Islamisten in Europa: Connected!

Von li: Der heute in Katar lebende ägyptische Muslimbruder Al-Qaradawi; Louza, die Frau des Emirs von Katar und Tariq Ramadan.
Artikel teilen

Die Angst vor islamistisch motivierten Terroranschlägen ist groß. Aber die eigentliche Gefahr wird wenig beachtet: Das sind die Organisationen, Moscheen und Geldgeber, die den Nährboden bereiten zur Radikalisierung der zumeist jungen Muslime. Weder die Staaten noch die Rüstungsindustrie wollen wahrnehmen, wo die wahren Drahtzieher sitzen: nämlich in Saudi-Arabien. Das Öl-Land hat das Ziel, mit seiner ultraorthodoxen Auslegung des Islam die ganze Welt zu beglücken.

Anzeige

Begonnen hatte der unheilbringende Siegeszug des so genannten „Wahhabismus“ schon vor über 200 Jahren. Damals verkündete der islamische Gelehrte Muhammad ibn ’Abd al-Wahhab die „reine“ Lehre der dritten und bislang letzten mono­theistischen Religion; eine Lehre, die sich streng an Koran und Sunna orientiert. Die Sunna sind Überlieferungen und nach dem Koran die zweite Quelle der islamischen Rechtsprechung. Die Orientierung an der Sunna bedeutet also nichts anderes als die wortgetreue Umsetzung der Ver- und Gebote sowie drakonische Strafen bei Zuwiderhandlung derselben. Eine Praxis, die auf der arabischen Halbinsel Staatsdoktrin ist.

Heutzutage verfügen die Saudis – neben systemimmanenten Organisationen wie der so genannten Islamischen Weltliga und deren über 20 Unter-Organisationen – über zahllose Häscher und Verführer weltweit: die Salafisten (abgeleitet vom arabischen „salaf“ = die Altvorderen). Die Salafisten, darunter auffallend viele KonvertitInnen, sind auch im ganzen deutschsprachigen Raum aktiv. Sie verteilen bei ihrer Aktion „Lies!“ auf der Straße ihre Version des Korans, von der Islamischen Weltliga gratis geliefert. Sie formieren private Religionswächtertrupps, wie die so genannte „Scharia-Polizei“, und versuchen, über islamistische Imame in Moscheen junge Menschen für ihre Zwecke zu gewinnen.

Familiäre und soziale Missstände sowie die Perspektivenlosigkeit unter den Jugendlichen, besonders im islamischen Milieu, leisten dem Treiben der Salafisten Vorschub. Zwar sind die Verhältnisse in Deutschland und der Schweiz nicht wirklich vergleichbar mit denjenigen in den französischen Banlieues und den belgischen oder englischen sozialen Brennpunkten, aber die Agitation greift dennoch. Es ist auch bei uns fünf vor zwölf.

Die Triebfeder hinter diesem missionarischen Aktionismus ist die Islamische Weltliga. Sie wurde 1962 von islamischen Gelehrten aus 22 Ländern gegründet, heute gehören ihr 57 Staaten an, darunter auch die Türkei und Kosovo, ihr Sitz ist in Mekka. Die Islamische Weltliga versteht sich als religiöse Schutzpatronin aller Muslime auf der Welt und wird unter anderem vom Königreich Saudi-Arabien finanziert. Es gibt Schätzungen, wonach allein die Saudis seit Mitte der 1970er-Jahre 90 Milliarden (!) US-Dollar in die Organisation eingeschossen haben.

Im Laufe der Zeit bildete die Liga diverse Ableger, so die „Internationale Islamische Hilfsorganisation“, die nicht nur von den Vereinten Nationen und den USA der Unterstützung des Terrorismus verdächtigt wird. Ihr werden Verbindungen zu den Terror-Gruppen Al-Qaida und Abu Sayyaf nachgesagt. Saudi-Arabien ist also tief in Aktivitäten verstrickt, die den terroristischen Islamismus fördern – und dies, ohne bis heute auch nur den geringsten Widerspruch oder gar Sanktionen durch den Westen befürchten zu müssen. Der Ölhandel mit dem Königshaus lässt den Westen beide Augen zudrücken.

