20 Fragen an: Armin Laschet

Foto: Uta Wagner/STK NRW
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Warum sollten Frauen Sie bzw. Ihre Partei wählen?
Armin Laschet Weil wir Antworten für Themen geben, die für eine gleichberechtigte Gesellschaft wichtig sind. Dazu gehören zum Beispiel gute Aufstiegsmöglichkeiten. Corona hat die Bildungsfrage in den Mittelpunkt gerückt und wir wissen, wo wir nachsteuern müssen. Und: Frauen schätzen Arbeitsplatzsicherheit. Bei der CDU steht die Schaffung von sicheren Arbeitsplätzen an erster Stelle. Frauen wollen sich auch sicher auf der Straße oder im öffentlichen Raum bewegen, bei Tag wie bei Nacht. Wir bekämpfen Kriminalität, wir stehen für Sicherheit und Ordnung.

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Welches frauenspezifische Problem, das politisch geregelt bzw. bekämpft werden kann, scheint Ihnen das dringlichste?
Zunächst ein Gedanke zum Wie: Frauen werden als Gestalterinnen in allen gesellschaftlichen Bereichen gebraucht. Ihre Erfahrungswerte und Sichtweisen müssen ganz selbstverständlicher Bestandteil von politischem Handeln sein. Deshalb ist ein paritätisch besetztes Bundeskabinett für mich wichtig, um dann gemeinsam die drängendsten Probleme zu lösen: Lohn- und Rentenlücken von Frauen schließen und alle Formen – ob real oder digital – von Gewalt gegen Frauen bekämpfen. Darüber hinaus gilt es, Familienzeit zu ermöglichen – für Frauen und Männer gleichermaßen. Es gibt also viel zu tun.

Sie sagen von sich, Sie seien FeministIn. Was verstehen Sie darunter?
Ein Feminist arbeitet daran, dass man dieses Wort nicht mehr braucht – weil Gleichberechtigung und echte Entscheidungsfreiheit dann real geworden sind. Geprägt hat mich dabei schon früh meine Arbeit für die damalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, die für unsere Gesellschaft, aber gerade auch für die Veränderung der CDU viel geleistet hat. Noch heute drängt sie, kämpft sie und gibt Rat, gerade auch mir persönlich.

Meinen Sie, dass auch der Frauenhass - in der virtuellen wie realen Welt - stärker thematisiert und bekämpft werden muss? Wenn ja, wie?
Frauenhass ist Menschenhass und betrifft uns alle. Wir sehen doch die üblen, oft sexualisierten Beleidigungen und die Bedrohung von Frauen im Netz. Wir müssen die Plattformen noch stärker in die Verantwortung nehmen. Der Staat ist ebenso in der Pflicht. Wir werden frauenfeindlichen Straftaten rigoros ahnden. Um das wahre Ausmaß zu kennen, brauchen wir mehr Daten. Deshalb will die CDU diese Straftaten in der Kriminalstatistik separat ausweisen lassen. Und wir wollen, dass Frauen Gewaltspuren vertraulich, aber gerichtsfest, dokumentieren lassen können, ohne dass automatisch ermittelt wird. So können Frauen auch später gegen die Täter vorgehen.

Laut Istanbul-Konvention fehlen in Deutschland 14.000 Plätze in Frauenhäusern. Würden Sie das ändern wollen? Wenn ja, wie?
Jede schutzsuchende Frau muss Schutz bekommen. Für ein möglichst umfassendes Netz an Hilfsangeboten, Infrastruktur und Finanzierung sind die Länder zuständig. In Nordrhein-Westfalen gibt es ein Frauenhilfenetz mit 64 Frauenhäusern und mehr als 110 Beratungsstellen. Als Frauenminister habe ich für diese flächendeckende Infrastruktur gekämpft. Seit meinem Amtsantritt als Ministerpräsident haben wir die Finanzmittel kontinuierlich angehoben und konnten so zum Beispiel die Schutz-Akutplätze in den landesgeförderten Frauenhäusern um rund 10 Prozent ausbauen. Gerade in der Pandemie konnte so jede Frau bei uns Schutz finden. Das müssen wir in ganz Deutschland sicherstellen.

