Nawal el Saadawi: Die Löwin vom Nil

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Der Saal in der Kölner Universität ist bis zur letzten Reihe besetzt. Obwohl die Veranstaltung erst in letzter Minute angekündgt worden war, sprach es sich wie ein Lauffeuer herum: Nawal el Saadawi ist da und hält einen Vortrag! Viele arabische Studentinnen und Studenten sind gekommen, um sie zu hören, aber auch Deutsche, die Nawals Bücher gelesen haben. Ein junger Araber sagt bewundernd: „Sie ist die Simone de Beauvoir der arabischen Welt".

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Sie, Nawal el Saadawi, ist 54 Jahre alt, Ägypterin, Ärztin, Schriftstellerin, Feministin. Sie hat 25 Bücher geschrieben, Sachbücher und Romane, und viele dieser Bücher sind Bestseller in den arabischen Ländern. In einige Länder, wie die Golfstaaten, müssen sie heimlich eingeschmuggelt werden. Auf der Westbank schreiben die StudentInnen Saadawis Bücher Seite für Seite mit der Hand ab, um sie anderen weiterzugeben. In Ägypten lesen die Töchter, die die Schule besucht haben, Nawals Bücher ihren Müttern, die nicht lesen und schreiben können, vor.

Nawal el Saadawi, die selbst beschnitten wurde, kämpft schreibend gegen Klitorisbeschneidung, gegen die sexuelle Ausbeutung der Frauen, gegen die Vergewaltigung kleiner Mädchen durch ihre Väter, Brüder und Onkel. Dieses -nicht nur in Ägypten — absolute Tabuthema hat sie bereits zu einem Zeitpunkt öffentlich zur Sprache gebracht, als hierzulande, in der Bundesrepublik erst zaghaft der Schleier über dem „bestgehüteten Geheimnis" gelüftet wurde.

Für ihren Kampf gegen die Unterdrückung der Menschen durch Hunger, Ausbeutung und Erniedrigung und vor allem für ihren Kampf gegen die maßlose Unterdrückung, Erniedrigung und Ausbeutung der Frauen ging sie, 1981, ins Gefängnis. Tausende Frauen in der ganzen Welt protestierten damals gegen Nawal el Saadawis Verhaftung, forderten ihre sofortige Freilassung. Als die Ägypterin schließlich, nach gut zwei Monaten, aus dem Kairoer Frauengefängnis entlassen wurde, war das auch ein Sieg der internationalen feministischen Solidarität.

Heute ist Nawal el Saadawi in Köln. Sie geht zum Podium, neben ihr ihr Mann Sharif. Na­wal erklärt, warum Sharif ne­ben ihr Platz genommen hat: „Wir wollen zeigen, dass es ei­ne andere Möglichkeit des Zu­sammenlebens von Mann und Frau gibt, als die übliche Rol­lenverteilung. Wir wollen den Menschen beweisen, daß es möglich ist, dass eine Frau mal die Hauptperson sein kann, et­was zu sagen hat, und der Mann sie dabei unterstützt und nicht behindert. Umgekehrt ist es ja auch möglich."

Das aufgeregte Getuschel im Saal beruhigt sich. Nawal hat mit dieser Erklärung nicht nur die anwesenden AraberInnen angesprochen. Die Deutschen im Saal wissen, dass das auch in der Bundesrepublik keine Selbstverständlichkeit ist. Auch hier, wo die Frauen nicht verschleiert sind, helfen nur neun Prozent der Männer „ih­ren" Frauen im Haushalt. Und dass ein Mann seine berühmte­re und erfolgreichere Frau un­terstützt, ist auch nicht eben die Norm.

Da braucht es, hier wie da, die Energie einer Nawal el Saada­wi. Wie eine Löwin wirkt sie mit ihrer weißen Mähne, mutig und angriffslustig und gleich­zeitig sehr gelassen. So ernst sie die Verhältnisse nimmt, gegen die sie kämpft, so beißend ist ihre Ironie für die Gegner. Ihr Hauptgegner heißt heute: „is­lamischer Fundamentalis­mus", die strenggläubigen Moslems.

