Trans: Schäden durch Hormone

Trans ist trend - wie hier auf der Sommer-Modenschau von MiuMiu.
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Herr Prof. Huber, was genau passiert bei einer sogenannten „Geschlechtsumwandlung“ in einem Körper, dem man gegengeschlechtliche Hormone verabreicht?
Wir müssen grundsätzlich unterscheiden zwischen dem Phänotyp eines Menschen, das ist sozusagen das, was man sieht - und dem Genotyp des Menschen, das ist das, was man nicht sieht. Mit einer Hormonbehandlung kann man den Phänotyp verändern, also die äußere Erscheinung des Menschen, aber nicht in den Genotyp eingreifen – oder nur sehr limitiert. Man kann das Abrufen der Gene in sehr kleinem Ausmaß mit Hormonen modulieren, aber im Prinzip sind die Gene vorgegeben. Und wenn Sie jetzt Hormone verabreichen, dann können diese Hormone nur da aktiv werden, wo ein Rezeptor ist. Das ist so wie mit Schlüssel und Schlüsselloch. Und generell hat die Frau andere Rezeptoren als der Mann. Daher ist schon von Haus aus die gegengeschlechtliche Behandlung ein Problem, weil das Schlüsselloch nicht da ist, auch wenn Sie den Schlüssel haben. Allerdings kann sich der Körper à la longue seinen Rezeptor zusammenbasteln. Das heißt: Die Androgene, die man längerfristig verabreicht, beginnen, in der Haut Rezeptoren zu schaffen. Und das bewirkt dann einen leichten Bartwuchs und eine tiefere Stimme. Eine biologische Frau wird aber nie die Menge an Rezeptoren entwickeln wie ein Mann. Es kann also immer nur eine graduelle Veränderung geben.

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Und bei Männern, die „Frauen“ werden wollen?
In diesem Fall kann man die Androgene ausschalten. Dann „verweiblicht“ der Mann. Das Phänomen kann man sehr gut sehen bei Männern mit sogenannter „testikulärer Feminisierung“. Das ist eine Abweichung, bei der ein Mann keine Rezeptoren für männliche Hormone hat. Der Hoden produziert also Androgene, aber die können in den Zellen nicht wirken. Und was geschieht? Dieser Mensch entwickelt sich zur „Frau“. Im Zweifel geht die Natur also in Richtung weiblich. Deshalb ist es leichter, wenn ein Mann zur Transfrau werden möchte, weil man dann nur die Androgene blockieren muss. Allerdings ist das große Problem, dass das mit einem vielfach erhöhten Risiko für Gehirntumore verbunden ist. Das nehmen Betroffene aber oftmals in Kauf.

Vor 25 Jahren baute der Endokrinologe Prof. Johannes Huber an der Wiener Uniklinik eine Trans-Ambulanz auf. Heute schläg er Alarm!
Vor 25 Jahren baute der Endokrinologe Prof. Johannes Huber an der Wiener Uniklinik eine Trans-Ambulanz auf. Heute schläg er Alarm! - Foto: L.Beck

Wenn eine biologische Frau männliche Hormone verabreicht bekommt, produziert sie ja – sofern sie sich nicht die Eierstöcke entfernen lässt – immer noch weibliche Hormone. Wie kommt der Körper damit zurecht?
Das ist nur eins von vielen Problemen. Man kann also entweder die Eierstöcke entfernen. Der weibliche Körper ist aber sogar dann in der Lage, unabhängig von den Eierstöcken weibliche Hormone zu bilden, zum Beispiel in den Fettzellen. Deshalb gibt man einen Aromatase-Hemmer. Das ist ein Medikament, das die Östrogenproduktion in den Muskel- und Fettzellen hemmt. Es wird eigentlich in der Krebstherapie eingesetzt. Und hat Nebenwirkungen wie Beschwerden in Muskeln und Gelenken, verringerte Knochendichte oder verursacht, wenn auch seltener, Thrombosen oder Schlaganfälle.

Was macht denn dieser Hormoncocktail mit der Sexualfunktion?
Chaos! Und wenn Sie beim Mann die Androgene blockieren, dann ist die Libido weg. Aber das größere Problem ist, dass sich durch den Androgen-Entzug die Wahrscheinlichkeit eines Gehirntumors erhöht. Das ist in Studien eindeutig nachgewiesen. Wir sehen das auch in der Diskussion um die Präparate, die Mädchen und junge Frauen gegen unreine Haut verschrieben bekommen. Diese Wirkung wird genau durch ein solches Anti-Androgen erreicht, das Cyproteronacetat, das die Wirkung von Testosteron hemmt, das Frauen ja auch produzieren. Vor einiger Zeit hat die Europäische Arzneimittelagentur die Verwendung dieses Medikaments wegen des Hirntumor-Risikos eingeschränkt. Und in der Gynäkologie gibt es eine große Diskussion, ob man diese Präparate überhaupt noch verschreiben soll.

Dann ist es erstaunlich, dass von diesen Gefahren kaum die Rede ist, wenn es um Hormonbehandlungen von angeblich transgeschlechtlichen Jugendlichen geht.
So ist es. Dabei sind das enorme Eingriffe in den Körper. Darüber wird aber zu wenig gesprochen. Wenn man das zum Beispiel vergleicht mit der großen Diskussion, die es über die Hormone gab, die Frauen in den Wechseljahren verschrieben wurden, um die teils wirklich heftigen Wechseljahrsbeschwerden zu mindern: Da ging es um bioidente Hormone für zwei Jahre, und da gab es einen Riesenskandal im Blätterwald! Und jetzt findet man nichts dabei, jungen Menschen ein ganzes Leben lang gegengeschlechtliche Hormone zu geben! Deshalb bin ich ja auch der Ansicht, dass man das jungen Menschen nicht als eine einfache Behandlung verkaufen oder gar anpreisen darf. Grundsätzlich stehe ich auf dem Standpunkt, dass man transsexuellen Menschen helfen soll. Aber es kann nicht sein, dass man den Geschlechtswechsel in den Schulen oder gar in den Kindergärten propagiert.

