Transaktivisten bedrohen Wissenschaftler
Die internationale Konferenz „Youth Gender Distress“ in Berlin war noch gar nicht losgegangen, da kursierten im Netz schon „Fahndungsplakate“ von TeilnehmerInnen. „Know your enemy“ stand dort: Kenne deinen Feind. Rosa auf Blau, also in den Farben der Transflagge, waren die Köpfe der angeblichen „Transfeinde“ abgebildet. Einer der ebenfalls im Netz verbreiteten Slogans lautete: „Transfeinden aufs Maul!“ Und das einen Tag nach dem Attentat auf Charlie Kirk. Fehlte nur noch der Scharfschütze.
Einer der Köpfe auf den Fahndungsplakaten ist der von Kathleen Stock. Die britische Philosophie-Professorin kennt das schon, Zielscheibe einer Hetzkampagne zu sein, Morddrohungen inklusive. Transaktivisten hatten gegen Stock mobilisiert, weil sie das biologische Geschlecht für realistisch hält und sich gegen das damals in England geplante „Selbstbestimmungsgesetz“ ausgesprochen hatte (das inzwischen gekippt wurde). Die Professorin hatte 2021 ihre Universität in Sussex verlassen, weil sie die Drohungen und Diffamationen nicht mehr aushielt. Die Universität wurde inzwischen zu einer Strafzahlung von 558.000 Pfund (645.000 Euro) verurteilt, weil die Uni ihre Professorin nicht geschützt und eine freie Debatte verhindert hatte.
Die zwei weiteren „Transfeinde“ auf dem Plakat: Tobias Banaschewski, Medizinischer Direktor der „Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie“ in Mannheim, und Florian Zepf, Leiter der „Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie“ in Jena. Zepf und Banaschewski hatten, gemeinsam mit 13 weiteren Professoren, die neuen Leitlinien zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit „Geschlechtsdysphorie“ öffentlich kritisiert. Diese Leitlinien betrachten Psychotherapie als „unethisch“ und setzen auf Pubertätsblocker und Hormone. Das halten die erfahrenen Jugendpsychiater für „gefährlich“. Banaschewski: „Es ist nahezu absurd, die Psychotherapie als Konversionstherapie abzutun und auf Medikamente und Operationen zu setzen. Und das, obwohl es keine ausreichenden wissenschaftlichen Belege dafür gibt, dass es Minderjährigen nach einer medizinischen Transition langfristig eindeutig besser geht als vorher.“
EGM-Präsident Roberto D’Angelo bei der Eröffnungsrede.
Tobias Banaschewski, Florian Zepf und Kathleen Stock waren drei von rund 100 TeilnehmerInnen der Konferenz „Youth Gender Distress“, die vom 11. bis 14. September in Berlin stattfand. Geheim. An einem Ort, der selbst den TeilnehmerInnen erst am Morgen der Konferenz mitgeteilt wurde – aus Sicherheitsgründen. Denn diejenigen, die die Fahndungsplakate veröffentlicht hatten, machten den Eindruck, durchaus gewaltbereit zu sein. Hashtag #transfeinde_stressen.
Wer sind diese „Transfeinde“, die in Berlin „aufs Maul“ kriegen sollten? Rechte? Faschisten? Im Gegenteil. Sie sind hochverdiente, renommierte Kinder- und JugendpsychiaterInnen und -therapeutInnen aus aller Welt, darunter PionierInnen, die schon seit den 1970ern transsexuelle Menschen auf ihrem Weg unterstützen. Wie zum Beispiel Steven Levine, der 1974 eine der ersten Gender Kliniken der USA gründete und im Vorstand der World Association of Transgender Health (WPATH) saß. Oder Susan Bradley, die 1975 die „Gender Identity Clinic for Children and Adolescents“ ins Leben rief.
Veranstalter der Konferenz war die „Society for Evidence Based Gender Medicine“ (SEGM). Ihr Grundsatz: „Junge Menschen mit Geschlechtsdysphorie verdienen Respekt, Mitgefühl und qualitativ hochwertige Versorgung, die auf wissenschaftlichen Belegen beruht.“ Die SEGM hat sich 2019 gegründet, weil sie „in Sorge war angesichts einer schnell wachsenden Gruppe vulnerabler Jugendlicher mit Geschlechtsdysphorie, die einer hochmedikalisierten Behandlung unterzogen wurden“, von der „nie bewiesen wurde, dass sie effektiv oder sicher ist“. Dazu hat die Gesellschaft laut eigener Aussage „bis heute mit Hunderten Forschern und Klinikern aus über 20 Ländern zusammengearbeitet“.