Nawal el Saadawi wuchs in ei­nem Klima relativer Freiheit, relativen Fortschritts auf. Zu­erst in der Familie, später dann im Ägypten Nassers, in dem auch die Frauen ein wenig von der „nationalen Revolution" profitierten. „Als ich studierte und auch noch in den 60er Jah­ren, trug an der Universität keine einzige Frau den Schlei­er", erzählt Nawal, „während heute immer mehr verschleier­te das Straßenbild prägen". Die Fundamentalisten, die die Gesellschaft nach islamischem Recht organisieren wollen, die den Frauen vorschreiben, sich von Kopf bis Fuß zu verhüllen, und sich am besten gar nicht zu zeigen, haben wieder Auf­wind.

„Aber auch wir, die Frauen, die dagegen kämpfen, werden immer mehr", sagt Nawal, und sie weiß, wovon sie spricht. Vor vier Jahren grün­dete sie zusammen mit einer Handvoll Mitkämpferinnen AWSA, die ,,Arab Women Solidarity Association" (Organisation für die Solidarität der arabischen Frauen). Heute hat AWSA bereits Tausende Mitglieder in allen arabischen Ländern, in diesem Monat hält sie ihren ersten großen Kon­gress in Kairo ab.

Eines der wichtigsten Projekte der AWSA-Frauen ist die Zeit­schrift, die sie demnächst her­ausgeben wollen. „Die neue arabische Frau" soll sie heißen und mit 50.000 Exemplaren Startauflage in der ganzen ara­bischen Welt verbreitet wer­den. Sitz der Zeitschrift in Kai­ro wird „der erste arabische autonome Frauenverlag" sein.

Und weil Nawal el Saadawi und die AWSA-Frauen sehr genau wissen, dass die Mehr­zahl der Frauen über eine Zeit­schrift nicht erreichbar ist, will der Verlag ein Medienzentrum mitaufbauen, in dem vor allem mit audiovisuellen Mitteln, Vi­deos, Filmen, Plakaten gear­beitet werden soll. 70 Prozent der Frauen in Ägypten sind Analphabetin­nen. Nawal el Saadawi ist mit diesen Frauen aufgewachsen, in Kafr Tahla, einem kleinen Dorf am Nil, wo die Familie ih­res Vaters lebt.

Was Unterdrückung heißt, was Klassenwidersprüche sind und in welcher Sklaverei Frau­en leben, lernte sie von klein auf. Im Dorf, wo die armen Bäuerinnen, ausgezehrt von harter Arbeit, von zuviel Ge­burten und zuwenig Essen, früh starben. In der Stadt, wo die - bürgerliche - Familie ihrer Mutter Nawal und ihre acht Geschwister als „bäurisch und primitiv" verhöhnte.

Nawals Vater hatte nur dank eines Stipendiums studieren können und es so zum Beamten im Erziehungsministerium ge­bracht. Nawals Mutter, aus reichem Haus, war als Tochter von der Schule genommen und mit 16 verheiratet worden. Na­wal: „Obwohl da genug Geld war, um sie studieren zu lassen, durfte sie nicht. Sie war ja nur ein Mädchen. Und sie hat ihr Leben lang darunter gelitten, sie wäre so gerne eine Marie Curie geworden."

Der Freiheitswille der Mutter und der Glaube des Vaters an Erziehung - auch für Mäd­chen - haben Nawal geprägt. Wie die Gegensätze zwischen Dorf und Stadt, die sie als Kind sehr krass erlebte, die Verach­tung der Reichen für die Ar­men, der Städter für die Dörf­ler: „Deswegen hasse ich die arroganten Menschen der Oberschicht. Ich hatte sie von klein auf vor Augen."

Nawal erhielt ein Stipendium und studierte in Kairo Medi­zin. Sie machte schnell Karrie­re, brachte es bis zur Leiterin des Gesundheitsamtes im Gesundheitsministerium. Doch schon während sie im Kran­kenhaus arbeitete, wusste sie, dass sie nicht so weitermachen wollte: „Ich konnte mich dem medizinischen Betrieb nicht beugen, ich konnte meine Kar­riere nicht darauf aufbauen, dass die Menschen krank ge­macht werden."

Stattdessen beginnt sie zu er­forschen, warum und von wem die Menschen krank gemacht werden. „Die Menschen", das heißt für Nawal el Saadawi sehr schnell vor allem: die Frauen. Und unter den Frauen besonders die Ausgestoßenen, Verrückten, die Rebellinnen. Die Heldin eines ihrer bekann­testen (auch auf deutsch er­schienenen) Romane ist eine Prostituierte, die zur Mörderin wird - und damit ihre Würde und Selbstachtung wiederher­stellt.

