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Liza Kos: Spielt zu dritt

© Mike Wahrlich
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Wenn Liza Kos allein auf der Bühne steht, ist sie eigentlich zu dritt. „Ich bin Liza Kos, ich bin Comedian und in meinem Kopf leben drei Frauen: eine Deutsche, eine Russin und eine Türkin“, begrüßt sie ihr Publikum. Da ist also Liza, die witzige Lieder zur Gitarre singt; da ist die platinblonde Svetlana mit schwärem russischem Akzänt und noch schwäreren Mundwinkeln; und da ist Aynur mit Kopftuch auf dem Weg zur Emanzipation, wallah!

Liza Kos hat sich zu diesem ungewöhnlichen Dreier selbst eine Diagnose gestellt: Es handelt sich um eine „integrationsbedingte multikultiple Persönlichkeitsstörung“. Denn Svetlana und Aynur sind nicht irgendwelche Kunstfiguren, sondern Liza Kos’ Leben. Und dieses Leben hat es in sich. 

Liza Kos wird 1981 als Elizaveta Kostyuk in Moskau geboren. Die Mutter: Physiklehrerin, der Vater: Musiker. Soweit das sowjetunionkonforme Klischee. Aber: Die Eltern haben sich in einer freikirchlichen Gemeinde kennengelernt, sind streng religiös. Damit eckt man an in der atheistischen Sowjetunion. Die ganze Familie ist sehr musikalisch, aber Liza ist die Beste. „Mein Vater hat mich mit sechs in die Musikschule gebracht und mit 14 wieder abgeholt.“ Auf der Bühne ist das ein Lacher, im wahren Leben war es nicht immer lustig. „Warum muss ich so viel Querflöte üben?“, fragt die Tochter den Vater. „Weil du die Musik fühlst“, antwortet der. Das begabte und sehr gläubige Mädchen wird zur Eigenbrötlerin. „Ich habe viel allein gespielt und mir selbst lesen beigebracht“, erzählt Liza Kos im Zoom-Gespräch. Und: „Mir wurden Widersprüche in die Wiege gelegt.“ 

Zum Beispiel: Die Mutter nimmt gern die Bohrmaschine zur Hand, trägt in der Kirche aber zwingend einen Rock. Der Vater ist „ein sehr sensibler, emotionaler Mensch, der aber meinte, das Familienoberhaupt spielen zu müssen.“ Als Liza 15 ist, geht die Familie nach Deutschland. Nach der Flüchtlings­unterkunft in Unna-Maaßen landen die Kostyuks schließlich in Aachen. Die Jugendliche ist einerseits fasziniert, auch von den vielen Nationalitäten im Flüchtlingsheim. Aber da ist auch die „Entwurzelung, durch die ich noch religiöser geworden bin“. 

Lizas erster deutscher Freund heißt Ahmed. Sie konvertiert zum Islam, trägt Kopftuch, wird schwanger, das volle Programm. „Ich habe so sehr nach Struktur gesucht. Und ich bin echt froh, dass mich in der Zeit kein Dschihadist angeworben hat!“ Drei Jahre geht das so, dann brechen die Widersprüche durch. „Ich bin nun mal auch unheimlich gerne frei!“

Jetzt wird aus der streng religiösen Konvertitin eine alleinerziehende Mutter im Aachener Karnevalsverein. Dort entdeckt sie ein Comedian. Ihre ersten Songs, die sie 2011 unter dem Namen „Lisusha“ vorstellt, sind melancholisch, aber das ändert sich schnell. 2015 hat ihr erstes Comedy-Programm Premiere. Titel: „Was glaub ich, wer ich bin?“ 

Das geht dann so: „Warum habe ich Türkisch gelernt? Als mein Sohn 14 wurde, hab ich gedacht: Es wird Zeit, dass wir mal reden.“ Die obligatorisch mies gelaunte Svetlana, die inzwischen „auf Insto-gram und Ticktack“ zum Internet-Star avanciert ist, auch als „Motivationscoach“, ist konstant auf lukrativer Männerjagd oder, wie sie es ausdrückt, „auf der Suche nach der zukünftigen unterhaltspflichtigen Person“. Denn: „Ich bin eine sähr emanzipierte Frau. Ich kann immer selber bezahlen – aber doch nicht mit meine Gäld!“ Das „Wischiwaschi“ mit der so modischen „Diversität“ ist Svetlana deshalb fremd. 

Als der Ukraine-Krieg ausbrach, verschwammen ebenfalls Grenzen. Die gebürtige Russin, die seit einem Vierteljahrhundert in Deutschland lebt, wird von Auftritten ausgeladen. Ihre Kunstfigur Svetlana wird im Internet angepöbelt: „Geh nach Hause!“ Die reale Liza Kos antwortet: „Sie ist schon zu Hause.“

Liza Kos’ Zuhause ist mittlerweile in Hanau, wo sie seit sieben Jahren „in guten Händen ist“ (Angebote an Svetlana: aussichtslos!). Dort arbeitet die Comedian auch als Sprachtrainerin. „Ich möchte Brücken bauen statt Mauern. Deshalb kämpfe ich nicht gegen Rassismus, sondern für Verbundenheit.“ Oder um es mit Svetlana auf Ticktack zu sagen: „Challo, hier spricht Svetlana, Motivationscoach. Heute sprechen wir über Selbstliebe. Wenn du dich selbst nicht liebst – Pech. Tschuss.“

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