Welche Möglichkeiten sehen Sie, (potenzielle) Opfer - Frauen wie Kinder - zu schützen bzw. Ihnen zu helfen?
Hinsehen und helfen ist wichtig: Unser Ziel ist es, Kitas und Schulen zu zentralen Schutzorten vor sexueller Gewalt zu machen. Ich bin für das Pflichtfach Kinderschutz – bei der Erzieherausbildung, im Studium Soziale Arbeit, in der Pädagogik, in der Ausbildung für Familiengerichte, im Psychologiestudium, in der Ausbildung von Kinderärzten. Und wer sich an Kindern und Jugendlichen vergeht, darf nie wieder beruflich oder ehrenamtlich Umgang mit ihnen haben. Um das zu realisieren, ist ein lebenslanger Eintrag im erweiterten Führungszeugnis notwendig. Und: Das psychotherapeutische Behandlungsangebot für Kinder und Jugendliche muss flächendeckend ausgebaut werden.

Es gibt immer noch keinen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung von Kindern in Krippen, Kindergärten und Grundschulen. Sind Sie dafür?
Wir haben einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschüler beschlossen, und er wird stufenweise in Kraft treten. Mir ist besonders wichtig, dass die Qualität der Kinderbetreuung auf den Bedarf der Eltern zugeschnitten und verlässlich ist. Dafür nehmen wir viel Geld in die Hand, mehr als drei Milliarden Euro. Parallel werden wir den Kita-Ausbau vorantreiben, auch hier die Weiterentwicklung der Qualität finanziell fördern und die Kommunen dabei unterstützen. Denn damit helfen wir nicht nur Kindern in ihrer Entwicklung, sondern auch den Eltern bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Das Ehegattensplitting ist seit Jahrzehnten in der Kritik. Würden Sie es ganz oder teilweise abschaffen?
Die Ehe ist Ausdruck einer Lebens- und Wertegemeinschaft. Uns geht es vor allem darum, die finanzielle Situation von Familien spürbar zu verbessern. Dafür haben wir den Kinderfreibetrag und das Kindergeld deutlich erhöht. Perspektivisch strebt die CDU den vollen Grundfreibetrag für Kinder an und damit den Einstieg in ein Kindersplitting. Die Abschaffung des Ehegattensplittings, wie sie zum Beispiel die Grünen planen, kann gerade für junge Verheiratete zu finanziellen Belastungen führen.

Sollte die benachteiligte Lage von alleinerziehenden Müttern verbessert werden? Wenn ja, wie?
Ja, natürlich. Sie sind ganz überwiegend Teil der hart arbeitenden Mitte, und es ist doch bereits für die meisten Elternpaare ein Kraftakt, Kinder groß zu ziehen, den Kühlschrank zu füllen und immer öfter auch Angehörige zu pflegen. Alleinerziehende Berufstätige – in der übergroßen Mehrheit Frauen – hatten im Lockdown die wahrscheinlich größte Belastung. Mir ist es ein Anliegen, alleinerziehende Frauen finanziell besser zu stellen. Erste Schritte sind wir schon gegangen, indem wir den steuerlichen Entlastungsbetrag verdoppelt haben. Perspektivisch wollen wir ihn auf 5.000 Euro erhöhen.

Deutschland ist im europäischen Ranking fast Schlusslicht beim Gender-Gap. Welche Möglichkeiten sehen Sie für die Politik, das zu bekämpfen?
Die Politik kann etwas tun, aber nicht allein. Stichwort Teilzeit: Wichtig ist, dass es eine freie Entscheidung ist – und nicht an fehlender Kinderbetreuung liegt. Wir müssen die Rahmenbedingungen schaffen, damit Mütter und Väter Familie und Beruf besser vereinbaren können. Und auch Karrieren in Teilzeit sollten kein Tabu sein. Wir können mehr Frauen für Karrieren in technisch-naturwissenschaftlichen Bereichen begeistern. Und wir befürworten flexiblere Öffnungszeiten am Abend und den Wochenenden. Und wir werden überprüfen, wie wirkungsvoll das Entgelttransparenz-Gesetz ist und es, falls nötig, überarbeiten.

