"Ihr wollt den Frauen helfen? Beweist es!"

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Nach zehn Jahren diskutiert die internationale Gemeinschaft zum zweiten Mal in Bonn die Zukunft Afghanistans. Offiziell nehmen an der Petersberg-Konferenz 30 Prozent Frauen teil. Wer sind diese Frauen?
Samira Es handelt sich um Mitarbeiterinnen der Regierung, Präsident Karsai hat ihre Namen allerdings erst vor etwa zwei Wochen bekannt gegeben. Auch, weil das Afghan Women’s Network Druck gemacht hat und gefordert hat: Wir wollen afghanische Frauen in der Delegation! Wir mussten ja selbst den deutschen Regierungsvertretern erklären, dass sie einen Frauenanteil sicherstellen müssen. Aber sie haben uns nur gesagt: Das wird schon!

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Was in der Regel heißt: Es wird nichts!
Samira Genau. Vor der regionalen Außenminister-Konferenz, die im November in Istanbul stattfand, hat unsere Regierung verkündet: Natürlich haben wir Frauen in unserer Delegation! Schließlich sind acht Minister, der Stab des Präsidenten, seine Sicherheitsleute und wahrscheinlich sogar seine Fahrer und sein Reinigungspersonal in die Türkei geflogen. Aber keine einzige Afghanin!

Wir groß ist der politische Einfluss der Afghaninnen in Bonn?
(Samira lacht und schüttelt den Kopf).

Mahbouba Da ist unsere Antwort!

Also?
Samira Es gab im Vorfeld der Petersberg-Konferenz vier verschiedene afghanische Komitees, die über den Friedensprozess und den Abzug der internationalen Truppen diskutiert haben. In diesen Komitees saßen nur Männer. Wir haben mehrere Anträge gestellt, dass Frauen zugelassen werden müssen. Aber sie haben uns gesagt, dass die Treffen vertraulich seien. Und wir haben die weiblichen Delegierten vor ihrer Abreise getroffen. Dass einzige Dokument, das sie zur Vorbereitung bekommen haben, war unser Positionspapier. Sie hatten also keinen Einblick in irgendein Regierungs-Dokument. So viel zur Teilhabe der Frauen an den politischen Prozessen.

Im Vorfeld der Konferenz fand ein zivilgesellschaftliches Forum statt, in dem die Anliegen der afghanischen Bevölkerung verhandelt wurden. Zwei Delegierte werden diese Empfehlungen auf der Konferenz vortragen. Mit einer Redezeit von drei Minuten.
Samira
Wir selbst haben an diesem Forum nicht teilgenommen. Es setzt sich aus 34 Vertretern der Zivilgesellschaft zusammen. 16 davon sind weiblich, sechs oder sieben arbeiten eng mit uns zusammen. Darüber hinaus sind aber trotzdem weitere zehn Vertreterinnen auf eigene Initiative von Afghan Women’s Network nach Deutschland gekommen, um über die Perspektive der Frauen auf die afghanischen Friedensprozesse zu sprechen.

Der Westen setzt auf Verhandlungen mit den Taliban. Was halten Sie von dieser Strategie?
Samira Wir haben keine Angst davor, mit ihnen zu verhandeln. Solange sie die afghanische Verfassung, die Fortschritte der vergangenen zehn Jahre und Frauenrechte akzeptieren und mit uns zusammenarbeiten wollen, heißen wir sie willkommen. Es gibt viele ehemals einflussreiche Taliban, die heute mit der afghanischen Regierung zusammen arbeiten. Wir begegnen ihnen also sowieso schon ständig. Uns ist wichtig: Wir wollen am Tisch sitzen! Wir wollen Teil der Verhandlungen sein und die Forderungen der afghanischen Frauen einbringen.

Wie begegnen Sie Ihren früheren Peinigern?
Samira Im vergangenen Jahr saß ich während eines Seminars zur Rolle von Frauen für den Friedensprozess in einer Diskussionsrunde direkt neben einem ehemaligen Taliban-Minister. Und ich habe ihm einfach immer wieder gesagt: „Deine Redezeit ist rum, fass dich mal etwas kürzer, komm mal auf den Punkt!“ Dieser Mann hat mich alle fünf Minuten von der Seite angestarrt.