Immer mehr interessiert sich die junge Ärztin Saadawi für die psychosomatischen und psychischen Störungen, unter denen Frauen leiden, immer ge­nauer erkennt sie: Es sind viel mehr Frauen als je angenom­men, die psychische Probleme haben - und die Ursache ihrer Leiden heißt: sexuelle Unter­drückung.

Nawal el Saadawi untersucht 160 Frauen aus den verschie­densten Schichten, aus Stadt und Land, und findet heraus: Fast die Hälfte (45 Prozent) der Frauen in Ägypten aus un­gebildeten, und ein Drittel der Frauen aus gebildeten Fami­lien wurden als Mädchen von erwachsenen Männern sexuell missbraucht! Von Vätern, Brü­dern, Großvätern, Onkeln. Sie veröffentlicht die Ergebnisse dieser Studie, die sie im Rah­men eines Forschungsprojekts der Kairoer Ein Shams-Universität erstellt hatte, in ihrem Buch „Die Sexualität der Frau". Das Buch wird zum Bestseller - und verboten.

1972 wurde sie von ihrem Po­sten im Ministerium gefeuert und erhielt absolutes Publika­tionsverbot: „Keine Zeile von mir durfte mehr erscheinen, ja nicht einmal mein Name durfte mehr genannt werden."

Nawal el Saadawi denkt nicht daran, aufzugeben. Sie lässt ihre Bü­cher in West-Beirut drucken, das damals noch, vor dem 82er Krieg, ein Zentrum der Freiheit und des intellektuellen Lebens der arabischen Welt war. Und auf Schmuggelpfaden finden ihre Bücher den Weg zurück nach Ägypten und in die ande­ren arabischen Länder, wo schon unzählige Menschen, Frauen, aber auch einige Män­ner, daraufwarten.

1984 läßt Präsident Sadat in ei­ner großangelegten „Säube­rungswelle" Regimegegner/in­nen jeder Couleur verhaften: Von Fundamentalisten bis Feministinnen. Auch Nawal el Saadawi, die dem US-freund­lichen konservativen Sadatregime sowohl als exponierte Lin­ke als auch als militante Femi­nistin ein Dorn im Auge war, landet im Gefängnis.

„Man hielt mich offenbar für sehr gefährlich", lacht sie im Rückblick: „Nicht weil ich mit Waffen gekämpft hätte, son­dern weil meine Bücher schein­bar als Waffen empfunden wurden. Ein Gefängnisbeam­ter sagte mir, wenn ich in ihrer Zelle eine Pistole finde, ist das für sie nicht so schlimm, wie wenn ich Papier und Feder entdecke. Und so haben sie jeden Tag meine Zelle durchsucht."

Nur ihr Kopf konnte auch durch eine Zellenrazzia nicht beschlagnahmt werden, und so schrieb Nawal, kaum wieder in Freiheit, ihr „Gefängnistage­buch". Darin berichtet sie auch von der fundamentalistischen Mitgefangenen, die ihr sagte: „Solche wie du sind die ersten, die wir hängen, wenn wir an die Macht kommen." Nawal glaubte ihr aufs Wort — die Entwicklung im Iran vor Augen.

Wenn auch das ägypti­sche Regime ab und an militan­te Anhänger der islamischen Gruppen verhaften lässt, wissen die doch sehr gut, dass ihre Hauptfeinde bei Teilen der Lin­ken und, vor allem, bei den re­bellierenden Frauen zu finden sind. Und ganz und gar nicht bei der Regierung, die diese Gruppen für ihre eigenen Zwecke benutzt - gegen die revulotionären Kräfte im Land.

