Demos am Internationalen Hebammentag

Artikel teilen

Das Timing ist sicher kein Zufall, denn vermutlich wollte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) am 5. Mai nicht mit leeren Händen dastehen. Dann ist Internationaler Hebammentag, und schon jetzt sind in ganz Deutschland über zwei Dutzend Protestaktionen angekündigt. Riesig war in den letzten Wochen die Empörung darüber, dass vielen freiberuflichen Hebammen das Wasser bis zum Hals steht: Die Prämien für die Haftpflichtversicherung der Geburtshelferinnen haben sich in den letzten zehn Jahren verzehnfacht, „trotz abnehmender Schadenszahlen“, erklärt der Deutsche Hebammenverband. Massiv gestiegen sind aber die Summen, die die Versicherungen im Falle einer Schädigung des Kindes zahlen müssen. Folge: Kostete eine Haftpflichtpolice im Jahr 2000 noch rund 400 Euro im Jahr, sollen es ab 1. Juli 2014 über 5.000 Euro sein. Für so manche Hebamme bedeutet das das berufliche Aus. „Eine flächendeckende Versorgung bei Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett ist schon jetzt nicht mehr gegeben.“  

Anzeige

Die Prämien der Versicherungen haben sich verzehnfacht.

Jetzt hat Minister Gröhe den Abschlussbericht der interministeriellen Arbeitsgruppe „Versorgung mit Hebammenhilfe“ vorgestellt. Er enthält einige Vorschläge, wie die Versicherungsbeiträge für die freiberuflichen Hebammen bezahlbar bleiben könnten. So könnten zum Beispiel die Schadensansprüche gedeckelt werden. Außerdem sollen Hebammen, die nur wenige Geburten betreuen, einen „Sicherstellungszuschlag“ erhalten, der garantiert, dass sie die Prämie dennoch bezahlen kann.

Der Hebammenverband „begrüßt, dass endlich erste Schritte zur Lösung des Haftpflichtproblems gemacht werden, sieht aber weiterhin den Bedarf, das Problem auch langfristig anzugehen.“

So lange das nicht der Fall ist, wird weiter protestiert: von der Mahnwache in Eckernförde bis zur Kundgebung in München.

Überblick unter: www.hebammenunterstützung.de

Ein ausführlicher Artikel über die Situation der Hebammen: „Hebammen schlagen Alarm!“ in der aktuellen Print-EMMA.

Artikel teilen

Liebeserklärung an meine Hebamme

Sonya Kraus: "Ohne meine Hebamme hätte ich nicht den Mut für ein zweites Kind gehabt."
Artikel teilen

Wer dem Ursprung der Wortes „Kreißsaal“ auf den Grund geht, findet heraus, dass die Bezeichnung vom Verb „kreischen“ inspiriert wurde, was logisch erscheint. Denn genau dort, an diesem Ort, muss das Runde durchs enge Eckige. Mutter Natur (die blöde Schlampe) ist mit uns Frauen mal wieder nicht zimperlich umgegangen, als sie sich diese Methode fürs Kinderkriegen ausdachte.

Anzeige

Die Bezeichnung
"Kreißsaal"
kommt vom Verb
"kreischen".

Klar, es hatten schon ein paar Milliarden Frauen vor mir geschafft, Kinder in die Welt zu pressen. Was mich hinsichtlich einer natürlichen Geburt jedoch keinen Deut beruhigte. Die verdammte Familienplanung hätte ich doch besser bis kurz vor der Menopause aufschieben sollen– falls überhaupt!

Schlaue Überlegungen, leider etwas zu spät: Ich war im sechsten Monat schwanger und panisch beim Gedanken an den unkalkulierbaren Ausnahmezustand des Gebärens.

Selbstverständlich hätte ich dem in meiner Branche üblichen Trend zum geplanten Kaiserschnitt folgen können. Nur fand ich den Gedanken, den Bauch aufgeschnitten zu bekommen, noch beängstigender. Es half alles nix, der Touchdown des neuen Erdenbürgers musste geplant werden.

Ich machte mich also schlau: Im Krankenhaus sind es vor allem die Hebammen, die die Arbeit tun. Sie sind an unserer Seite, wenn wir winselnd das Kamasutra durchtanzen, während der Herr Doktor nur zur Aufsicht dazukommt, um den Unterbodenschaden zu flicken, oder wenn’s mal nicht so prima flutscht.