Das ist mutig.
Samira Wir haben natürlich sehr große Angst davor, dass sie nach dem Truppenabzug 2014 mit der gleichen Macht wie vor 16 Jahren zurückkommen. Und Frauen wie Mahbouba und ich werden ihre ersten Ziele sein. Sie wissen, wer wir sind. Sie wissen, wer unsere Familien und unsere Unterstützer sind. Aber das Problem sind nicht nur die Taliban. Die haben uns unter die Burka gezwungen. Sie haben uns unsichtbar gemacht. Aber dann gibt es da auch noch die Warlords. Es gibt keine Gewalt, die sie uns nicht angetan haben. Sie haben Frauen für alles missbraucht - ihren Luxus, ihre Rache, ihr Machtgefühl. Und sie sitzen schon jetzt in der Regierung.

Mahbouba Und die Afghanen und Afghaninnen hatten nie die Möglichkeit, über die Verbrechen zu sprechen, die ihnen angetan wurden. In Afghanistan gibt es überall Massengräber. Aber es gab keine Prozesse gegen die Kriegsverbrechen und keine Aufarbeitung. Tausende Menschen wurden umgebracht, vergewaltigt, verschleppt. Seit 1978! Die Kommunisten haben es auf ihre Art gemacht, die Mudschaheddin und die Taliban auf eine andere. Wie soll es Frieden in einem Land geben, in dem es keine Gerechtigkeit für die Opfer gibt?

Samira Im vergangenen Jahr hat unser Präsident über Nacht das Amnestiegesetz eingeführt. Wo war da die Internationale Gemeinschaft?

Sind Sie damals vor den Taliban geflüchtet?
Samira Ja. Meine Familie ist 1992 nach Islamabad in Pakistan geflüchtet und erst 2002 zurück nach Afghanistan gekommen. Ich habe also den Terror der Mudschaheddin und der Taliban nicht erlebt.

Sie kommen also aus einer liberalen Familie?
Samira Ja, ich habe das Glück, dass meine Eltern mir die gleiche Ausbildung ermöglicht haben wie meinen vier Brüdern. Ich war nie weniger wert als sie. Schwierig wurde es erst, als ich unabhängiger sein wollte und meine eigenen Entscheidungen getroffen habe. Die Auseinandersetzungen musste ich aber nicht mit meinen Eltern, sondern mit meinen Brüdern ausfechten. Vor vier Jahren wollte ich zum Beispiel wegen einer Fortbildung nach Dubai reisen. Und nicht mein Vater, sondern ausgerechnet mein jüngerer Bruder sagte: ‚Sie ist ein Mädchen, was sollen die Leute denken?’ Und ich habe gesagt: ‚Du kannst mich nicht aufhalten! Aus dem Weg!’ Es hat viel Zeit und einige Auseinandersetzungen gebraucht, um meiner Familie klar zu machen, wie wichtig das alles für mich ist. Ein typisches Beispiel dafür, wie stark die familiären Auflagen für Afghaninnen sind. Es sind nicht nur die Gesellschaft oder unsere Politiker, die Vorschriften machen. Es sind die Familien. Wenn meine Brüder mich heute im Fernsehen sehen sagen sie: ‚Kannst du dich nicht wenigstens ein bisschen zurückhalten?’ Aber wenigstens sagen sie nicht mehr: ‚Lass das!’

Mahbouba, wie war es bei Ihnen?
Mahbouba Ich war damals mit einem Angehörigen der afghanischen Königsfamilie verheiratet. 1987 ist unter den Kommunisten meine ganze Familie ins Gefängnis gekommen. Aber ich hatte Freunde, die uns geholfen haben, das Land zu verlassen.

Wie war das Kabul der 70er Jahre?
Die Universität stand uns Frauen offen. Wir saßen im Parlament. Wir mussten uns nicht verschleiern. Wir hatten alle Möglichkeiten. Dann kamen die Kommunisten. Was die Frauenrechte anbelangt, hat sich unter den Sowjets allerdings gar nicht so viel verändert. Ich gehe davon aus, dass genau das die Mudschaheddin und die Taliban erst recht dazu angestachelt hat, sich so grauenvoll zu verhalten!

