In der aktuellen EMMA

Jörg Kuebart: gegen Sexkauf

© Andrea Fabry
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Ein Förster braucht Geduld, denn Bäume wachsen bekanntlich ziemlich langsam. Dass Jörg Kuebart 24 Jahre lang Förster war, kommt ihm nun zugute, denn das, wofür der 71-Jährige kämpft, ist auch nicht von heute auf morgen zu erreichen: eine Welt ohne Prostitution. 

„Schweden hat ja auch einen langen Weg hinter sich“, weiß Kuebart. 1999 hatte das Land Prostitution zum Verstoß gegen die Menschenwürde erklärt und die Bestrafung der Freier eingeführt. Ein Vierteljahrhundert später „ist dort eine ganz andere Kultur gewachsen. Für Jugendliche gibt’s das gar nicht, dass man eine Frau kaufen kann!“ Der Mann aus dem Schwarzwald findet das „begeischternd“. 

Jörg Kuebart weiß, dass auf dem Weg dorthin eine Gruppe eine Schlüsselrolle spielt: die Männer. Deshalb engagiert er sich bei den „Zéromachos“. Die Nullmachos wurden 2011 in Frankreich gegründet und lancierten ein Manifest: „Lasst uns zusammen eine Welt aufbauen, in der niemand auf die Idee kommt, sich den Zugang zum Körper eines anderen zu erkaufen und in der Sexualität weder mit Geld noch mit Gewalt verbunden ist!“ Es wurde bisher von 4.218 Männern aus 72 Ländern unterzeichnet, darunter 400 deutschen. Einer davon ist Jörg Kuebart. 

Seit drei Jahren ist er Vorsitzender des deutschen Ablegers der „Zéromachos“. Seitdem ist die Gruppe, die seit ihrer Gründung 2014 immer wieder schwächelte, äußerst aktiv. Die deutschen Anti-Machos luden den schwedischen Polizisten Simon Häggström zu einer Lesung nach Stuttgart ein und liefen mit beim „Walk for Freedom“ am Europäischen Tag gegen Menschenhandel. Sie schrieben eine kritische Stellungnahme zu der „unsäglichen“, weil überhaupt nicht repräsentativen Evaluation des Prostituiertenschutzgesetzes und einen Brief an Bundestagspräsidentin Julia Klöckner. Deutschland möge doch bitte dem Beispiel Spaniens folgen und den Bundestagsabgeordneten den Frauenkauf untersagen: „Wenn Sie das Tabu brechen und klarstellen, dass Prostitution und die damit verbundene Ausbeutung keinen Platz im Umfeld des Bundestages haben, wäre das ein starkes Signal!“

Aber auch das Private ist politisch: Wer bei Jörg Kuebart zu Besuch ist, muss damit rechnen, dass beim Essen über Prostitution gesprochen wird: „Das ist quasi unumgänglich.“ Das liegt nicht nur am „Zéromacho“-Chef, sondern auch an seiner Frau Gunda Rosenauer. Die Psychologie-Professorin ist langjähriges Mitglied der „Sisters“ und hatte ihren Mann als „Brother“ geworben. Der befand, dass er mehr tun könne und müsse, gerade als Mann. „Es macht einen Unterschied, ob ein Mann um die Ecke kommt und anderen Männern sagt: Prostitution geht nicht!“ Vor allem, wenn dieser Mann Förster ist und mit seiner kräftigen Statur und seinem Vollbart auch so aussieht, im Klartext: Wenn er nicht unter Weichei-Verdacht steht. Und wenn er gleichzeitig einen sensiblen Blick für die Unterdrückung von Frauen hat. 

Jörg Kuebart hat erlebt, wie seine Mutter „ihre ganzen Träume begraben musste“. Die „sehr kluge“ Frau musste ihr Pharmazie-Studium abbrechen, als sich die Eltern trennten, als Sohn Jörg 14 war. Sie zog die drei Kinder allein auf, war „sehr zuverlässig und später sehr unglücklich“. Sohn Jörg heiratete mit 26 seine erste Frau, bekam vier Kinder mit ihr und weiß im Nachhinein, dass die Ehe auch deshalb scheiterte, „weil ich total verschlossen war“. Mit Psychologin Gunda hat er eine „Gesprächsausbildung“ gemacht und gibt mit ihr gemeinsam Seminare für Paare. Wenn er hört, dass Männer angeblich ins Bordell gehen müssen, weil in ihrer Beziehung sexuell nichts mehr läuft, sagt er: „Das isch Beziehungsarbeit.“ 

Und er findet: Es geht voran. Dass die CDU sich für das „Nordische Modell“ ausgesprochen hat, ist ein echter Schritt nach vorne, findet Kuebart, „das spornt mich ein bissl an“. Denn bei aller förster­lichen Geduld: „Ich hoffe schon, dass ich es noch erlebe, dass auch in Deutschland die Freierbestrafung eingeführt wird.“

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