Wollen Sie etwas zum Schutz von drohender Altersarmut, speziell bei Frauen, tun? Wenn ja, was?
Drei Aspekte sind mir bei der Rente wichtig. Erstens: Leistung muss sich lohnen. Wer ein Leben lang gearbeitet oder Kinder erzogen hat, muss mehr haben als jemand, der nicht gearbeitet hat und sollte nicht auf Sozialhilfe angewiesen sein. Deshalb haben wir mit der Grundrente dafür gesorgt, dass kleine Renten nach langer Erwerbstätigkeit bedarfsgerecht aufgestockt werden. Zweitens: Rente muss ein Leben in Würde ermöglichen und immer mehr sein als nur Armutsbekämpfung. Gerade mit Blick auf Geringverdiener wollen wir ein Konzept einer „Betrieblichen Altersvorsorge für alle“ entwickeln, um diese wichtige Säule zu stärken. Und drittens: Die Rente muss nachhaltig, sicher und solide finanziert sein.

Halten Sie es für nötig, den Schutz von Kindern zu verstärken und Ihnen zu mehr Rechten zu verhelfen? Wenn ja, wie?
Kinder und Jugendliche mussten in der Pandemie massiv zurückstecken, um Ältere zu schützen. Monatelang kein Schulbesuch, kein Sport im Verein – es gab Fälle, da haben Anwohner die Polizei alarmiert, wenn sie ein Kind auf dem gesperrten Spielplatz gesehen haben. Wir müssen da viel wiedergutmachen, denn unser Ziel ist, dass kein Kind und kein Jugendlicher zurückbleibt. Geplant sind eine Milliarde Euro für Nachhilfe und eine weitere Milliarde Euro, um psychische Pandemie-Folgen bei Kindern zu bewältigen. Wir wollen zudem ein Bundesprogramm, um Einrichtungen für die Erstversorgung von gewaltbetroffenen Kindern deutschlandweit zu etablieren.

Sind Sie für eine Legalisierung der Leihmutterschaft? Wenn nein: Würden Sie Massnahmen gegen die schleichende Legalisierung via Ausland ergreifen?
Als CDU lehnen wir Leihmutterschaft ab. Sie birgt erhebliche Risiken für das Kind, und auch für die Frauen. Außerdem verstößt sie gegen fundamentale Wertentscheidungen unserer Rechtsordnung. Durch die Schwangerschaft entsteht eine enge körperliche und psychosoziale Verbindung zwischen Mutter und Kind. Im Ausland sehen wir Streitigkeiten zwischen Wunsch-eltern und Leihmüttern über die Herausgabe der Babys. Das verdeutlicht die ethische und rechtliche Problematik. Wir halten daher auch im Abstammungsrecht daran fest: Die Mutter ist nur diejenige Frau, die das Kind geboren hat. Essenziell ist auch, dass ein Kind nicht mehr als zwei rechtliche Elternteile hat.

Abtreibung. Würden Sie die §§218 und 219b reformieren bzw. abschaffen?
Das ist ein hoch emotionales Thema und ich möchte an dem gesellschaftlichen Konsens festhalten, der nach hartem Ringen in Bezug auf den Schutz des ungeborenen Lebens und den Umgang mit Schwangerschaftsabbrüchen gefunden wurde. Rita Süssmuth hat diesen gesellschaftlichen Konsens mit ihrem „Dritten Weg“ ermöglicht. Eine Abschaffung des Paragraf 219a lehnen wir ab, weil Werbung für einen Schwangerschaftsabbruch verboten bleiben sollte. Gleichzeitig soll dem Informationsbedürfnis der betroffenen Frauen besser nachgekommen werden.