Wohin sind Sie dann geflüchtet?
Ich war erst einige Monate in Bonn und bin dann nach New York gezogen. Ich kannte die Stadt gut, weil ich während meiner Arbeit für die UN vorher schon dort gewesen bin. Ich habe mich der Frauenbewegung in Amerika angeschlossen. Ich habe damals Gloria Steinem kennen gelernt. Wir sind gemeinsam auf Demonstrationen gegangen. Heute sage ich oft zu jüngeren Frauen: Schaut euch an, was eure Mütter durchgemacht und was sie gewagt haben. Es sind interessanterweise vor allem die ganz jungen Frauen, die sehr offen dafür sind. Also die Generation nach Samira. Sie hungern nach Veränderung, für sich selbst, für ihr Land. Sie wissen, dass Afghanistan nicht immer so arm und handlungsunfähig war wie heute. Wir müssen diesen jungen Menschen etwas hinterlassen, mit dem sie weitermachen können.

Erinnern Sie sich an den Tag, an dem Sie in Kabul das erste Mal wieder aus dem Flugzeug gestiegen sind?
Oh ja! Das war 2003 und es war grauenvoll! Ich war so wütend, dass ich auf zwei Männer zugestürmt bin, die in der Sonne saßen und sie geschüttelt und angebrüllt habe: ‚Was habt ihr mit meinem Land gemacht?! Ihr habt uns vertrieben, weil wir angeblich zu nichts fähig waren, und das habt ihr draus gemacht?!’ Alles war zerstört. Überall standen marode Panzer und Flugzeuge. Es war ein Desaster. Ich habe sieben Monate lang nur geweint. Jeden Tag. Mein Fahrer hat damals zu mir gesagt: Du musst zurück nach New York. Dieses Land wird dich umbringen.

Aber Sie sind in Kabul geblieben.
Ja, ich habe entschieden, nicht zu gehen, sondern mein Herz abzuhärten. Und seitdem arbeite ich ehrenamtlich. Viele haben mich gefragt: Was willst du ohne Job in Afghanistan? Und ich habe gesagt: Hört mal, in Afghanistan gibt es eine Million Dinge zu tun. Ich habe in meinem Leben eine Million Dinge gelernt. Ich will einfach helfen, das Land wider aufzubauen. Mein erster Job war im Außenministerium. Ich habe afghanische Diplomaten ausgebildet, in Englisch und in Etikette. Sie hatten ja keine Ahnung wie sie sich auf internationalem Parkett bewegen sollen. Ich habe zum Beispiel erklärt, dass sie in Meetings auch neben Frauen sitzen werden und es passieren kann, dass sich aus Versehen Knie berühren. Und dass das nichts zu bedeuten hat. Hände schütteln, das war auch ein großes Thema! Ich habe gesagt: Wenn eine Frau euch ihre Hand entgegen streckt, bitte gebt ihr auch die Hand.

Wie ging es den Frauen?
Furchtbar! Und die Bedürfnisse vieler afghanischer Frauen sind heute noch immer so existenziell wie vor zehn Jahren. Sie brauchen ein Dach über dem Kopf. Sie brauchen was zu essen. Sie brauchen Wärme im Winter. Es ist kein Wunder, wenn diese Frauen nicht den Kopf frei haben, um für Frauenrechte zu kämpfen.

Hat sich die Situation von Frauen seit Kriegsbeginn 2001 verbessert?
Samira Einerseits hat sich die Situation natürlich verbessert. Frauen können heute in die Schule gehen. Sie haben Zugang zum Gesundheitssystem. Sie sitzen sogar im afghanischen Parlament. Das heißt natürlich noch lange nicht, dass die Minister, mit denen diese Frauen am Tisch sitzen, ihnen auf Augenhöhe begegnen. Viele sind frühere Warlords, die jede Form von Gewalt und jedes denkbare Verbrechen gegen Frauen begangen haben. Dass sich diese Männer nun im Parlament mit den Frauen auseinandersetzen müssen, ist allerdings ein großer Fortschritt.

Andererseits hören wir immer wieder, dass sich die Sicherheitslage verschärft und die Gewalt gegen Frauen zugenommen hat.
Mahbouba Ja, das stimmt. Trotz Polizei- und Militäraufbau hat sich die Sicherheitslage sogar stark verschlechtert. Vor allem für Frauen. Es gibt bis heute keine Sicherheit für Frauen. Sobald wir Frauen ein Level an Macht, an Bildung, an Wohlstand erreicht haben - boom. Das Thema Sicherheit wird auf viele Arten gegen Frauen verwendet. Eltern sagen: Es ist zu gefährlich, dass unsere Tochter zur Schule oder an die Universität geht. Ich habe erst vor ein paar Tagen mit einem Vater gesprochen, der seine Tochter nach der achten Klasse von der Schule genommen hat. Wenn ich das Haus morgens verlasse, sitzt mein Nachbar immer am Fenster. Und ich winke ihm zum Abschied. Und wenn er nicht zurückwinkt, dann habe ich jedes Mal Angst, dass das ein schlechtes Omen ist.

