Prostitution - Und wie weiter?

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Die Kommunen sind aufgewacht. Denn ihre BürgerInnen müssen ausbaden, was anno 2002 in Berlin beschlossen worden war. Dass „Prostitution ein Beruf wie jeder andere“ sei und das Gewerbe keineswegs „sittenwidrig“. Ergo kann ein jeder und eine jede seither auch überall ein Bordell aufmachen; nicht nur im Industriegebiet, sondern auch mitten in der City oder im Wohnhaus. Auf Sylt wehrten sich die BürgerInnen mit ihrer parteilosen Bürgermeisterin an der Spitze gerade sehr erfolgreich. Das geplante Bordell kommt nicht. In Köln sind traditionelle Grünen-WählerInnen fassungslos, was ihre Partei ihnen eingebrockt hat. Und in Saarbrücken müssen die BewohnerInnen ohnmächtig zusehen, wie der Stuttgarter „Bordellkönig“ Rudloff gerade sein fünftes Großbordell bei ihnen eröffnet, in profitabler Grenznähe zu Frankreich, wo Freier neuerdings bestraft werden.

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Dabei gehört die Saarbrücker Oberbürgermeisterin Charlotte Britz (SPD) zu den ErstunterzeichnerInnen des EMMA-Appells gegen Prostitution. Und nicht nur sie. Auch Landesherrin Kramp-Karrenbauer (CDU) fordert als Erstunterzeichnerin: Prostitution abschaffen! Dennoch scheinen die Politikerinnen machtlos. Seit der Liberalisierung von 2002 sind Zuhältern und Bordellbetreibern in Deutschland Tür und Tor geöffnet.

Auch die Bestrafung der Frauenkäufer wird inzwischen diskutiert.

Das soll jetzt wieder anders werden. Die Große Koalition hatte bereits im November die Änderung der fatalen Prostitutionsreform beschlossen. Der Schutz der Mädchen und Frauen in der Prostitution sowie die schärfere Verfolgung der Profiteure soll bald auch in Deutschland Priorität haben. Ernsthaft diskutiert wird inzwischen auch hierzulande die Bestrafung der Frauenkäufer, die den Prostitutionsmarkt überhaupt erst schaffen.

Ein Sprecher des Innenministeriums erklärte gegenüber EMMA: „Beamte des BMI sind bereits in Schweden gewesen und haben sich dort einen Eindruck von der Umsetzung des so genannten Schwedischen Modells verschafft. Sie hatten dort die Gelegenheit, mit Praktikerinnen von Polizei und Staatsanwaltschaft zu sprechen. Sie sind hierbei auf sehr engagierte und hoch professionelle Kolleginnen und Kollegen gestoßen, die von der Wirksamkeit und Angemessenheit des so genannten Schwedischen Modells zur Bekämpfung des Menschenhandels überzeugt sind.“

Das ist auch die baden-württembergische Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD): „Die Bestrafung derer, die diese ‚Dienstleistung‚ in Anspruch nehmen, ist der richtige Weg“, erklärte sie EMMA. „Es ist an der Zeit, über ein Prostitutionsverbot nachzudenken!“ Die SPD-Ministerin will Berlin Druck machen – und gegebenenfalls einen Vorstoß via Bundesrats-­Initiative einbringen. Altpeter: „Irgend­jemand muss ja mal anfangen!“

Im Frühling soll das neue Gesetz vorgelegt werden.

Die erste Partei, die sich inzwischen eindeutig positioniert hat, ist die CSU: pro Schutz der Prostituierten und pro Bestrafung der Freier. Auf ihrem Parteitag am 22./23. November 2013 beschlossen die Christ­sozialen u.a. zu fordern: die Anhebung des Schutzalters für Prostituierte auf 21 Jahre und ihre rechtliche Besserstellung, die Verschärfung des Straftatbestandes Menschenhandel – sowie die Bestrafung der Freier. Bei der CSU liest sich das so: „Aus moralischen Gründen und zur Verbrechensabwehr ist der Kauf von Menschen als Ware und zur sexuellen Nutzung zu unterbinden.“ Gefordert wird: „Die Sanktionierung der Inanspruchnahme sexueller Handlungen gegen Entgelt.“

Noch im Frühling will die Koalition das neue Prostitutionsgesetz vorlegen und noch in diesem Jahr verabschieden. Federführend ist das Frauenministerium. Das lässt hoffen. Frauenministerin Manuela Schwesig (SPD) hat sich intern bereits sehr kritisch zum ­bestehenden Gesetz geäußert.

Prostitution ist schlicht ein Verstoß gegen die Menschenwürde. Wenn das in nicht allzu großer Ferne nicht nur im Bewusstsein verankert ist, sondern auch im Gesetz, gibt es in Zukunft eine Basis für den Kampf gegen die Zumutung Prostitution – und können die Bürgerinnen sich endlich wehren gegen das Bordell nebenan. Ganz wie die tapferen SylterInnen.

In der aktuellen Ausgabe: 

Von Sylt lernen!
Empörte BürgerInnen, an der Spitze Bürgermeisterin Reiber, wehrten sich erfolgreich gegen einen „Gentlemen’s Club“ des Stuttgarter „Bordellkönigs“ Jürgen Rudloff mitten in Westerland.

Entsetzen in Köln
Die BewohnerInnen können es nicht fassen: Im Souterrain ihres Wohnhauses macht ein Bordell auf. Und die Stadt kann, dank Prostitutionsgesetz, nichts dagegen tun.

Prozess in Wien
Sie prügelten Roxana, damit sie auf den Strich geht. Sie nahmen Mirella ihr Kind weg, damit sie weiter anschafft. Die Angeklagten finden das normal.

Aufbruch in Brüssel
Der Gleichstellungsausschuss des EU-Parlaments empfiehlt allen EU-Ländern das „Schwedische Modell“. Am 10. März stimmt das EU-Parlament ab.

Ein offenes Wort
Die dänische Therapeutin Tanja Rahm hat drei Jahre lang als Prostituierte gejobbt. Ihr Offener Brief an ihre Freier wurde im Internet hunderttausendfach geklickt.

Die Chronik 1871 bis 2013
Ebenso alt wie die Prostitution ist der Kampf von Feministinnen dagegen. Ein Überblick vom ersten Kongress der Abolitionistinnen bis zur Freierbestrafung in Frankreich.  

 

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