Sind Sie für einen Geschlechtswechsels via "Sprechakt", also die Selbstdefinition des Geschlechts, ohne medizinische Diagnose? Wenn ja, ab welchem Alter?
Wir wollen das Transsexuellengesetz, unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, auf eine zeit-gemäße Grundlage stellen und tragfähige Lösungen entwickeln, die unter anderem dem Wunsch zur Selbstbestimmung der Betroffenen gerecht werden.

Prostitution. Es gibt die Forderung nach Bestrafung von Freiern: Zur Eindämmung der Nachfrage, plus Hilfen zum Ausstieg für die Frauen.
Prostituierte müssen besser geschützt werden, da es nach wie vor trotz klarer Verbote Zuhälterei, Zwangsprostitution und Menschenhandel gibt. Dieser Zustand ist für uns inakzeptabel. Der Staat muss seinem Schutzauftrag für die Schwächsten gerecht werden, neben der Berufsfreiheit. Die CDU will die Prostitution von Schwangeren sowie Heranwachsenden unter 21 Jahren verbieten – mit einer entsprechenden Bestrafung der Freier. Und wir wollen stärkere Regulierung für den Straßenstrich aufgrund der dort oft menschenunwürdigen Bedingungen.

Das BKA fordert eine Mindestspeicherfrist der Vorratsdatenspeicherung von zehn Wochen. Wie stehen Sie dazu?
Unsere schärfste Waffe im Kampf gegen Kindesmissbrauch ist die Vorratsdatenspeicherung. Deshalb treiben wir auf europäischer Ebene voran, eine grundrechtskonforme Regelung zur Speicherung und zum Abruf von Telefonnummern und IP-Adressen zu schaffen. Nur über den Zugriff auf gespeicherte Daten können wir die Verbreitung von Missbrauchsbildern im Netz aufklären. Diese Vorratsdatenspeicherung brauchen wir auch bei schweren Straftaten, im Kampf gegen Rechtsextremisten und Terroristen. Dort ist sie oftmals das entscheidende Mittel, um Anschläge zu verhindern. Und wir brauchen sie dringend bei allen Fällen von Kindesmissbrauch.

90 % aller befragten Bürgerinnen wünschen sich ein Verbot der Burka, 61 % das Verbot des Kopftuches für Lehrerinnen in der Schule. Und Sie?
Verschleierung ist ambivalent: Sie ist ein Ausdruck religiöser Identität oder Tradition, sie steht aber auch für die Unterdrückung. Bei der Burka-Debatte fanden die Unions-Innenminister 2016 einen Kompromiss: Keine Vollverschleierung in Schulen, vor Gericht oder im Auto. Bei Kopftuch für Lehrerinnen in der Schule: Dort, wo das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin beeinträchtigt werden kann, sollte ein Verbot möglich sein. Es gilt also der Einzelfall. Mit Blick auf Islamverbände steht für uns fest: Vereine gehören verboten, wenn sie gegen Strafgesetze verstoßen oder sich gegen die Verfassung richten. Keinesfalls dürfen wir islamische Gemeinschaften vorverurteilen: Die übergroße Mehrheit der hier lebenden Muslime lehnt gewaltbereiten Extremismus ebenso ab wie Sie und ich.

Migrantinnen und Integration. Ist die die Akzeptanz der Gleichberechtigung auch durch Männer aus frauenfeindlichen Kulturen hierzulande zwingend?
Unser Ziel ist, Deutschland zu einem Land der Chancengleichheit für Frauen und Männern zu machen. Das beinhaltet, dass Menschen, die bei uns leben wollen, Gleichberechtigung akzeptieren. Migrantinnen stärker in den Arbeitsmarkt zu integrieren, ist dabei besonders wichtig. Frauen und Mütter sind in Integrations- und Deutschkursen noch unterrepräsentiert. Deshalb wollen wir auch auf gezielte digitale Angebote setzen. Auf diese Weise können wir auch Kinder besser erreichen.

Tempolimit 130 - Dafür oder dagegen?
Ich halte nichts von derartigen Pauschalverboten. Es gibt klügere Wege, CO₂ einzusparen. Warum soll ein Elektrofahrzeug, das keine CO₂-Emissionen verursacht, nicht schneller als 130 fahren dürfen?
 

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