Mannsbilder: Ja, da schau her!

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Ursula Männle hat extra eine Reise abgesagt, weil sie dabei sein will. Denn möglicherweise wird es ein historischer Tag. Männle glaubt, und ist damit nicht die Einzige, dass es um nicht weniger geht als darum, ob ihre Partei zukunftsfähig sein wird. Die CSU. Am 29. und 30. Oktober ist CSU-Parteitag. Und da geht es um die Frauenquote.

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40 Prozent der Ämter sollen weiblich besetzt werden, so will es die Frauenunion. Ja und? Die meisten Parteien haben eine solche Regelung, auch Unternehmen wie die Telekom haben inzwischen Vereinbarungen über die Anzahl ihrer weiblichen Führungskräfte eingeführt. Aber die CSU tut sich ungleich schwerer mit ihren Frauen. Seit Monaten schwelt die Diskussion und sie wird höchst emotional geführt. Aus einer Versammlung ist der Satz eines christsozialen Herrn überliefert: „Jetzt reicht’s aber mit den Weibern!“

Wie die Abstimmung auf dem Parteitag ausgehen wird, ist noch ungewiss, derzeit werden die Befindlichkeiten sondiert. Parteichef Seehofer wird Gespräche führen, er hat sich Mitte September auf die Seite der Frauen geschlagen. In einer außerordentlichen Sitzung signalisierte der Parteivorstand Sympathie für den Vorschlag der Frauenunion. Nicht nur um die 40 Prozent ging es da, die CSU will das nächste Jahr außerdem zu einem „Jahr der Frau“ in der Partei ausrufen. „Ich mache das sehr zu meiner persönlichen Sache“, sagte Seehofer. Wie ein Löwe wolle er für die Frauenquote kämpfen. Anfang Oktober soll der Parteivorstand einen entsprechenden Antrag für den Parteitag verabschieden.

Da will es Seehofer keinesfalls zum Eklat kommen lassen, doch einfach werden die Gespräche trotzdem nicht. Denn die Lage bleibt kompliziert: Es handelt sich nicht einfach um einen Konflikt zwischen Frauen und Männern. Freilich sind viele Männer dagegen, solche vor allem, die um ihre Posten fürchten, wenn die Frauen aufholen. Aber schärfster Gegner einer Frauenquote ist die Junge Union. Vor allem die jungen Frauen wollen keine Quote, allenfalls irgendeine laxere Form einer vagen Frauenförderung: Kinderbetreuung während der Sitzungen und Schulungen für Frauen, damit die sich während der Diskussionen auch mal was gegen die Männer zu sagen trauen. Sowas in der Art.

„Appelle hatten wir schon genug“, sagt dagegen Barbara Stamm, 65. Die bayerische Landtagspräsidentin ist eine von den Geläuterten. Eine von denen, die es ohne Quote zu etwas gebracht haben in der Partei – und jetzt trotzdem eine fordern. Weil es nicht besser geworden ist. Auch Ursula Männle, 66, die Landtagsabgeordnete und frühere Ministerin gehört dazu.

„Als ich jung war, war ich auch gegen die Quote“, sagt Männle. War ja klar, sie wollte schließlich keine „Quotenfrau“ sein. Und es war nicht so schwer, in der Jungen Union auch als junge Frau irgendeinen Posten zu bekommen. Erstmal. Aber auf Dauer eben doch. Weil immer ein Mann da ist, der das Amt auch haben will. Und bereit ist, rücksichtsloser darum zu kämpfen.

„Qualität und Quote widersprechen sich nicht“, sagt Männle, die lange Vorsitzende der CSU-Frauen war und als „heimliche Feministin“ gilt. Männle will damit das Argument entkräften, das vor allem der weibliche Nachwuchs anführt: Dass sie nicht wegen der Quote, sondern wegen ihrer Eignung etwas erreichen wollen. Das fänden auch die Älteren eigentlich gut. Aber es läuft in der Realität eben anders. Da zählt irgendwann die Qualität weniger als das Geschlecht. Es geht um den Zugang. „Wir Frauen müssen eine kritische Masse erreichen“, sagt Ursula Männle.

Barbara Stamm sieht das ähnlich. Sie hat es geschafft, ist die erste Landtagspräsidentin Bayerns und stellvertretende Vorsitzende der CSU. Und hat sich trotzdem oft über ihre Partei geärgert. „Wenn meine Partei uneingeschränkt „Ja“ zur Frauenförderung sagen würde; wenn sie den Weg ebnen würde für die Frauen, dann würde ich ja nie auf die Idee kommen eine innerparteiliche Quote zu fordern.“ Die CSU müsse endlich zur Besinnung kommen, sagt sie.

Die CSU hat heute den geringsten Frauenanteil aller Parteien, gerade einmal 18 Prozent der Mitglieder sind weiblich. Und dann haben die Wahlanalysen der vergangenen Jahre auch noch ergeben, dass die CSU für junge, gut ausgebildete Wählerinnen „nicht attraktiv“ sei. Bei der desaströsen Landtagwahl im September 2008 holten die Christsozialen bei den Wählerinnen zwischen 18 und 45 gerade mal 30 Prozent. Der Druck steigt. Horst Seehofer hat das Problem nach seiner Wahl zum Parteichef 2008 zumindest benannt und angekündigt, die CSU jünger und weiblicher machen zu wollen.

