ich 17 war. 

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Wie alt war dein Freund?
Vivien Ein Jahr älter.

Du machst ja einen selbstbewussten Eindruck. Wie bist du denn in so eine Beziehung reingerutscht?
Vivien Ich hatte in dem Alter einfach überhaupt kein Selbstbewusstsein. Ich hatte auch lange Zeit eine schwere Essstörung. Und ich habe mich immer irgendwie nach männlicher Bestätigung gesehnt. 

War das für dich trotzdem auch manchmal lustvoll?
Vivien Ja, ich hatte schon auch Spaß an Sexualität. Das Problem mit meinem Freund war eher, dass er gekränkt war, wenn ich nicht gekommen bin. Das hat mir dann Druck gemacht.  

Hast du dann simuliert, um keinen Ärger zu kriegen?
Vivien Nein, das hab ich nie gemacht. Da war ich stur (lacht).

Wie ging es dann nach der Trennung weiter?
Vivien Er hatte mich schlecht behandelt und ich dachte: Wenn er mich betrügt und mit anderen Frauen schläft, kann ich das schon lange. Rückblickend habe ich da ein selbstschädigendes Verhalten entwickelt und mich zur Bestätigung viel auf Männer eingelassen. Ich war dann auch vier Jahre im Escort tätig.

Wie bitte? Du bist also eine dieser „geilen Studentinnen“, die uns die Medien immer vorführen, die sich total locker im Escort was zum Studium dazu verdienen und sagen: Wo ist das Problem?

Was Vivien und Lilith noch zu sagen haben - in der neuen EMMA!

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