„Unser Fokus liegt auf Wissenschaft, nicht auf Ideologie oder Politik“, erklärte SEGM-Präsident Roberto D’Angelo in seiner Begrüßung. „Wir verurteilen die Verunglimpfung, Diskriminierung oder Gewalt gegen Transmenschen. Wir stehen für das Recht jedes Mitglieds der LGBTQ+-Community, in Würde, Respekt und frei von Diskriminierung zu leben“, erklärte der australische, offen homosexuelle Psychoanalytiker. „Wir respektieren die Entscheidungen, die reife Erwachsene treffen als zutiefst persönlich. Doch wenn es um Kinder geht, ist unser Ansatz zwar mitfühlend, aber auch vorsichtig. Unser Ziel ist sicherzustellen, dass die Versorgung von Kindern respektvoll ist, ihren individuellen Entwicklungsstand berücksichtigt und das Risiko irreversibler Schäden minimiert wird.“ SEGM fordert deshalb dringlich, die Studienlage zu verbessern, und arbeitet auch selber daran. So ging es auf der Konferenz zum Beispiel um den Zusammenhang zwischen Autismus und Geschlechtsdysphorie, um die (bisher unbekannten) Langzeitfolgen von Hormonen oder den Einfluss von Social Media auf „Transkinder“.
Dennoch begann schon Wochen vorher die Hetze gegen die „transfeindliche Konferenz“: „Praktisch die gesamte Prominenz der weltweit agierenden Transfeinde wird in Berlin aufgeboten“, behauptete die „Deutsche Gesellschaft für Trans* und Inter*geschlechtlichkeit“ (dgti) und „warnte“ Mitglieder medizinischer Fachverbände „ausdrücklich“ vor der Teilnahme. Die SEGM sei eine „Hassgruppierung“.
Auch der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD), der seinen Namen inzwischen um den Zusatz „Verband Queere Vielfalt“ ergänzt hat, warnte vor der „queerfeindlichen Propagandaveranstaltung“.
Vor den Karren der Transaktivisten spannen ließ sich wieder einmal die taz, die deren Hasstiraden ungeprüft und ungefiltert übernahm: „US-amerikanische Propagandatruppen“ hätten sich in Berlin versammelt, fabulierte das Blatt, als ob die Erstürmung des Reichstages bevorstünde. Bei der "Versammlung der Transfeinde" handle es sich um „Hassgruppen“, die mit „pseudowissenschaftlichen Argumentationen“ gegen „die Rechte von queeren Menschen vorgehen“, behauptete die taz. Und unterstellte Referenten wie dem Münchner Kinder- und Jugendpsychiater Dr. Alexander Korte "provokante Außenseiterpositionen" und "Queerfeindlichkeit". Korte ist Verfasser des Buches "Hinter dem Regenbogen", das "differenziert die Aspekte des Themas diskutiert" (FAZ). Illustriert war der taz-Artikel (ein klarer Fall für den Presserat) über die „Versammlung der Transfeinde“ mit zwei erhobenen Stinkefingern.
Was brachte die dgti (übrigens ein mit Steuergeldern geförderter gemeinnütziger Verein), den LSVD und die Berliner Queer-Szene derart zum Schäumen? Die Tatsache, dass die TherapeutInnen und MedizinerInnen, viele von ihnen übrigens selbst homosexuell, die Entwicklung kritisieren, die die sogenannte „Transmedizin“ seit einigen Jahren nimmt. Nämlich Kinder und Jugendliche, die mit ihrem Geschlecht oder auch nur mit ihrer Geschlechterrolle hadern, quasi automatisch und übereilt mit Pubertätsblockern, Hormonen und schließlich Operationen zu behandeln und sie so zu lebenslangen Patienten zu machen. Die SEGM plädiert für ein behutsameres Vorgehen und dafür, nach anderen Ursachen für die „Geschlechtsdysphorie“ (von der übrigens zu 80 Prozent pubertierende Mädchen betroffen sind) zu fragen.
Unwissenschaftlich? Einzelmeinungen? Wohl kaum. Der Präsident des Deutschen Ärztetages sprach auf der SEGM-Konferenz ein Grußwort, die Vorsitzende der „Europäischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie“ wurde per Video zugeschaltet.
Das ist natürlich unbequem für eine sektenartige Szene, die in einer Art magischem Denken darauf beharrt, dass es nicht nur zwei, sondern unzählige biologische Geschlechter gibt (nicht kulturelle). Die der Ansicht ist, dass das biologische Geschlecht keine Tatsache ist, sondern es bei der Geburt nur „zugewiesen“ wird. Und die glaubt, dass jedes Kind, das Pubertätsblocker will, auch welche bekommen muss, weil seine „Geschlechtsidentität“ angeboren ist.
Unübersehbar: Den von den Grünen gehypten Transaktivisten und ihren Allies schwimmen unter der schwarz-roten Regierung gerade die Felle davon. Da wird der ohnehin schon feindselige Ton noch schriller und die Methoden werden fanatischer.
Nach dem Mord an Charlie Kirk dauerte es übrigens nicht lange, bis auf X und Bluesky Tweets von Transaktivisten auftauchten: „JK Rowling next“.