Dmax oder: Männer haben's schwer

Die Ludolfs - vier Brüder auf'm Schrottplatz.
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Juan Moreno hat sich im Auftrag von EMMA einem Selbstversuch ausgesetzt: Er hat DMAX angeschaltet, den Sender für den Mann, der auch mal eine starke Schulter zum Anlehnen braucht.

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Vor einiger Zeit wurde Patrick Hörl zu seinem Sender befragt. Patrick Hörl ist Geschäftsführer von DMAX. Es war Anfang September vergangenen Jahres, DMAX hatte gerade den Sendebetrieb aufgenommen. Patrick Hörl wurde gefragt, warum man so etwas wie einen Fernsehsender nur für Männer überhaupt braucht. Es war eine naheliegende Frage, die naheliegendste überhaupt. Man hatte sich das ja so ähnlich schon mal gefragt. 1995 war das, damals ging es um Frauen.
Es hieß, dass Frauen ganz eigene Fernsehbedürfnisse hätten, und dass man darauf mit einem ganz eigenen Sender reagieren wolle. TM3 wurde erfunden, und sechs Jahre später wusste man, dass das mit den weiblichen Fernsehbedürfnissen nicht so einfach ist. Im Nachhinein wurde gesagt, dass das Problem bei TM3 vermutlich die Frauen waren. Frauen sind einfach zu verschieden, neigen zur Individualität. Schwierig sowas.
Fernsehmäßig betrachtet sind Frauen komplizierter als Sportfans (DSF), Börsenmakler (n-tv) oder Christen (Bibel TV). Die Verantwortlichen bei TM3 mussten sich für einen Typ Frau entscheiden - und sie entschieden sich für den Bild der Frau-Abonnentin-Typ. Es gab Vorher-Nachher-Shows, die Frage, welche Gardine zu Ostern passt, und lange Gespräche, warum Männer morgens den Mund nicht aufkriegen, und abends eigentlich auch nicht.
Irgendwann kaufte der Frauensender TM3 die Rechte an der Fußball-Champions-League, was viele überraschte, und Harald Schmidt eine komplette Fußballsaison lang mit sehr lustigen Witzen versorgte. 2001 wurde aus dem Frauensender TM3 der Horrorsender 9Live. Das Thema Frauen-Fernsehen war vorbei. Übrig blieb der moderierende Jürgen, Slatkos bester Freund, der dem Zuschauer mit seinen unerträglichen Call-in-Sendungen nun so sehr auf die Nerven gehen sollte, wie er es noch nicht einmal zu seinen Hochzeiten als ‚Big-Brother'-Kandidat auch nur im Ansatz geschafft hatte.
Patrick Hörl war im September 2006 vorbereitet auf die Frage nach dem Sinn eines Männersenders. Auf die naheliegende Frage gab er eine wenig naheliegende Antwort. Die lautete so: "DMAX ist ein Befreiungsschlag für Männer. Das Programm bietet Männern eine gewisse Hilfestellung in einer doch sehr schwierigen Lebenssituation. Männer mussten in den letzten dreißig, vierzig Jahren viele teils widersprüchliche Rollenbilder durchlaufen, vom Frauenversteher zum Metrosexuellen bis wieder zum echten Kerl."
Er hätte auch sagen können, dass nachdem Alexander Kluge und Stefan Aust mit ihrem Kultursender XXP gescheitert waren, der Privatsender Discovery Channel aus den USA recht günstig an die Programmfrequenz gekommen war und nun versuchte, mit einem Männersender Geld zu verdienen. DMAX sollte vor allem als Abspiel-Plattform von bereits für die USA produzierte Sendungen dienen. Aber das kann man nicht so sagen als Geschäftsführer. Sender brauchen eine Mission, also wird die Sache mit den Rollenbilder angeführt. DMAX sieht sich gewissermaßen als Männerversteher-Kanal. Männer haben es schwer, sie brauchen Orientierung, Halt, Hilfe. DMAX ist ein bisschen die starke Schulter zum Anlehnen für Männer. DMAX versteht Männer. Das ist die Message. DMAX meint es gut mit uns.
