„Wir brauchen mehr Sanktionen!“
Wir haben vor acht Jahren zum ersten Mal über eure Aufklärungsarbeit in Flüchtlingsheimen berichtet. Wie ist es seither weitergegangen?
Nina Coenen Wenn wir vor zehn Jahren gesagt haben, dass wir vorbereitet sein müssen auf die Verletzung von Frauenrechten und Antisemitismus durch Flüchtlinge und eine höhere Akzeptanz von Gewalt, wurden wir nicht ernstgenommen. Jetzt kann man die Missstände nicht mehr leugnen. Es gibt kein arabisches Land, in dem Frauen und Kinder zuverlässig vor häuslicher Gewalt geschützt sind. Es gibt kein arabisches Land, in dem Nicht-Muslime Muslimen rechtlich gleichgestellt sind. Und jetzt haben wir Antisemitismus auf den Straßen und ich erlebe keinen Juden mehr, der noch mit Kippa durch Berlin geht. Der Judenhass hat so Überhand genommen, dass die Juden sich anpassen müssen und nicht umgekehrt. Und wir haben dramatisch viele Fälle von Gewalt und Missachtung von Frauenrechten erlebt, sei es in unserem Umfeld oder in den Medien. Das kann man nicht mehr abstreiten.
Was wäre zu tun?
Nina Wir haben allein im vergangenen Jahr mit unseren Aufklärungsprojekten rund 40 Veranstaltungen in Flüchtlingsunterkünften und 60 an Schulen abgehalten, davon viele Brennpunktschulen, und wir kommen immer zum gleichen Schluss: Es fehlen Sanktionen. Ich sage immer: Wir sind wie Fahrlehrer. Wir erklären, nach welchen Regeln man in Deutschland Auto fährt. Aber im Straßenverkehr gibt es einen Bußgeldkatalog, Punkte in Flensburg und den Entzug des Führerscheins. Aber wenn Geflüchtete gegen unsere Regeln verstoßen, hat das zu wenig Konsequenzen. Wir haben von Anfang an Sanktionen eingefordert. Wenn jemand zum Beispiel die Gleichberechtigung von Frauen nicht anerkennt, muss man sagen: Dann musst du die Unterkunft verlassen, die Schule und schlimmstenfalls auch das Land. Dann hast du in dieser Gesellschaft keinen Platz. Und am Anfang sind die Menschen, mit denen wir gearbeitet haben, auch davon ausgegangen, dass das in Deutschland so ist. Am Anfang waren sie deshalb auch sehr motiviert. Sie hatten alle keinen sicheren Aufenthaltstitel und sagten uns: „Wir wollen beweisen, dass unser Platz in Deutschland ist! Wir wollen was beitragen. Wir wollen die Sprache lernen und hier arbeiten!“ Wenn wir heute in die Unterkünfte gehen, dann haben wir es immer mehr mit Leuten zu tun, die sagen: „Das sind unsere Regeln und nach denen handeln wir!“
Sami Alkomi Die Menschen haben damals gefragt: „Was sollen wir tun? Wie sollen wir uns verändern?“ Und linke Ehrenamtler in den Flüchtlingsheimen haben geantwortet: Das müsst ihr nicht! Sie haben ihnen den Koran mitgebracht und ihnen beim Kochen versichert, dass in diesem Topf niemals Schweinefleisch gekocht wurde. Heute fragen viele Flüchtlinge nicht mehr: Was soll ich tun, damit ich nicht auffalle, sondern: Wie soll sich Deutschland verändern?
Heißt das, dass die Integration heute schwieriger ist als vor zehn Jahren?
Sami Ja, viel schwieriger!
Ihr habt schon damals die Rolle der Flüchtlingshelfer problematisiert, die vieles als „kulturelle Eigenheit“ entschuldigt haben. Wie sieht das heute aus?