Dass die Fundamentalisten im­mer mehr Zulauf bekommen, wundert Nawal el Saadawi nicht sonderlich: „In unserem Land herrscht eine unbe­schreibliche Armut. Und diese Gruppen sind fast die einzigen, die den Leuten praktisch helfen. Sie bauen Sozialstationen, Krankenhäuser, Moscheen, Einrichtungen, in denen die Menschen gratis Hilfe finden. Da ist es doch kein Wunder, wenn die Leute wieder öfter in die Moschee gehen. Der Preis, den sie bezahlen, ist die religiö­se Indoktrinierung. Das Geld für diese Einrichtungen be­kommen die Fundamentalisten von den USA und Saudi-Ara­bien. Natürlich nicht aus Menschenfreundlichkeit. Sondern weil die ein massives Interesse daran haben, alle fortschrittli­chen Kräfte zu schwächen und zurückzudrängen. Und dazu sind ihnen die religiösen Grup­pen von Nutzen."

Auch, dass wieder mehr Frauen den Schleier tragen, hat viele Gründe, und nicht nur religiö­se. Nawal: „Manche Frauen sagen tatsächlich, es ist Gottes Wille und glauben es auch. Vor allem die armen Frauen. Ande­re, reiche Frauen, tragen den Schleier, um in gewissen Krei­sen etwas zu erreichen. Es gibt viele, die verschleiert gehen, um auf der Straße nicht belä­stigt zu werden, der Schleier verleiht der Frau ein gewisses Prestige, macht sie - in der Öf­fentlichkeit - unantastbar. Und, vor allem, der Schleier verdeckt die Armut, er macht das äußere Erscheinungsbild der Frauen gleich. Aber es gibt eben auch zunehmend mehr Frauen, die glauben, der Schleier sei ein Ausdruck von Authentizität. Er stünde für is­lamische Kultur und Tradition. Diese Frauen wollen mit dem Schleier gegen die Verwestli­chung protestieren."

Ihnen hält Nawal unermüdlich entgegen, dass der Schleier kei­ne islamische Erfindung ist und dass der Koran ihn nicht vor­schreibt. Sie ist inzwischen Expertin für arabische Geschichte und für die Geschichte der ara­bischen Frauenbewegungen.

Voll Stolz erzählt sie von den starken Frauen aus der Zeit des Propheten, von den Beduinen, von den ersten Frauenrechtle­rinnen in Ägypten und im Liba­non um die Jahrhundertwende. Schon vor 1900 waren die er­sten Bücher über die „Befreiung der Frau" erschienen, 1923 kämpfte die Frauenbewegung in Ägypten gegen Polygamie und Schleierzwang.

„Wir ara­bischen Frauen mussten nicht warten, bis der Feminismus aus dem Westen kam, um uns zu sa­gen, was wir tun sollen. Wir ha­ben eine lange Tradition der Be­freiungskämpfe, deshalb nen­nen wir unsere Bewegung auf arabisch auch nicht Feminis­mus, sondern ,tahrir'-Befreiung."

Doch Nawal el Saadawi ist nicht der Typ Funktionärin, der westlichen Feminismus als kleinbürgerlich und rassistisch diffamiert. Sie hat sich zu lange mit dem Sexismus, der Frauen­verachtung der männerdomi­nierten Linken herumgeschla­gen, um solche Spaltungsma­növer nicht zu durchschauen. Internationale Solidarität der Feministinnen ist ein fester und wichtiger Punkt in ihrem Pro­gramm, und: „Wenn man mich hier, im Westen, fragt, ob ich Feministin bin, sage ich selbst verständlich ja."

Doch sie ist auch äußerst sensi­bel für den latenten Rassismus, von dem auch manche Femini­stinnen nicht frei sind. „Wenn die Frauen hier, bei euch, im­mer davon ausgehen, dass bei uns nur unterentwickelte, hilf­lose, verschleierte Geschöpfe herumlaufen, die auf euren Rat gewartet haben, dann frage ich sie: Was wisst ihr eigentlich von der Geschichte der arabischen Frau? Was wisst ihr überhaupt von uns!?"

Einer der glücklichsten Tage in ihrem Leben, erzählt sie, war, als sie entdeckte, dass Isis, die Göttin des alten Palästina und Ägypten, „Wissen" bedeutet, und nicht „Erde, Fruchtbar­keit". Nawal: "Isis wurde immer als Göttin der Reproduktion ausgegeben, als mütterliche Natur. Dabei stand sie für Klar­heit, Wissen, Intellekt. Für die intellektuellen Fähigkeiten von Frauen."