Man bekommt eigentlich immer ein bisschen Angst, wenn Fernsehsender es gut meinen. Egal, welches Geschlecht man hat.
DMAX ist ein 24-Stunden-Vollprogramm. Man kann es in vielen Gebieten bereits über das Kabelnetz empfangen oder bundesweit mit einer Satellitenschüssel. Es laufen so genannte Factual-Entertainment-Formate, eine Art inszenierte Dokumentation. Man kann sich das ein bisschen wie bei der ‚Super Nanny' auf RTL vorstellen. Allerdings ohne Kinder. Kinder kommen bei DMAX nicht vor. Eigentlich ist es ganz einfach. Es gibt ein Kamerateam, einen Protagonisten und die Welt, in der dieser Protagonist ist. Sein Arbeitsplatz, sein Abenteuer, am besten beides gleichzeitig.
Was DMAX dann macht, ist nicht leicht zu beschreiben, eine Mischung aus Reinhold Messner, einem verfilmten Autoteile-Katalog und dem Ausbildungsvideo für angehende Maschinenschlosser. In den Sendungen geht es unter anderem um Motorradbauer in New York, Rennwagenkonstrukteure aus Kalifornien, Krabbenfischer aus Alaska oder Schrottplatzbesitzer aus dem Ruhrgebiet. Die Formate heißen: ‚Der gefährlichste Job Alaskas', ‚American Chopper', ‚American Hod Rod', ‚Das Ozean-Abenteuer - Im Ruderboot über den Atlantik', ‚Die Ludolfs - vier Brüder auf'm Schrottplatz' (Foto links), und, besonders hübsch, ‚Kampf der Tiermaschinen: Jaguar gegen Anakonda'.
Dem Namen der Sendungen nach ist DMAX eine Art Testosteron-Fernsehen. Man muss sich das Männerbild in etwa so vorstellen: Grobe, irgendwie prankige Kerle, die sich mit dem Schweißbrenner eine Zigarette anzünden, die nach Schweiß und Bremsflüssigkeit riechen, die morgens, falls sie sich rasieren, dafür Schmirgelpapier nehmen. Einen Rülpser halten sie für einen grammatikalisch akzeptablen Satz, und weil diese Männer auch ein bisschen sensibel sind, gehen sie manchmal mit einem Bubbler (das ist ein Fischköder) an den Rhein und fischen Rapfen. So ungefähr ist der DMAX-Mann. Ein richtiger Mann, der richtige Männer-Dinge tut.
Das alles ist ein bisschen verwirrend. Irgendwie krempelt bei DMAX immerzu jemand die Ärmel hoch. Leistung lohnt sich, schwingt im Subtext die ganze Zeit mit. So Motivations-Zeug. Habe ein Ziel! Verfolge es! Wer soll an Dich glauben, wenn nicht Du es tust! Du allein setzt Dir Deine Grenzen! Herausforderung als Chance! Mann oder Manuela! Würde die FDP Fernsehen machen, es wäre ein bisschen wie DMAX.
Eine der bekanntesten DMAX-Sendungen heißt ‚American Chopper'. In den USA ist sie ein großer Erfolg. Es wird die Geschichte von Orange County Choppers aus New York erzählt. Paul Teutul Senior, Patriarch mit Schwarzenegger-Figur und Motorrad-Konstrukteur, hat eine kleine Fabrik, in der diese amerikanischen Easy-Rider-Motorräder gebaut werden. Jedes Motorrad ist ein Unikat. Er hat zwei Söhne, Paul Teutul Jr. und Michael Teutul. Paul Junior ist ein toller Designer, der immer wieder schöne Motorräder entwirft. Leider ist er stinkfaul. Michael Teutul, der andere Sohn, ist noch viel fauler, dazu in technischen Sachen eine Niete.