Die Hebammen, diese großartigen Frauen, sind fest angestellt und arbeiten im Schichtbetrieb: Acht anstrengende aufregende Stunden, dann löst die Kollegin ab. 

Doch irgendwie war der Gedanke, dass mir eine Wildfremde, sei sie noch so kompetent, im Uterus herum kramte, nicht unbedingt sympathisch. Als so genannte Erstgebärende standen mir im schlimmsten Fall über 20 Stunden Wehen (Ja, kommt von „weh tun“) bevor, also dann auch gleich drei verschiedene Hebammen. Wie verlockend!

Die Hebamme ist zu jeder Tages-
& Nachtzeit für einen da.

Möglicherweise ist so was einem in dieser Situation schnurz, ich war jedoch sehr dankbar, dass mich eine Bekannte über die freiberuflichen so genannten Beleghebammen aufklärte. Schon während der Schwangerschaft kann frau diese erfahrenen Geburtshelferinnen kennenlernen, ihnen Löcher in den Bauch fragen, Ängste gestehen und mit ihnen alle Möglichkeiten der Entbindung durchsprechen. Geduldig und einfühlsam wird dann das Bäuchlein abgetastet, vermessen und gehorcht, welche Töne das Alien im Bauch so von sich gibt.

Das Großartigste aber: Diese Beleghebamme ist zu jeder Tages- und Nachtzeit für einen da, wenn’s wirklich ernst wird. Sie begleitet die werdende Mutter ins Krankenhaus und hilft uns, das letzte große Abenteuer dieser technologisierten Zeit zu meistern: Wenn aus eins plötzlich zwei werden.

Außerdem versorgt sie den Säugling nicht nur in seinen ersten Lebensminuten, sondern leistet auch die Nachsorge, besucht Mutter und Kind bis zu zehn Mal zu Hause. Die Beleghebammen kennen die Historie „ihrer“ Babys von der ersten Sekunde und helfen den frischgebackenen Mamis, die neue Situation und all die Auas zu meistern.

400 Euro muss man drauflegen, wenn man eine Beleghebamme in Anspruch nimmt – für mich das am besten investierte Geld meines Lebens. Sie war da, als ich an einem heißen Sonntag im Jahr 2010 mein erstes Kind bekam. Als ich jammerte, flehte, mich wand wie ein Wurm und ausgerechnet während des Fußball-WM-Finales zu meinem persönlichen Finale ansetzte. Während Arzt und Kindsvater vorm TV klebten, gingen wir Mädels gemeinsam in die Verlängerung ...

Würden Männer Kinder kriegen, gäbe es hier keine Diskussionen! 

Ohne meine Hebamme hätte ich wohl nicht den Mut aufgebracht, ein zweites Kind zu bekommen, geschweige denn auf natürliche Art und Weise. Darum könnte ich heulen vor Wut, dass diese Frauen, die trotz eigener Familie oft Nächte durcharbeiten, die enthusiastisch ihren Beruf als Berufung verstehen und die uns Frauen so großartige Dienste leisten, nun vor dem beruflichen Aus stehen, da die nötige Haftpflichtversicherung für tausende freiberufliche Geburtshelferinnen unerschwinglich geworden ist. In Bälde wird es sogar gar keine Versicherung mehr geben, die selbstständige Hebammen abdeckt.

Wir Mütter müssen Schwangerschaftsstreifen, Dammriss, Krampfadern, Hämorrhoiden und all die anderen netten Begleiterscheinungen einer Schwangerschaft sowieso hinnehmen. Sollen wir jetzt auch noch auf diese weisen Frauen, die sich so hingebungsvoll um uns kümmern, verzichten?

Verdammt noch mal: Würden Männer Kinder kriegen, gäbe es hier keine Diskussionen! Aber wo ist die Lobby der Hebammen? Ich fürchte, wie ich, mit Windeln wechseln, Wäsche waschen plus Job restlos überfordert.

Mehr zum Kampf der Hebammen ums Überleben in der aktuellen EMMA.

Weiterlesen
 
Zur Startseite