Aber das reicht nicht. „Frauen brauchen mehr Unterstützung“ folgert auch die Politikwissenschaftlerin Isabelle Kürschner, die die Situation der Frauen in der CSU in ihrer Studie erstmals wissenschaftlich untersucht hat, Titel: „Den Männern überlassen wir’s nicht.“ Sie fand heraus, dass die CSU eine „zutiefst männliche Partei“ ist, die mit ihrer konservativen Grundausrichtung lange zur weitgehenden Bedeutungslosigkeit von Frauen im öffentlich-politischen Bereich beigetragen hat. „Frauen haben in der Politik der CSU keine Tradition“, schreibt Kürschner.

Diejenigen, die sich trotzdem in der Partei engagieren, müssen das eben in Strukturen tun, „die von und für Männer und für männliche Biografien geschaffen wurden“. Das ist das eine. Das andere ist das traditionelle Familienbild der CSU. Frauen sollen sich daheim um die Kinder und den Haushalt kümmern, anstatt Karriere zu machen oder sich gar politisch zu engagieren. Der frühere Ministerpräsident Hanns Seidel formulierte das so: „Es ist nicht notwendig, dass die Politik mit Frauen überschwemmt wird – das würde ihren Aufgaben in Familie und Volk widersprechen.“

Zugegeben, das ist ein halbes Jahrhundert her, aber dieses Rollenverständnis dominierte noch lange das Familienbild der CSU. Und das ihrer Wähler. Wie schwer hat sich die CSU damit getan, Kinderkrippen als sinnvoll anzuerkennen! Noch bis vor kurzem hat die Bayern-Partei solche Einrichtungen als sozialistisches Teufelszeug disqualifiziert.

Bei aller Tradition. Das Widersprüchliche an der CSU ist, dass es genau die Frauen in der Partei zu etwas bringen, die dem klassischen Familienbild oft nicht entsprechen. Auch das hat Isabelle Kürschner festgestellt. So ist ein großer Teil der erfolgreichen CSU-Frauen kinderlos: wie zum Beispiel die Ex-Justizministerin Berghofer-Weichner oder die Ex-Ministerin Männle. Oder sie widmen sich der Politik erst nach der Kindererziehung. Alles andere ist verdächtig. „Politikerinnen wird von vornherein unterstellt, dass sie die Familie vernachlässigen“, erzählt Barbara Stamm.

Die Mutter einer bei den Grünen engagierten Tochter weiß, wovon sie spricht. Andererseits durfte etwa die bayerische Justizministerin Beate Merk nicht Familienministerin werden, weil sie keine Kinder hat. Schizophrenie à la CSU.

Und noch etwas Interessantes ergibt sich aus Kürschners Studie: Nur Frauen, die sich anpassen, werden was. „Bessere Chancen, sich von der männlichen Übermacht fördern zu lassen, haben Frauen, die ihr Geschlecht selbst kaum thematisieren und sich auch nicht zu offensichtlich für Gleichstellungsbelange und Frauenförderung einsetzen“, schreibt Kürschner. Was vermutlich keineswegs nur für die CSU gilt.

Alle Frauen, deren politische Lebensläufe die Forscherin untersuchte, hatten ihre Karrieren nicht geplant. Sie wurden angesprochen, zur Kandidatur aufgefordert. „CSU-Frauen werden von Männern ausgesucht“, konstatiert Kürschner. Am Anfang. Später werden dann die Frauen zu Konkurrentinnen.

Isabelle Kürschner hat auch das festgestellt: „Frauen werden einfach oft übersehen. Eben weil es keine Quote gibt, sitzen da immer fünf Männer und melden sich, wenn jemand für ein Amt gesucht wird.“ Die Frauen sitzen daneben und sagen nichts. Also selbst schuld? Die Parteien-Forscherin fand auch heraus, dass die Netzwerke nicht funktionieren, weil sich die Frauen nicht verbünden.

„Aber nicht nur die Frauen, auch Politik und Partei müssen sich ändern“, sagt Kürschner. Deswegen kommt sie, obwohl jung, zum gleichen Schluss wie die erfahrenen Politikerinnen: Die Quote muss her, sonst ändert sich gar nichts!

Übrigens: In der CSU gibt es längst Quoten. Für alles Mögliche. Die Junge Union fordert bei den Kommunalwahlen vier Listenplätze unter den ersten zehn für ihre Kandidaten. Die Berufsstände achten darauf, dass sie entsprechend vertreten sind. Kein CSU-Gremium ohne Landwirt. Und schließlich der heilige Regionalproporz, der jede Kabinettsbildung in Bayern dominiert. Da wurde zuletzt ein als Agrarminister vorgesehener Tierarzt doch zum Kultusstaatssekretär gemacht, weil er aus dem falschen Regierungsbezirk kam. So ist das in der CSU. Quotenfranken gibt es schon lange. Quotenfrauen immer noch nicht.

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