Der Ablauf der Folgen ist immer gleich. Am Anfang der Sendung kommt der Auftrag, ein ganz besonderes Motorrad für einen Kunden zu bauen. Häufig sind es prominente Kunden. Darunter der Sänger Billy Joel, der Schauspieler Will Smith oder Radrennfahrer Lance Armstrong. Der Junior fängt an, das Motorrad zu bauen. Aus Blech wird der Tank geformt, was einen ganzen Tag dauern kann, die Auspuffrohre werden geformt, der Lenker entworfen. Die meiste Zeit wird geschraubt, gefräst, gefeilt und mit einem Hammer auf Metall eingeschlagen. Es hat durchaus etwas Meditatives. Spannend wird es, wenn Paul Teutul Senior in die Werkstatt kommt, sich hinter seinen Sohn stellt, und irgendwann sagt, dass der faule Hund schneller arbeiten soll. Es kommt zum Streit. Immer kommt es zum Streit. In den nächsten Minuten brüllen sich die beiden an. Was sie sagen, versteht man nicht. Es ist nur Piepen zu hören. Flüche möchten die amerikanischen Besitzer von DMAX nicht auf ihrem Sender.
Nach dem Streit folgt etwas, was jedem Dokumentarfilmer das Herz brechen dürfte, sich mittlerweile aber durch fast alle Filme bei DMAX zieht. Der Protagonist tritt aus der Dokumentation und erzählt nochmal nach, was jeder gerade gesehen hat. Vielleicht damit auch der letzte die Sache noch kapiert. Es folgen Sätze wie: "Ich habe mich nicht gern mit Pauly gestritten, aber wenn er den Tankdeckel für unser Bike nicht bis Daytona fertig bekommt, ist die Kacke am Dampfen."
‚American Chopper' ist in den USA ein sehr großer Erfolg. Die Serie lebt von einem klassischen Vater-Sohn-Konflikt, und wenn man sich dafür interessiert, wie man ein Motorradschutzblech formt, ist gegen ‚American Chopper' nichts zu sagen. Die anderen Sendungen bei DMAX sind ähnlich, wenn auch meist deutlich schlechter. Ein Kamerateam, ein Umfeld, ein oder mehrere Protagonisten, und wenn man Glück hat, ein Konflikt, der ein bisschen Dramaturgie ermöglicht.
DMAX hat sich für eine Art busenfreies Männermagazin-Fernsehen entschieden. Sex kommt bei DMAX nicht vor, auch nicht nach Mitternacht in Form von kleinen debilen Nimm-mich-hier-Clips. Das wird zwar gern vom Sender mit dem Respekt vor Frauen begründet, liegt aber vermutlich an den Geldgebern aus Amerika, die um ihren Ruf als Familiensender fürchten müssen.
Männern dabei zuschauen, wie sie Männersachen tun. Variationen einer Grundthese, genau das ist leider das Problem. Denn Männer sind fernsehmäßig in etwa so unbrauchbar wie Frauen. Wenn Frauen verstehen wollen, wie sich manche Männer fühlen, die DMAX schauen, dann sollten sie sich vielleicht folgende Situation vorstellen, eine Situation, die viele Frauen kennen:
Eine Buchhandlung irgendwo in Deutschland. An den Wänden Regale, über den Regalen kleine Schilder: EDV, Reise, Romane, Reclam. Irgendwo in der Mitte steht das Regal mit den Bastei-Heftchen, die Titel heißen ‚Das Diadem der Königin', ‚Im Mai sollst Du den Brautkranz tragen' oder ‚Chefarzt Dr. Holl - Wo Leben ist, da ist auch Hoffnung'. Auf dem Schild über den Heften steht - Frauenliteratur. Es könnte auch darüber stehen: "Hier zwei Quadratmeter Regal mal gar kein Hirn", aber nein, das Schild sagt: Frauen wollen das lesen. Jede Frau, die den - sehr oft aber auch die - BuchhändlerIn verprügeln will, sollte für dieses Frauenbild ein mildes Urteil erwarten.
Nun, genau dieses Gefühl haben Männer wie ich, wenn sie gezwungen werden, im Auftrag von EMMA über längere Zeit DMAX zu schauen.
Juan Moreno, EMMA Juli/August 2007
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