Samira Aber die Frauen reden nicht darüber. Sie sagen: Ich habe meinen Job aufgegeben, weil ich geheiratet habe. Sie sagen nicht: Mein Vater oder mein Bruder haben mich dazu gezwungen, meine Arbeit aufzugeben, weil ich belästigt werde. Es gibt heute also zwar Arbeits- und Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen - aber kein Umfeld, in dem sich Frauen wohl und sicher fühlen.

Mahbouba Natürlich sind die Taliban eine Bedrohung. Aber eine große Gefahr für die jungen Mädchen in Afghanistan sind die afghanischen Jungen, die sie sexuell belästigen. Wenn man Frauen und Männer so streng trennt, werden Frauen erst Recht zu Sexobjekten. Und wenn dann ein junger Mann einer solchen jungen Frau plötzlich auf der Straße begegnet… Hinzu kommt die Häusliche Gewalt.

Samira In Afghanistan ist es eine Schande, seine Familienahngelegenheiten außerhalb des Hauses zu verhandeln. Wer bekommt am Ende die Schuld dafür? Die Frau. Wenn ein Polizist, ein Richter oder ein Anwalt der Frau nicht helfen will, sagt er: Du bist eine schlechte Frau. Wenn du eine gute Frau wärest, würdest du gar nicht zu uns kommen und uns von den Probleme mit deinem Ehemann erzählen. Zum Glück gibt es seit zwei Jahren ein neues Gesetz gegen Gewalt gegen Frauen. Natürlich heißt das nicht, dass dieses neue Gesetz in der Praxis angewandt wird. Aber in einem Land, in dem häusliche Gewalt als Schande der Frau angesehen wird, ist es ein Fortschritt.

Wie funktioniert das Justizsystem für Frauen?
Mahbouba
In Afghanistan gilt das islamische Recht, nach dem der Mann dafür verantwortlich ist, die Frau zu beschützen. Sie braucht also angeblich keinen Rechtsschutz, sie hat ja ihren Mann. Ist eine Frau berufstätig, sagen die Männer: ‚Oh, schaut euch diese armen Frauen an. Sie müssen früh aufstehen und in der Kälte zur Arbeit gehen. Meine Frau muss dass nicht, weil ich für sie sorge.’ So rechtfertigen sie das System. Und daran müssen wir arbeiten. Wir wollen nicht zum traditionellen Recht zurück, in dem die Stammesführer oder Altenräte über das Schicksal von Frauen entscheiden. Wir wollen ein formales Justizsystem. Wir wollen ein Gericht, das entscheidet. Wir wollen mehr Richterinnen. Die Männer sagen: ‚Ihr profitiert doch von diesem traditionellen System’. Nein, die Vergangenheit hat bewiesen, dass wir das nicht tun. Darum kämpfen wir auch dafür, dass mehr Frauen auf Entscheidungspositionen in der Regierung sitzen. Wenn das nicht passiert, wird die Frauenfrage niemals wirklich Thema sein.

Wie ist der Alltag der Frauen heute?
Samira Afghanistan hat 34 Provinzen, die Frage ist also nur schwer zu beantworten. Ich lebe in Kabul, ich bin Landesdirektorin des Afghan Women’s Networks, ich bin in den vergangenen vier Wochen immer im Dunkeln nach Hause gefahren und fühle mich trotzdem sicher. In den Vororten von Kabul sieht das schon anders aus. Und in den konservativen südlichen Provinzen erst recht. Dort gilt es bis heute als Schande für die ganze Familie, wenn eine Frau abends alleine unterwegs ist. Und natürlich besteht für uns alle die Gefahr, bei einem Selbstmordattentat ums Leben zu kommen, von einer Rakete getroffen zu werden oder von einer Taliban-Miliz verfolgt und erschossen zu werden. Es gibt in Afghanistan Frauen, die halbtags arbeiten, ihre Kinder in den Kindergarten bringen und sich gleichzeitig um den Haushalt kümmern. Es gibt aber genau so Frauen, die nicht mal wissen, dass sie keine Erlaubnis von ihrem Mann brauchen, um zum Arzt zu gehen, weil sie sterbenskrank sind.