Eine in mehreren islamischen Ländern operierende Unter-Organisation der Liga ist der Madschlis asch-Schura, die Ratsversammlung nach islamischem Recht. Ihre 150 Mitglieder werden vom saudischen König persönlich ausgewählt und ernannt. Der Madschlis asch-Schura hat seinen Sitz in der saudischen Hauptstadt Riad und wird von einem Nachkommen al-Wahhabs geleitet. Dem Rat wiederum gehören Gruppierungen an, die sich als Netzwerk über ganz Europa ziehen. Sie sind bestrebt, über die Moscheen Einfluss auf die Muslime in Europa zu gewinnen. Was ihnen bisher leider auch recht gut gelungen ist.

Eine solche Gruppierung ist zum Beispiel die „European Organization of islamic Centers“ (EOIC), die sich im Juli 2015 in Petit-Lancy, einer kleinen Gemeinde im Kanton Genf in der Schweiz niedergelassen hat. Ihr gehören etliche Leiter von saudischen Zentren in Europa an. Diese Unter-Unter-Organisation der Islamischen Weltliga finanziert den Bau von Moscheen und „islamischen Kulturzentren“ in ganz Europa.  

Bei diesen so genannten Kulturzentren handelt es sich einzig und allein um saudische oder katarische Propagandazentren – unter dem Deckmantel, Toleranz und Frieden zwischen den Religionen stiften zu wollen. Tatsächlich dienen diese Zentren ausschließlich dem Zweck, die Radikalisierung junger Muslime voranzutreiben.

Ein direkter Arm der Türkei ist die der Religionsbehörde in Ankara unterstellte Ditib. Ihre Imame kommen direkt aus der Türkei, oft sprechen sie kaum Deutsch. Wer die Wahrheit über die Ditib hätte wissen wollen, hätte das schon seit Jahren gekonnt. Aber erst jetzt, nach dem „Gegen-Putsch“ von Erdoğan, wurde der Skandal öffentlich: Es kam heraus, dass manche Ditib-Funktionäre und Imame in Deutschland Erdoğan-Gegner bespitzeln, allen voran solche, die im Verdacht stehen, Gülen-Anhänger zu sein. Und dass sie diese Informationen fleißig nach Ankara lieferten.

Das war dann selbst dem toleranten deutschen Staat zu viel. Nicht aber dem Bundesland Nordrhein-Westfalen, einer Hochburg rückständiger Islam-Verbände. Obwohl sogar Die Linke forderte, die Zusammenarbeit mit Ditib zu stoppen, bleibt für das rotgrün regierte NRW die Ditib bis auf weiteres der „Partner“ in ­politischen und religiösen Fragen.

Das Schweizer Pendant zur deutschen Ditib ist die Diyanet, die ebenso abhängig ist vom „Präsidium für Religionsangelegenheiten“ in der Türkei. Die Organisa­tion beschäftigt allein in der Türkei rund 100.000 Beamte mit einem Jahres­etat von einer Milliarde Euro. Der Präsident von Diyanet, Mehmet Görmez, repräsentiert die Türkei innerhalb der Islamischen Weltliga.

Im April 2016 machte Diyanet gemäß dem Stern Schlagzeilen wegen eines Comics, der Kindern den Märtyrertod schmackhaft machen wollte. Im Januar 2016 erließ die Religionsbehörde eine Fatwa, ein islamisches Rechtsgutachten, in dem stand, dass es „hinnehmbar“ sei, „wenn ein Vater seine Tochter ansieht und dabei Lust empfindet oder das Kind mit Wollust küsst“ – einzige Bedingung: Das Mädchen darf nicht jünger als neun Jahre sein.

Und was tut die Politik? Auf Nachfrage erklärte der Schweizer Bundesrat, dass er „derzeit nicht beabsichtigt, die Finanzierung von Moscheen durch ausländische Staaten zum allgemeinen Thema in den bilateralen oder multilateralen Beziehungen zu machen“. So ein Persilschein für Diyanet und deren Machenschaften trägt mit Sicherheit nicht gerade dazu bei, den Hass-Predigern und ihren Hintermännern beizukommen, im Gegenteil: Die lachen sich ins Fäustchen über die unsägliche Naivität, die nicht nur die Schweizer Landesregierung an den Tag legt.

In Deutschland unterstehen der Ditib 900 Moscheen, in der Schweiz sind es 50 Diyanet Moscheen, im kleinen Belgien 65 Moscheen.

