Eine zerstörerische Gesetzesreform
Frau Engelken, lesbische Mütter halten schon den Sekt bereit. Sie warten schon lange auf eine Reform des Abstammungsrechtes.
Für lesbische Paare mag die Reform tatsächlich ein Vorteil sein. Sie erspart es der einen Lebenspartnerin, das Kind der anderen Partnerin, das in ihre Ehe hineingeboren wird, adoptieren zu müssen. Deswegen werden sie auch immer an erster Stelle genannt, wenn die Reformabsichten im Abstammungs- und Familienrecht seitens der Ampelkoalition verkündet werden. Doch das ist Masche.
Wieso?
Diese massive Reform im Abstammungs- und Familienrecht kommt hauptsächlich Männern zugute. Die Tragweite scheinen große Teile der Politik und der Gesellschaft noch gar nicht zu überblicken. Unter dem Titel „Mehr Fortschritt wagen: Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ und flankiert vom Aktionsplan „Queeres Leben“ soll das bestehende Familien- und Personenstandsrecht regelrecht umgekrempelt werden. Nach den Plänen der Ampel greift dieses Reformvorhaben nicht nur die Kernfamilie an, die in der Tat eine patriarchale ist, sondern vor allem das Recht der Mutter und das Recht der Frauen auf den eigenen Körper.
Warum?
Fangen wir mit der „Mehrelternschaft“ an, die auch auf dem Regenbogenticket reist. Bislang gilt in Deutschland – wie in fast allen anderen Ländern auch – die Zwei-Elternschaft. Mit dem Reformvorschlag zur „Mehrelternschaft“ sollen künftig vier Personen Elternteile eines Kindes werden können, egal, in welcher Konstellation sie zueinander und zum Kind stehen.
Und was spricht dagegen?
Noch vor der Zeugung des Kindes soll eine Elternschaftsvereinbarung bestimmen dürfen, wie das Sorge-, Unterhalts- und Umgangsrecht aussehen sollen. Davon mal abgesehen, dass vieles auf einmal ganz anders ist, wenn so ein Kind da ist und eine Frau eine rechtliche Regelung, die sie vor der Geburt getroffen hat, nun vielleicht nicht mehr will, bereitet diese Reform den Boden für die Leihmutterschaft. Die Frau wird zur notariell beurkundeten festgelegten Gebärmaschine ohne ein Zurück. Bisher ist stets die Gebärende die Mutter eines Kindes. Selbst dann, wenn es genetisch, etwa durch eine Eizellenspende, nicht von ihr abstammt. Diese Reformpläne degradieren sie jedoch zu einer unguten Kombination aus Billiglöhnerin und Fertigungsroboter. Was ist, wenn sie eine Abtreibung will? Was ist, wenn ein Bestell-Elternteil eine Abtreibung will? Etwa, weil der Fötus eine Behinderung hat. Bisher kollidieren die Pläne zur Legalisierung der Leihmutterschaft mit dem klaren gesetzlichen Verbot im deutschen Embryonenschutzgesetz. Ärzte riskieren bis zu drei Jahre Gefängnis, wenn sie einer Frau einen Embryo als „Embryonenspende“ entnehmen oder ihn einer anderen Frau zum Zweck einer „Leihmutterschaft“ einsetzen. Strafbar nach dem Adoptionsvermittlungsgesetz machen sich auch Vermittlungsagenturen für Leihmutterschaft und Embryonenspende. Deshalb wollen einige Reformer das Verbot am liebsten kippen.
Und was sagt die EU zu diesen deutschen Plänen?
Die EU-Kommission öffnet möglicherweise gerade eine Hintertür, um die verbotene Leihmutterschaft doch in Deutschland anerkennen zu lassen. Ihr „Verordnungsvorschlag“ vom 7. Dezember 2022 sieht die Schaffung eines „europäischen Elternschaftszertifikats“ mit der grenzüberschreitenden Anerkennung der Elternschaft in EU-Mitgliedstaaten vor. Diese Urkunde würde de facto zur Anerkennung der Leihmutterschaft in Ländern führen, die sie bislang verboten haben, also etwa Deutschland und die Schweiz. Würde das Zertifikat beispielsweise in Griechenland, wo altruistische Leihmutterschaft legal ist, den „Bestelleltern“ ausgestellt, müsste ihre Elternschaft dann auch in Deutschland anerkannt werden. Von da aus ist es nur ein winziger Schritt, Drittstaaten wie die Ukraine anzuerkennen, in denen die Leihbabyproduktion floriert. Dieser Vorschlag trägt eindeutig die Handschrift der Pro-Leihmutterschaftslobby; der Milliarden-Markt ist einfach zu verlockend. Allerdings muss diese EU-Ratsverordnung einstimmig beschlossen werden. Deutschland müsste wegen des Verbotes der Leihmutterschaft eigentlich mit Nein stimmen, es sei denn, das Embryonenschutzgesetz und das Adoptionsvermittlungsgesetz würden geändert. Und ein solcher Schritt würde wohl auch viele Konservative auf den Plan rufen.
Annika Ross hat mit Eva Engelken auch darüber gesprochen, was die geplante Reform das Adoptionsrecht verändern würde; was die Neudefitinion von Geschlecht als "Gender-Identität" für das Familienrecht bedeutet und was die Reformpläne der Ampelkoalition mit dem "Wechselmodell" zu tun haben.
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