"Die Entschleierung der Köp­fe", im wörtlichen wie im über­tragenen Sinn, ist ihr Pro­gramm. Ein Programm, das sie selber immer gelebt hat. „Ich konnte noch nie gehorchen", beteuert sie stolz, „meinem Va­ter nicht, und schon gar nicht einem Ehemann." Sharif ist ihr dritter Ehemann. Mit ihm, der als Linker 15 Jah­re seines Lebens im Gefängnis saß, der selbst Arzt und Schriftsteller ist und Nawals Kampf voll unterstützt, lebt sie, seit ihr Sohn und ihre Tochter ausgezo­gen sind, in ihrer Kairoer Woh­nung: Als Gegenmodell zur herkömmlichen Ehe.

Ihre bei­den ersten Männer hat sie ver­lassen — genauer gesagt — gefeuert: „Bei meinem ersten Mann war das so: Ich arbeitete schon als Ärztin und Schrift­stellerin, und er verlangte von mir, ich solle jeden Abend ko­chen." Nawal dachte nicht dar­an. Wenn schon kochen, dann beide, beharrte sie, und als er das nicht einsehen wollte, musste er gehen: „Ich hatte immer meine eigene Wohnung, in der ich auch gut alleine leben kann. Wenn ich einen Mann einlade, zu bleiben, kann er bleiben. Wenn ich nicht mehr mit ihm einverstanden bin, muß er ge­hen."

Starke Worte für eine Frau. Starke Worte besonders für ei­ne Frau, die in einer Gesell­schaft lebt, in der Frauen nicht viel mehr Wert haben als ein Haustier. In der Mädchen die Klitoris abgeschnitten wird, in der Väter sich das Recht neh­men, ihre Tochter zu töten, wenn sie „die Ehre der Fami­lie" verletzt hat. „Es ist eine merkwürdige Auf­fassung von Ehre, die in unse­rer arabischen Gesellschaft herrscht", schreibt Nawal el Saadawi in ihrem Buch „The hidden Face of Eve" (das ver­borgene Gesicht Evas; auf deutsch unter dem Titel „Tschador" erschienen). „Die Ehre eines Mannes ist stärker vom Verhalten der Frauen in seiner Familie abhängig, als von seinem eigenen Verhalten. Solange diese ihr Hymen nicht vorzeitig verlieren, ist seine Mannesehre nicht in Gefahr."

Das „hidden face of Eve", das verhüllte Gesicht der Frau ist das Gesicht ihrer Unterwerfung. „Und durch Unterwer­fung ändern wir unsere Lage nicht", hält Nawal ihren Schwestern entgegen, die den Schleier tragen, um gegen die Ausbeutung der arabischen Welt durch den Westen, den Imperialismus zu protestieren: „Wenn wir wirklich etwas ver­ändern wollen, dann müssen wir den Westen ökonomisch, politisch bekämpfen. Der Schleier schafft den Hunger nicht ab, an dem jährlich rund eine Million Kinder in den ara­bischen Ländern sterben. Und schon gar nicht schafft er unse­re Versklavung als Frauen ab."

Die Heldinnen ihrer Romane, sind Frauen, die ihr Schicksal lange geduldig ertragen. Die sich schlagen und treten lassen, die, vergewaltigt, verachtet und bespuckt, immer noch auf Al­lah hoffen. Und doch ist eines immer noch stärker als die Ge­duld dieser Frauen: Ihr Bedürf­nis nach Würde. Ihr Anspruch darauf, ein Mensch zu sein. Ihr Anspruch auf Befreiung — die Rache heißt.

Und so werden sie zu Mörde­rinnen an den großen und klei­nen Tyrannen, die als Repräsentanten für die ganze ausbeu­terische Männergesellschaft stehen. Die Prostituierte Firdaus ersticht ihren letzten Frei­er, einen hohen Regierungsbe­amten. Die Bäuerin Zakeya er­schlägt mit der Axt den Bürger­meister, der die Mädchen des Dorfes vergewaltigt, ge­schwängert und in die Kata­strophe getrieben hat. Im Gefängnis bittet eine Mitge­fangene Zakeya, ihr doch zu sa­gen, wo Allah ist: „Wenn er hier wäre, könnten wir ihn an­flehen, Erbarmen mit uns ar­men Frauen zu haben." Za­keya erwidert ihr: „Es ist dort drüben, mein Kind. Ich habe ihn dort drüben am Ufer des Nils begraben."

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