Sie haben vor 25 Jahren an der Wiener Uniklinik die erste Transambulanz im deutschsprachigen Raum gegründet. Hat sich die Klientel seither verändert?
Die Zahl der Hilfesuchenden hat stark zugenommen. Das Problem ist, dass diese Menschen häufig auch andere seelische Probleme haben. Und wenn man da die psychologische Betreuung ausklammert, so wie das in Deutschland jetzt mit dem „Selbstbestimmungsgesetz“ geplant ist, dann ist das sehr heikel. Denn gerade junge Mädchen, die in der Pubertät eine Menge Probleme haben, glauben, wenn sie das Geschlecht ändern, dann seien diese Probleme alle weg. Es hat ja einen Grund, dass 80 Prozent der Jugendlichen, die das Geschlecht wechseln wollen, Mädchen sind. Das hat doch mit unseren Rollenbildern zu tun. Deshalb müssen wir auch soziologisch auf das Phänomen schauen. Darüber müsste es eine Diskussion in der Gesellschaft geben. Und es wundert mich, dass sich speziell in Deutschland Wissenschaftler zu Wort melden, die nicht mit einem Rundumblick auf das Thema schauen. In Österreich sieht man das etwas ganzheitlicher. Dass in Deutschland geplant wird, dass schon Jugendliche einfach zum Standesamt gehen und ihren Geschlechtseintrag ändern können, und das auch noch einmal im Jahr - da fehlen einem die Worte, so ein Blödsinn ist das.

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Und wie sehen Sie die Behandlung von Kindern mit Pubertätsblockern?
Das ist eine Katastrophe! Ursprünglich wurden diese Pubertätsblocker eingesetzt, wenn ein Kind viel zu früh, also zum Beispiel mit fünf Jahren in der Pubertät kommt. Das kommt extrem selten vor, und dann sollte man behandeln, auch, weil das Kind sonst sehr klein bleibt. Aber wir wissen eben viel zu wenig über die Auswirkungen dieser Pubertätsblocker. Welchen Einfluss haben die für das Knochensystem? Auf die Gehirnentwicklung? Auf das Immunsystem und das Mikrobiom im Darm? Da müsste es klinische Studien geben. Schweden, England und Finnland haben die Behandlung von Kindern mit Pubertätsblockern jetzt untersagt, sie dürfen nur noch innerhalb solcher Studien verabreicht werden. 

Wie funktionieren diese Pubertätsblocker genau?
Die Hypophyse, also die Hirnanhangdrüse, beginnt in der Pubertät zu feuern. Beim Mädchen viel stärker als bei den Jungen, unter anderem deshalb ist die Pubertät bei Mädchen komplexer und störanfälliger. Die Hypophyse schickt zwei Hormone aus, das luteinisierende Hormon LH und das FSH, das follikelstimulierende Hormon, die beim Mädchen die Bildung von Eizellen und beim Jungen die Spermienproduktion anregen. Und nun kann man der Hypophyse sagen, dass sie diese Hormone nicht ausschicken soll. Dadurch kommen keine Signale zum Eierstock oder zu den Hoden. Auch dieses Prinzip kommt eigentlich aus der Krebstherapie, wenn das Tumorwachstum hormonabhängig ist und man es auf diese Weise stoppen will.

Die Verwendung der Pubertätsblocker sind also ein sogenannter Off-label-use, das heißt: Das Medikament wurde ursprünglich für einen ganz anderen Zweck entwickelt?
Genau. Und es fehlen eben Langzeitstudien zu den langfristigen Folgen bei Kindern und Jugendlichen. Ich bin überrascht darüber, dass man ansonsten in der Medizin immer hundertprozentig sicher gehen und ja kein Risiko eingehen will. Und ausgerechnet bei diesen Kindern und Jugendlichen fegt man das alles von Tisch!

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Sie plädieren dafür, die Unterschiede zwischen Frauenkörpern und Männerkörpern in der Medizin stärker zur Kenntnis zu nehmen.
Ja. Es ist mir ein Rätsel, dass die Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Organismen in der Medizin nicht stärker zur Kenntnis genommen werden – und dass sie auch an den Universitäten immer noch viel zu wenig gelehrt werden.

Feministinnen haben lange für dafür gekämpft, dass es jetzt endlich Lehrstühle für die sogenannte Gender-Medizin gibt.
Ja, und jetzt wird die Frau abgeschafft! Es wird so getan, als ob das biologische Geschlecht überhaupt keine Rolle spielt. Aber Sie können eben den Genotyp nicht ändern und der hat einen enormen Einfluss auf den menschlichen Körper. Wenn ein Transmann zum Arzt geht, muss man einfach wissen, was für ein biologisches Geschlecht er hat, weil sein Körper ganz anders reagiert als der Körper eines Mannes. Wenn der Arzt danach nicht fragen dürfte, wäre das medizinisch gefährlich.

Weiterlesen:
Johannes Huber: Das Mann-Frau-Geheimnis (edition a)

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