Nina Ich würde sagen, dass viele von ihnen aufgewacht sind. Es gab sehr viel Enttäuschung und sehr viel Dazulernen. Wir waren vor kurzem wieder in einer Unterkunft in Berlin Pankow, in der vor einigen Jahren ein Afghane seine Frau getötet hat, weil sie sich von ihm getrennt hatte. Dort haben wir viel über Frauen- und Mädchenrechte gesprochen. Bei unserem letzten Besuch hat der Ehrenamtler einer anderen NGO gesagt: „Wir müssen jetzt endlich anfangen, Exempel zu statuieren und Geflüchtete abschieben, die nicht bereit sind, die Grundrechte zu akzeptieren, damit die anderen kapieren, dass es so nicht mehr geht.“ Das ist richtig. Aber wieso hat diese Erkenntnis zehn Jahre gedauert?
Sami In einer Notunterkunft hatten damals alle mitbekommen, dass ein Flüchtling seine Frau geschlagen hat. Das war eine große Halle mit Trennwänden, man hat das gehört. Die Security hat es mitbekommen und die Heimleitung muss es auch mitbekommen haben. Einige Heimbewohner haben zu ihm gesagt: „Es ist nicht schön, wenn du deine Frau schlägst.“ Aber niemand hat ihm gesagt, dass das in Deutschland verboten ist. Und es hatte auch keine Folgen. Das Bild, das die meisten Flüchtlinge auf diese Weise bekommen haben: Es gibt ein Deutschland für die Deutschen, und es gibt Klein-Syrien oder Klein-Afghanistan in Deutschland. Und das ist unser Territorium, da haben deutsche Gesetze keine Gültigkeit. Ich finde diese Entwicklung katastrophal. Und ich erlebe, dass Menschen, die die Fehler im System benennen, jetzt als rechts abgestempelt werden.
Passiert dir das auch?
Sami Ja. Ich war zum Beispiel in Berlin auf einem Podium. Da habe ich gesagt, was aus meiner Sicht getan werden sollte, damit die Menschen sich inte-grieren. Daraufhin ist ein Drittel des Publikums empört aufgestanden und hat mir widersprochen. Das waren Ideologen, die der Ansicht sind, Deutschland sei sowieso ein schlimmer Staat, in den sich niemand integrieren muss.
Wir sind jetzt im Jahr 2025, der Innenminister heißt Dobrinth. Der verkündet eine „Migrationswende“. Aber die scheint sich darauf zu beschränken, den Zustrom zu begrenzen.
Nina Ich verstehe den Ansatz der zahlenmäßigen Begrenzung. Und wenn wir an Brennpunktschulen unterwegs sind, ist es natürlich ein Riesenunterschied, ob da noch 50 Prozent deutsche Kinder in einer Klasse sitzen oder zehn Prozent oder nur noch ein Einziges. Aber unser Ansatz ist, dass ein Unterschied gemacht werden muss zwischen denen, die an der roten Ampel stehen bleiben und denen, die sagen: Ich pfeife auf die Regeln! Und das passiert halt nicht. Das heißt: Wenn, wie kürzlich, eine jesidische Familie abgeschoben wird, hat Deutschland zwar weniger Migranten, aber es trifft erkennbar die Falschen. Wenn aber Straftäter nicht abgeschoben werden, haben wir ein Riesenproblem. Die müsste man konsequent zurückschicken und an ihnen ein Exempel statuieren. Wenn man die Richtigen abschiebt, merken die anderen: „Ich darf nicht mal daran denken, die Rechte meiner Frau zu beschränken, sonst hat das Konsequenzen. Nämlich die, dass man nicht mehr zu unserer Gesellschaft gehört.“
Was heißt das konkret? Wenn jemand zum Beispiel seiner Frau verbietet zu arbeiten, ist das ja keine Straftat.
Nina Aber es verstößt gegen das Grundgesetz: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Etwa 80 Prozent der im Rahmen eines Flüchtlingsprojekts von uns befragten Männer haben erklärt, sie würden ihrer Frau nicht erlauben zu arbeiten, allen voran die afghanischen Teilnehmer. Da müsste es dann einen Eintrag geben, der verhindert, dass so ein Mann eingebürgert wird. Wir verschenken aber gerade die Einbürgerung. In Berlin müssen die Leute nicht mal mehr vorstellig werden. Sie reichen den Antrag und alle Unterlagen einfach digital ein. Das kann auch ein Flüchtlingshelfer für dich ausfüllen. Dafür musst du selber nicht mal mehr besonders gut Deutsch sprechen, solange du nur formal deine Zertifikate besitzt.
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