Jaafar Karim: Talk in Arabien

Foto: Deutsche Welle
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Ob es auch telefonisch ginge, fragt Jaafar Abdul Karim. Nein, habe ich geantwortet, ich möchte ihn ja auch beschreiben können. Ob ich dann zu ihm an seinen Arbeitsplatz kommen könne? Na klar.

An einem eiskalten Wintertag sitzen wir also in der Cafeteria der Deutschen Welle, deren Scheibe auf Straßenebene zur großen, hässlichen Voltastraße rausgeht. Im Hintergrund zischt die Espressomaschine, Jaafar bestellt „Kamillentee, aber ohne Honig“. Schwarze Haare, Koteletten, weißes Hemd und beige Hosen, leger. Er lehnt sich beim Sprechen entweder sehr weit vor oder sehr weit zurück. Wenn ihm etwas wichtig ist, klopft er mit Nachdruck auf den Tisch.

In den arabischen Ländern kennen ihn Millionen Menschen, vor allem junge Frauen und Männer. In Deutschland ist Jaafar, der Moderator von „Shababtalk“, im November 2017 über Nacht bekannt geworden: mit einer Sendung in Jordanien. Eine junge Frau, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, sprach in seiner Sendung im Sog der #MeToo-Debatte offen über sexuelle Belästigung, die sie erlitten hatte. Ein alter Mann im Studio, ein Ex-Abgeordneter, reagierte heftig, fiel ihr ins Wort und versuchte sogar, sie zum Schweigen zu bringen.

Moderator Jaafar griff ein und beschied den Mann, die Frau habe ebenso das Recht zu reden wie er. Eine Selbstverständlichkeit. Hierzulande. Im arabischen Raum jedoch ein Skandal. Jaafar wurde prompt vom Medium ­Magazin zum „Journalist des Jahres“ in der Kategorie Reporter national gekürt. Seine Sendung war bereits im Frühjahr als „beste arabische Talkshow des Jahres 2017“ ausgezeichnet worden.

Jaafar ist ein Mensch, der sichtbar für seine Themen brennt. Heute: Frauenrechte. Er ist Moderator bei der Deutschen Welle. „Shabab“ bedeutet „Jugend“ auf Arabisch.

Man könnte jetzt sagen: Shababtalk ist eine Talkshow und das wäre auch richtig, aber Shababtalk ist noch viel mehr. Jaafar hat Millionen ZuschauerInnen im arabischen Raum und in den arabischen Communities in Europa, die in Deutschland beständig wachsen.

Bei der Deutschen Welle bringt er auch Themen zur Sprache, über die in den meisten arabischen Ländern und Gemeinschaften öffentlich sonst kaum gesprochen werden kann: Frauenrechte, Homosexualität, Religionsfreiheit oder Meinungsfreiheit. Es saßen schon Transsexuelle bei Jaafar in der Sendung, Geschiedene, eine Atheistin.

Aber wer ist Jaafar Abdul Karim? Er ist im Libanon geboren und früh mit seiner Familie nach Liberia an der afrikanischen Westküste gezogen. Es müssen recht privilegierte Verhältnisse gewesen sein, in die er hineingeboren wurde. Später zog die Familie in die Schweiz. Schließlich kam der Sohn nach Deutschland, hat Medieninformatik und Kommunikationswissenschaften studiert und in Berlin noch einen Master in „Leadership and Communication“ gemacht. Bei der Deutschen Welle ist Jaafar zunächst als „Krisenreporter“ in den arabischen Ländern gestartet. Der so genannte „arabische Frühling“ wurde 2011 die Geburtsstunde von Shababtalk, eine Plattform für die arabische Jugend. Jaafar sagt: „Man vergisst, dass diese jungen Leute denken und mitgestalten wollen.“

Jaafar in Berlin zu erwischen, ist gar nicht so einfach. Er ist ständig unterwegs, allein im vergangenen Jahr war er für seine Sendung im Irak und Sudan, in Jordanien und Ägypten und in Mauretanien. Die Sendungen werden meist vor Ort aufgenommen. Jaafar verbringt mit seinem Team etwa drei bis vier Tage vor Ort, trifft dort Menschen, um sich ein Bild für das jeweilige Sendungsthema zu machen.

Im Sudan ging es um Genitalverstümmelung. In Jordanien kam es dann im November 2017 zu dem Eklat, über den sogar in Europa berichtet wurde, Thema: sexuelle Belästigung, und das unzensiert. Junge Leute, sagt Jaafar, hätten zu ihm gesagt: „Ihr diskutiert in der Sendung, wie wir ohne Kamera diskutieren würden. Plötzlich sehe ich also meine Meinung, von der ich nicht sicher bin, ob ich persönlich sie sagen darf, im Fernsehen.“

Es gehe ihm immer darum, alle zu Wort kommen zu lassen; er wolle die Themen nicht einseitig beleuchten, sondern sie offen diskutieren, sagt Jaafar. Aber allein schon das, sagt er, sei unerhört: „Zum Beispiel zu sagen: Ja, die Frau hat genau das gleiche Recht zu reden wie du auch.“ Einen Mann zu erleben, der sich dafür einsetzt, dass Frauen genau das gleiche Recht haben zu sprechen wie Männer, das sei selten im arabischen Raum. Und mit Frauen will er nicht nur „über Frauenthemen sprechen, sondern über alle Themen“.

Man müsse, was die Menschen- und somit auch die Frauenrechte anbelange, unterscheiden, betont er, zwischen der gesetzlichen Ebene in dem jeweiligen Land – hier pocht Jaafar mit Nachdruck auf den Tisch –, der gesellschaftlichen Ebene und dem individuellen Wunsch der Frau nach ihrer persönlichen Selbstverwirklichung. Man kann sich vorstellen, wie Jaafars Sendung die Herzen aufbricht.

Und Jaafar sagt: „Natürlich hilft es, wenn sie sehen: ein Mann wie ich unterstützt Frauenrechte – aber dadurch ist er nicht weniger Mann. Natürlich nennen mich auch viele ‚Weichei‘. Und du antwortest: Eine Frau kann meine Chefin sein, das ist doch cool, what-ever!“
Ich verlasse warmen Herzens die coole Cafeteria.

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