Stoppt das Homo-Mahnmal

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Wenn nicht ganz schnell etwas passiert, ist es zu spät. Denn der umstrittene Entwurf für das Homo-Mahnmal ist bereits in der Realisierungsphase. Der Bauplan soll bis Mitte November geprüft, bis Mitte Dezember verabschiedet und ab April 2007 umgesetzt werden. Es wäre dann nicht mehr rückgängig zu machen, dass in Berlin für 600.000 Euro Steuergelder ein Homo-Mahnmal errichtet wird, das ausschließlich der schwulen Opfer in der Nazi-Zeit gedenkt – die lesbischen Opfer jedoch ignoriert.

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Öffentlich wurde der Skandal erst nach der EMMA-Berichterstattung in der Ausgabe vom September/ Oktober 2006. EMMA machte darauf aufmerksam, dass der von der Jury prämierte Entwurf gegen die Ausschreibung verstößt, die lautet:

„Mit diesem Gedenkort wollen wir die verfolgten und ermordeten Opfer ehren, die Erinnerung an das Unrecht wach halten, ein beständiges Zeichen gegen Intoleranz, Feindseligkeit und Ausgrenzung gegenüber Schwulen und Lesben setzen.“Schwulen und Lesben.

Heraus gekommen ist „ein Mahnmal, das die Satire schon im Entwurf provoziert“ (Die Zeit). Und das auch rein künstlerisch gesehen. Der Entwurf: Ein kleines Guckloch in einem 3,60 x 4,50 Meter großen, grauen Betonquader erlaubt den Blick auf ein in Endlosschleife projiziertes küssendes Männerpaar. Die ästhetische Anspielung auf das unweit stehende Stelenfeld von Eisenman ist dabei wohl ebenso gewollt, wie die Anlehnung an die heimliche Klappen-Sexualität in der schwulen Subkultur eindeutig. „Ob sich ein Betonbunker mit Peepshowcharakter als Mahnmal für homosexuelle NS Opfer eignet, sei dahingestellt“, spottet der rundblick Nord-Report.

In der Tat lässt schon die künstlerische Qualität des Entwurfs von Michael Elmgreen und Ingar Dragset extrem zu wünschen übrig, was bei der Jury erstaunt. Aber vielleicht hatte die Jury das Ganze ja politisch-korrekt als „Betroffenheitskunst“ abgehakt und dem bekennend schwulen Künstlerpaar einfach vertraut?

Und die Künstler? Sie machen es sich in der aktuellen Kontroverse so einfach wie mit ihrem Entwurf. Sie entgegneten auf erste, frühe Einwände zunächst lässig: Die Frauen sollten sich doch einfach „mitgemeint“ fühlen, sich mit dem Mahnmal „identifizieren“. Jetzt, wo der Protest immer breiter wird, beschweren sie sich über „die brutalen Attacken im Stil der Klatschpresse“ – womit sie die Unterschriftenaktion auf EMMAonline meinen, der sich inzwischen fast tausend Frauen und Männer angeschlossen haben –, verbitten sich eine Kritik des „puren Populismus“ und ziehen sich auf ihre Freiheit als „Schöpfer“ zurück. Die mit dem Mahnmal Beauftragten scheinen das Ganze weiterhin für ihre Privatsache zu halten – und das enorme Politikum eines solchen Homo-Mahnmals überhaupt nicht zu erfassen.

Selbst der Initiator des Mahnmals, der ‚Lesben- und Schwulenverband Deutschland‘ (LSVD) – dessen Vorstandsmitglied Günter Dworek anscheinend als einziger in der Jury gegen den Entwurf gestimmt hatte –, ist inzwischen öffentlich davon abgerückt. In einer Erklärung vom 10. September erinnert der LSVD an die Verfolgung der Lesben in der Nazizeit (auch ohne § 175 und rosa Winkel!) und schließt mit dem Satz: „Der LSVD fordert die Bundesregierung, insbesondere den Kulturstaatsminister, den Berliner Senat und die Künstler auf (…) sicherzustellen, dass der Bundestagsbeschluss in allen drei Punkten Berücksichtigung findet.“ Punkt drei: Das Zeichen für Schwule und Lesben.

In der Tat, auch Kulturstaatsminister Bernd Neumann, der sich verständlicherweise wundert, dass die Kritik so spät kommt, stellt sich längst Fragen. „Die fortbestehende Kritik wäre eine schwere Belastung für das Denkmal und würde es in seiner Wirkung bereits vor der Errichtung  erheblich beeinträchtigen“, antwortete der Minister auf Anfrage von EMMA. „Ich hoffe daher sehr, dass es (…) möglich sein wird, eine allen Beteiligten gerecht werdende Lösung zu finden.“

Inzwischen sind zahlreiche der qua Kultur oder qua Politik zuständigen PolitikerInnen aller Parteien hellhörig geworden. Etliche unter ihnen haben den EMMAonline-Aufruf unterzeichnet – übrigens auch Bernhard Rosenkranz, der Initiator der Initiative „Stolpersteine für homosexuelle NSOpfer“. Es ist in der Tat ärgerlich, dass das Ganze so lange so unwidersprochen so schief laufen konnte. Liegt das nur an der patriarchalen Dominanz der Schwulen in der Homoszene wie in gemischten Homo-Verbänden? Oder liegt es auch an der mangelnden Power der Lesben? Vermutlich beides. Ilse Kokula jedenfalls, die erfahrene Lesben-Lobbyistin, ist stocksauer. „Das ist“, klagt sie, „das dritte Mal, dass  die Schwulen allein öffentliche Gelder einsacken, die eigentlich für Schwule und Lesben gedacht waren“.

Das erste Mal war 1996. Da flossen 1,2 Millionen DM für ‚100 Jahre Homosexualität‘: eine Ausstellung plus Katalog, die „total an den Frauen vorbei ging“. Darauf folgten 750.000 DM für Forschungsprojekte zur Homosexualität im Nationalsozialismus. Resultat: Die gesamte Summe ging in schwule Projekte (Kein Wunder, dass nur so wenige Daten über die Verfolgung von Lesben vorliegen). Und jetzt das Homo-Mahnmal …

Ein Grund mehr, das nicht auch noch hinzunehmen. Mal ganz abgesehen von dem formal eindeutigen Verstoß gegen die Ausschreibung. Sollte das Mahnmal wirklich in der Form gebaut werden, hätten die Zuständigen sich für die unrechtmäßige Verwendung der Steuergelder zu verantworten.
EMMA 6/06

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