Der Truppenabzug 2014 ist angekündigt. Halten Sie das für zu früh?
Samira Der Abzug muss irgendwann kommen. Als die internationalen  Truppen nach Afghanistan kamen, haben sie uns nicht gefragt. Vor dem 11. September hat sich sowieso niemand für uns interessiert, obwohl uns die Taliban jahrelang gequält haben. Dann kam der 11. September, und plötzlich hieß es: Los, wir befreien Afghanistan! Wir helfen den afghanischen Frauen. Dabei hat sich der Westen vor allem selbst geholfen. Heute müssen wir endlich die Verantwortung für unser Land übernehmen.

Was müsste die Internationale Gemeinschaft tun?
Mahbouba Sie muss ihre finanzielle Unterstützung endlich an Forderungen knüpfen. Forderungen wie eine Justizreform, damit Gesetze tatsächlich angewendet werden. Und dann muss sie auch überprüfen, ob das umgesetzt wird. Wir reden über die Resolution 1325, um die Rechte von Frauen in Friedensverhandlungen zu stärken, wir reden über die Menschenrechtskonvention und über Gesetze gegen Gewalt gegen Frauen - aber wo bleibt die Umsetzung? Wo bleibt das Monitoring durch internationale Organisationen?

Samira Wenn wir diese Überprüfung einfordern, hören wir immer: Das ist ein internes politisches Thema, klärt das mit eurer Regierung. Aber das ist der zentrale Fehler, den der Westen damals gemacht hat. Sie haben eine Regierung eingesetzt und ihr Geld gegeben. Aber sie haben die Finanzhilfen nicht an Bedingungen geknüpft, obwohl sie damit eine Menge hätten beeinflussen können. So ist viel Geld in die Taschen der Politiker geflossen. Unsere Forderungen richten sich an unsere Regierung, aber auch an die Internationale Gemeinschaft: Ihr seid nach Afghanistan gekommen, um den Frauen zu helfen? Beweist es!

Auch in Ägypten haben gerade Wahlen stattgefunden, in ganz Nordafrika scheint die Revolution auf Kosten der Frauenrechte zu gehen.
Mahbouba Die Welt darf nicht immer wieder die gleichen Fehler machen . Ich habe auf einer Konferenz eine Vertreterin der ägyptischen Frauen-Union getroffen. Ich sagte: „Lasst uns unsere Erfahrungen austauschen, damit ihr nicht das gleiche durchmachen müsst wie wir.“ Und sie antwortete: „Ja, du musst nach Ägypten kommen und mit den Frauen reden!“

Was erwarten Sie vom Westen nach 2014?
Samira Wir fordern konkrete Zusagen an Afghanistan. Zum Beispiel, das Land bis 2024 finanziell zu unterstützen, bis wir wirtschaftlich auf eigenen Beinen stehen können. Und nicht zuletzt muss sich die Internationale Gemeinschaft stärker mit unseren Nachbarn befassen. So gut wie jeder Aufständische kommt aus Pakistan. Aber die Welt unterstützt Pakistan weiter. Wenn Deutschland Pakistan finanziell unterstützt, sollte auch dieses Geld an Bedingungen gebunden sein. Zum Beispiel: ‚Hört auf, Aufständische auszubilden. Verratet uns die Aufenthaltsorte der Anführer.’

Was erwartet Sie von uns Frauen?
Mahbouba Von euch erwarten wir, dass ihr hinter uns steht. Und dass ihr unsere Anliegen öffentlich macht. Der Grund, warum die deutschen Politiker uns afghanische Frauen nicht ernst nehmen ist, dass sie auch die deutschen Frauen nicht ernst nehmen. Wir brauchen mehr Unterstützung von Frauen, die alle Druck auf ihre Regierungen ausüben. Denn jede Schwester auf der Welt weiß, was die andere Schwester gerade durchmacht. Egal, wo diese Schwester her kommt. Wir wissen alle, was los ist!

Das Interview führten Chantal Louis und Alexandra Eul

EMMAonline, 5.12.2011
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