Menstruations-Urlaub?

Foto: Tobias Tullius/Unsplash
Artikel teilen

Neuerdings geht es nicht mehr nur um das Thema Waffenlieferungen an die Ukraine, auf das ich ständig angesprochen werde, sondern um den „spanischen Menstruationsurlaub“. Auch die deutschen Medien ergießen sich ja bereits genüsslich darüber. Errötete Tampons wandern über Zeitungsseiten, Frauen, die sich mit Schmerz verzerrtem Gesicht den Bauch halten, werden online abgefeiert.

Anzeige

Allein das Wort „Menstruationsurlaub“, das ist ja fast so schön wie das „Wickelvolontariat“ oder die „Herdprämie“. Harrharr. Ich hätte ja auf „Perioden-Siesta“ getippt. Übrigens: Im spanischen Original heißt es "Baja laboral por menstruación", also ein Krankenschein für Menstruation, der Urlaub ist eine rein deutsche Erfindung. „Ja, und was sagen die Feministinnen vom Dienst nun dazu?“, fragen mich süffisant grinsende Männer.

Spanien reformiert das Gesetz für reproduktive Gesundheit - und wie!

Wisst ihr was, Amigos, dazu gibt es in der Tat einiges zu sagen. Denn der Menstruationsurlaub ist nur ein kleiner Teil eines beeindruckenden Reformpaketes. Spanien hat als erstes Land in Europa eine umfangreiche Reform des "Gesetzes der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und des freiwilligen Schwangerschaftsabbruchs" auf den Weg gebracht.

Während Polen kriegsvergewaltigten Ukrainerinnen die Abtreibung verbietet, in Deutschland ein Krankenhaus nach dem anderen den Schwangerschaftsabbruch aus dem Leistungskatalog streicht und in den USA die Zeichen komplett auf Rückschritt stehen, macht Spanien das Recht auf Abtreibung zu einem öffentlichen Gesundheitsrecht.

Ab sofort müssen staatliche Krankenhäuser den Eingriff nicht nur kostenlos durchführen, sie müssen auch sicherstellen, dass genügend ÄrztInnen vorhanden sind, die es können. ÄrztInnen, die eine Abtreibung aus Gewissensgründen ablehnen, müssen sich in ein Register eintragen.

Junge Frauen ab 16 müssen für einen Schwangerschaftsabbruch nicht mehr die Einwilligung der Eltern einholen. Auch soll die „dreitägige Bedenkzeit“ entfallen. Die „Pille danach“ wird in öffentlichen Einrichtungen künftig kostenlos verteilt. Außerdem soll im gesamten medizinischen System für männliche Verhütungsmethoden geworben werden. Für die Vasektomie zum Beispiel.

Das novellierte Gesetz soll die Sexualerziehung für alle Bildungsstufen „von frühester Kindheit an“ verpflichtend machen. Außerdem wird Leihmutterschaft als eine Form der „Gewalt gegen Frauen“ festgeschrieben. Agenturen, die eine Leihmutterschaft vermitteln, sollen strenger als bisher verfolgt werden. Allerdings werden die Gerichte nicht – wie das Gleichstellungsministerium ursprünglich vorgeschlagen hatte – international die Menschen verfolgen, die Leihmütter im Ausland beauftragen.

Spanien verschärft das Sexualstrafrecht: Nur ja heißt ja!

Und nicht nur das: Auch hat Spanien einen wichtigen Schritt zur Verschärfung des Sexualstrafrechts getan. Das Parlament in Madrid stimmte mit großer Mehrheit für das „Nur-Ja-heißt-Ja-Gesetz“. Künftig sind sexuelle Handlungen aller Art nur dann erlaubt, wenn alle Beteiligten ihre Zustimmung eindeutig geäußert haben. Sexuelle Übergriffe werden nach dem Inkrafttreten als sexuelle Gewalt betrachtet werden - egal ob das Opfer sich wehrt oder eine Handlung aus Angst geschehen lässt.

Auf sexuelle Gewalt  werden dann bis zu 15 Jahre Haft stehen. Zudem werden auch „einschüchternde Komplimente“ sowie die Verbreitung von Sexvideos unter Strafe gestellt.

Gleichstellungsministerin Irene Montero feierte das neue Gesetz: „Es ist ein entscheidender Schritt zur Veränderung der sexuellen Kultur Spaniens sowie zur Beendigung des sexuellen Terrors und der Vergewaltigungskultur!“ Mit ihrem Vorstoß reagierte die linke Regierung auf mehrere Aufsehen erregende Fälle von Gruppenvergewaltigungen, bei denen die Täter in den vergangenen Jahren mit milden Strafen davongekommen waren.

Von alledem ist hier nur wenig zu hören. Allein der Menstruationsurlaub wird zum Thema gemacht - und Spanien dafür belächelt. Dabei sollte gerade Deutschland mal das ganze Reformpaket ins Auge fassen.

Wenn sich hierzulande keine Frau und kein Mädchen mehr Sorgen machen muss, ob und wie sie abtreiben kann, wenn Verhütung nicht mehr nur Frauensache ist und wenn der Staat endlich etwas gegen die verheerende Vergewaltigungskultur in unserem Land unternimmt, dann, ja dann können wir gerne über Menstruationsurlaub in Spanien oder in Deutschland reden. Comprende?

Artikel teilen
 
Zur Startseite