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Taxi: Frauen fahren Frauen

Nina Güner hat in Berlin ein Frauentaxi auf Spur gebracht. - Foto: Florian Boillot/Funke Medien Services
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Ein Taxi ist für uns Frauen die einzige Möglichkeit, nachts halbwegs sicher nach Hause zu kommen. Und selbst in Taxis passiert ständig was!“, empört sich Hannah, Veterinäramtsstudentin in Berlin. Sie ist sowohl in der Berliner U-Bahn als auch im Taxi bereits mehrfach sexuell belästigt worden. In der U-Bahn wurde ihr zwischen die Beine und an die Brust gegriffen. In einem Taxi hat sie der Fahrer gefragt, ob er sie „ficken darf“. Ein anderer hat sie im Rückspiegel beobachtet und angefangen zu masturbieren. 

Hannah ist kein Einzelfall. Die Studie „Sexismus im Alltag“ des Bundesfamilienministeriums zählt Verkehrsmittel – wie U-Bahnen, Bussen, Taxis und Fahrdienste wie Uber oder Bolt – zu den häufigsten Orten sexueller Übergriffe auf Frauen: 29 Prozent werden dort malträtiert. Eine weitere Studie zeigt, dass nur jeder vierte Mann auf die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder Fahrdienste in der Nacht verzichtet, aber jede zweite Frau. 

Beide Seiten haben mit Männern zu viele schlechte Erfahrungen gemacht

Hannah hat nun eine Alternative gefunden: G-Cars. Das G steht für Girls. Der Schriftzug „Frauen fahren Frauen“ klebt an den Seiten der weiß-lila oder schwarzen Taxis, die durch Berlin zuckeln. Ausschließlich Frauen fahren diese Autos. Und ausschließlich Frauen dürfen einsteigen. Männer müssen draußen bleiben. Auch in Begleitung einer Frau. 

Gegründet wurde das Unternehmen von Nadin Güner. Die Berlinerin fuhr schon immer leidenschaftlich gern Auto und hat sich darüber geärgert, dass es so wenige Frauen hinterm Taxi- Steuer gibt. „Frauen steigen lieber bei Frauen ein. Und Frauen, die Taxi fahren, haben lieber Frauen als Fahrgäste. Beide Seiten machen mit Männern zu viele schlechte Erfahrungen. So einfach ist das“, sagt Nadin Güner im Gespräch mit EMMA. 

Zwei Jahre hat sie gebraucht, um das Unternehmen auf die Beine zu stellen. Als Frau ist sie damit allein auf weiter Flur. Im deutschen Mietwagen-und Taxi-Geschäft haben die Männer das Lenkrad fest in der Hand. Allein in Berlin gibt es zirka 10.000 Taxis und Mietwagen, nur in etwa 500 sitzt eine Frau am Steuer. Schätzungen pendeln sich bei etwa 500 ein, also in jedem 200sten Taxi. 

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Güners Fahrerinnen sind fest angestellt. Alaa ist eine von ihnen. Vor zehn Jahren ist sie aus Syrien geflüchtet. Heute kutscht sie lässig Frauen durch Berlin. 30 Frauen fahren mittlerweile die G-Cars, zu jeder Uhrzeit. Tendenz steigend, die Flotte wächst. Gebucht wird per App. Mit 2,50 Euro pro Kilometer ist die Fahrt etwas teurer als vergleichbare App-Fahrdienste, aber günstiger als ein normales Berliner Taxi (2,80 Euro). Die durchschnittliche Anfahrtszeit liegt bei 20 Minuten. 

Und viele Frauen erzählen während der Fahrt mit der Driverin ihre „Taxi-Storys“, so wie Hannah. Von Fahrern, die anzügliche Bemerkungen machen, die mit ihrer Hand nach hinten greifen, die plötzlich auf Feldwege abbiegen. „Die wenigsten Frauen erstatten Anzeige. Denn der Fahrer kennt ja meistens ihre Adresse“, weiß Güner. 

In Deutschland kamen erste Nacht-Taxis für Frauen Mitte der 1980er Jahre auf die Straßen, etwa in Hamburg, Bielefeld und Tübingen. Sie wurden damals sogar städtisch gefördert. Aber über Modellphasen kamen die Frauentaxis nie hinaus. Einige Städte wie Köln, München, Heidelberg und Stuttgart bieten „Frauen-Nacht- Taxis“ an und vergeben dafür Taxi- Gutscheine. Das Problem: Die Gutscheine sind schnell vergriffen. Die Stadt Essen hat sich kürzlich ausdrücklich gegen Frauen-Taxis für Frauen entschieden. Begründung: Ein solches Angebot würde „Männer diskriminieren“. „Wir können niemandem einen Gutschein geben, ohne andere auszuschließen“, sagte dazu Barbara Wolf, die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Essen. 

Von den Medien wird Nadin Güner immer gefragt, ob sie auch Trans- und non-binäre Personen befördere. „Ganz ehrlich, in der Praxis kommt das kaum vor“, sagt sie. „Wenn ein Mensch wie eine Frau aussieht, fahren wir sie. Das ist bislang einmal vorgekommen und war gar kein Problem. Meine Fahrerinnen entscheiden letzten Endes selbst. Ist ihnen jemand nicht geheuer, aus welchen Gründen auch immer, lassen sie die Person nicht einsteigen.“

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