In Deutschland werden auch rechtsna­tionalistische Gruppierungen wie der „Verband der türkischen Kulturvereine in Europa“ geduldet, obwohl ihm die extreme Gruppierung „Graue Wölfe“ entstammt. Sie alle sind in dem Dachverband „Zentralrat der Muslime in Deutschland“ vertreten, der der Ansprechpartner für Politik und Gesellschaft in Deutschland ist.

Zwar hat die deutsche Bundesanwaltschaft in der Zwischenzeit Ermittlungen gegen Ditib aufgenommen, da der Verband der Spionage verdächtigt wird. Ditib-Imame sollen Anhänger des türkischen „Staatsfeindes“ Fetullah Gülen ausgespäht und über türkische Konsulate Informationen nach Ankara weitergeleitet haben. Gleichzeitig steht Ditib im Verdacht, auf Anordnung wiederum von türkischen Konsulaten Erdoğan-Kritiker zu melden. Der Koordinator aller Ditib-Landesverbände in Deutschland ist Murat Kayman. Er hat den Freiburger Islamtheologen Abdel-­Hakim Ourghi der „Abtrünnigkeit des Islam“ bezichtigt, weil dieser den Fundamentalismus kritisiert. Sowas kann gefährlich werden für den Gebrandmarkten.

Eine weitere, nicht eben kleine Gefahr droht, ebenfalls von der Türkei aus gesteuert, von der islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG), die vom deutschen Verfassungsschutz islamistischer Tendenzen bezichtigt wird. Es ist offensichtlich, dass Milli Görüs schon lange im Begriff ist, überall in Europa Moscheen zu errichten, in denen ein Islam gepredigt wird, der mit demokratischen Grundsätzen, ergo dem Rechtsstaat und dessen zivilisatorischen Errungenschaften, unvereinbar ist.

Schützenhilfe erhalten solche Prediger und Organisationen dabei von dem bekannten und in wissenschaftlichen Kreisen renommierten Islamwissenschaftler Tariq Ramadan. Er ist der Sohn von Said Ramadan, ein Schwiegersohn des Gründers der Muslimbruderschaft Hassan Al-Banna. Said Ramadan selber gründete in Genf das erste islamische Zentrum der Schweiz mit einer Moschee, in der Imame wie Yussuf Ibram, heute Imam in Zürich, predigten. Ibram ist Mitglied des „Europäischen Rats für Fatwas und Forschung“ in Dublin. Jener Rat wird präsidiert von dem Muslimbruder Al-Qaradawi und fordert von den europäischen Muslimen, „streng nach der Scharia zu leben“. Zuwiderhandlungen können dem „Sünder“ als Atheismus oder gar Apostasie (Abfall vom Glauben) ausgelegt werden – was in der islamischen Rechtsprechung einem Todes­urteil gleichkommt.

Tariq Ramadan, nebenbei auch Mitglied der „International Union of Moslem Scholars“ (eine Unterorganisation der Islamischen Weltliga, die u. a. den türkischen Präsidenten Erdoğan vehement unterstützt), unterhält beste Beziehungen sowohl zu dem ägyptischen Muslimbruder Al-Qaradawi, der heute in Katar lebt, wie auch zu Hafiz Safvet Halilovic, bosnischer Islam-Gelehrter und Mitglied der „International Union of Moslem Scholars“. Bosnien ist ein weiteres, drastisches Beispiel für die Unterwanderung der Gesellschaft durch wahabitische Muslime.

Die Politik der Duckmäuserei in Europa spielt den Saudis in die Hände. Die fahren zweigleisig, indem sie einerseits die Ausdehnung des politischen Islam Hand in Hand mit den Muslimbrüdern fördern und andererseits Geschäfte mit dem Westen im Öl- und Waffenhandel machen. Genau denselben Kurs fahren die westlichen Länder, bloß mit dem Unterschied, dass sie umgekehrt Erdöl beziehen und Waffen liefern.

Solange diese Doppelmoral vorherrscht, wird im Kampf gegen den politisierten und terroristischen Islam nur Kosmetik betrieben. Völlig unbehelligt ziehen seit Jahren die meist in Saudi-Arabien ausgebildeten Hassprediger von einer Moschee zur anderen und von einem Land zum anderen: von der Schweiz und Österreich über Deutschland bis nach Skandinavien. Und die Salafisten verbreiten weiter ihre menschenverachtende Auslegung des Islam, finanziert mit Milliarden Petro-Dollars.

SaÏda Keller-Messahli

Artikel teilen
 
Zur Startseite