Julia Roberts: Barfuß nach oben

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Diese Szene auf dem roten Teppich in Cannes müssen Sie sich ganz in Ruhe vergegenwärtigen: Julia Roberts - strahlendes Lächeln, wehendes Haar, elegante schwarze Robe und ein grüner Smaragd-Klunker um den Hals - schreitet die 24 Stufen zum glamourösen Filmpalast in Cannes hinauf, um ihren neuen Film „Money Monsters“ zu präsentieren (Regie führte Jodie Foster). Aber irgendetwas stimmt nicht… Ist es der etwas zu dunkle Nagellack auf Julias Fußnägeln? Nein … Moment mal: Die Frau hat ja gar keine Schuhe an!

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Julia Roberts Barfuß-Coup war ein effektiver Seitenhieb

Barfuß auf dem roten Teppich, das ist für die Crème de la Crème des Cinemas an der Côte d’Azur wahrscheinlich so, als würde sich eine nackte Naturschützerin an einen Baum ketten, um eine Tierart zu retten. Krass! Die Roberts ohne Schuhe! Hat sich einfach in ihren Heels an der Security vorbei auf den roten Teppich gestohlen und die Schuhe dann eiskalt ausgezogen!

Julia Roberts Barfuß-Coup war ein kleiner, aber effektiver Seitenhieb auf die Festival-Organisation, die im vergangenen Jahr eine Gruppe erwachsener Frauen in flachen Sandalen des roten Teppichs verwiesen hatte. Ausgerechnet bei der Premiere der lesbischen Liebesgeschichte „Carol“.

Der High-Heel-Zwang in Cannes sorgte 2015 für Empörung unter weiblichen Filmstars und unter dem Hashtag #flatgate für Empörung im Internet. Festivaldirektor Thierry Frémaux tat öffentlich Buße. Vielleicht hätte er diesmal trotz Cannes-Stress kurz den britischen Premierminister David Cameron anrufen sollen. Denn so, wie es derzeit aussieht, hat das britische Parlament bald sein eigenes Flatgate: Es wird in Kürze nämlich die Frage diskutieren müssen, ob es legal ist, dass Unternehmen ihre Mitarbeiterinnen dazu nötigen, bei der Arbeit hohe Absätze zu tragen.

Der Absatz-Zwang verweist Frauen in ihre Schranken

Dass das Thema seinen Weg nach Westminster gefunden hat, ist der bis dahin noch unbekannten Schauspielerin Nicola Thorp zu verdanken, die sich als Rezeptionistin ein paar Pfund dazu verdienen wollte. An ihrem ersten Arbeitstag bei der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC in London erschien Nicola in flachen Schuhen - und wurde prompt wieder weggeschickt. Sie sollte sich neue Schuhe besorgen, die den „Anforderungen an eine Rezeptionistin“ entsprachen. Meint: fünf bis zehn Zentimeter hohe Absätze. Thorp weigerte sich. „Sie haben von mir verlangt, dass ich neun Stunden lang Kunden zu den Konferenz-Räumen begleite. Wie hätte ich das denn in Heels durchstehen sollen?“

Mit ihrem Hinweis, dass sie den Job in flachen Schuhen genauso gut mache wie in Absatzschuhen, stieß die 27-Jährige allerdings auf taube Ohren. Und wurde nach Hause geschickt.

Doch Nicola kam es überhaupt nicht in den Sinn, sich wegen der prompten Kündigung zu schämen. Sie stellte eine Petition an die britische Regierung und das Parlament ins Internet: „Make it illegal for a company to require women to wear high heels at work!” Auf Deutsch: Erklären Sie es für gesetzwidrig, Frauen dazu zu zwingen, bei der Arbeit High Heels zu tragen! Eine Woche später hat diese Petition über 137.000 Unterschriften. Ab 100.000 UnterzeichnerInnen debattiert das Parlament.

Auch in London versuchte man sich irgendwie herauszuwinden. Das Unternehmen PwC habe angeblich von nichts gewusst, heißt es. Nicola Thorp sei ja bei dem externen Dienstleister „Portico“ angestellt gewesen, der die Rezeptionistinnen für das Großunternehmen stellt. 

Als trippelnde Sekretärin & als trippelnde Filmbeauty.

Doch das ist, pardon, Gewäsch. Denn dass es für Frauen immer noch zum guten Stil gehört, zu bestimmten Anlässen hohe Absätze zu tragen, ist nicht so neu. Der Zwang taucht immer dann auf, wenn Frauen in ihre Schranken verwiesen werden sollen: Als trippelnde Sekretärin. Als trippelnde Filmbeauty. Als trippelndes Model auf dem Laufsteg. Frauen trippeln schon so lange, dass sie ja selbst manchmal davon überzeugt sind, das müsse so sein und nur in High Heels seien sie sexy. Dabei sind sie leider nur zu oft lächerlich darin. Denn seien wir ehrlich: Die wenigsten Frauen können in High Heels gehen. Von Laufen ganz zu schweigen.

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