Es ist mir schwergefallen

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Ich habe abgetrieben und ich habe es, na ja, „bereut“ wäre zu viel gesagt – oder zu wenig präzise. Aber trotzdem liegt in dem soeben Geschriebenen ein Widerspruch, von dem ich nicht weiß, ob nur ich ihn empfinde. Er hat damit zu tun, dass der Satz „Ich habe abgetrieben“ immer gleichzeitig Bekenntnis und Zitat ist – das Stern-Cover, die mit ihm verbundenen politischen Kämpfe der Siebziger Jahre, haben ihn zum Teil unserer Slogan- und Parolenwelt gemacht. Er scheint immer mit einer politischen Agenda ­einherzugehen.

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Diese Agenda kann ja ganz klar nur sein: Ja, natürlich, immer für das Recht der Frau auf Selbstbestimmung über ihren eigenen Körper! Ja, natürlich für die Abschaffung des Paragrafen 219a, der „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche verbietet! Der Nachschub, dass man trauert, dass da vielleicht etwas unstimmig war, scheint den Satz, in diesen öffentlichen Raum geschrieben, zu relativieren.

Ich habe abgetrieben trotz der freundlichen Frau von Pro Familia, die einen fragt, wie viel Prozent denn dafür, wie viele dagegensprechen. Wenn es 90, emotional, dafür sind, dann kann das schon schwierig werden, ganz finster, das sagte sie nicht, also „finster“ sagte sie nicht, sie sagte „schwierig“, aber das wurde es – finster. Ich glaube, mein Problem ist, war, dass ich lange nicht auf die Reihe bekommen habe, warum ich abgetrieben habe. Ich glaube, es sollte ein „Warum“ geben, das stark genug ist. Ich habe seine Manipulationen – Er habe Angst, sein Kind, also das, das er schon hatte, zu verlieren, wenn all das ans Licht käme; auch war ich beruflich von ihm abhängig – zu meinen Gründen werden lassen. Obwohl ich eigentlich in jedem Moment, in dem ich mich besann, wusste, ich wäre stark genug, es würde sich schon alles fügen.

Aber der Vater ist ein Faktor. Und so können auch falsche Entscheidungen richtige werden. Aber ich wünschte, der Weg hin zu dem Punkt, an dem ich, wie jetzt, sehr froh bin, mein Leben nicht auch noch auf diese Weise mit ihm verbunden zu haben, wäre mir erspart geblieben. Es gibt an dieser Erfahrung nichts Gutes.

Ich glaube, dass wir Schwierigkeiten haben, die ungeheure Existenzialität, die ein Schwangerschaftsabbruch haben kann (wenn auch nicht für jede hat, absolut nicht), zu thematisieren, weil der Kampf, das Recht dazu überhaupt zu haben, so schwer war. Weil das Recht weiterhin so bedroht ist. Ich finde aber, wenn man diese Dinge – wie schwer es sein kann – nicht sagt, verkennt man, dass es sich bei einem Schwangerschafts­abbruch um etwas handelt, das erst einmal selbstverständlich nicht im politischen Raum stattfindet, sondern im privatesten, existenziells­ten. Dass es eines der wenigen Ereignisse ist, die unumkehrbar sind, die sich auf eine Weise einschreiben (können), wo es für immer ein Davor und ein Danach gibt, dass man nie wieder der Mensch ohne diese Wunde wird.

Beim Schwangerschaftsabbruch schadet man (so man sich denn schadet, also: wenn es indivi­duell so ist, dass die Trauer zu einem Bereuen wird) kaum einem anderen, sondern sich selbst. Dadurch ist das, was der Schritt anrichtet, merkwürdig bezugslos: Es ist eine Tat ohne Opfer, eine Tat auch ohne moralischen Maßstab, nachdem es wirklich zu einer Tat würde, denn man hat nichts (Verbrecherisches) getan, aber: Man hat sich etwas angetan und muss mit diesem Schmerz leben. Für immer.

Und deswegen sollten wir darüber sprechen, über den Schmerz, um die Möglichkeit, ihn auszusprechen, nicht den Falschen zu überlassen, den so genannten „Lebensschützern“. Denn sie sind es ja, die sich auf jeden einen solchen Schmerz stürzen; sie sind es, die auch das Internet vermint haben mit unlauter dargebotenen Berichten des Bereuens, auf welche die nach einem Ausweg suchende Frau sofort und unausweichlich trifft. Ist es nicht seltsam und auch schlimm, dass der Raum des Sprechens, den wir um diese Entscheidung herum haben, noch immer so sehr ins Nicht-Öffentliche verbannt ist – als handle es sich um etwas Verworfenes?
 

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