Florence klärt beherzt auf

Schulamtsdirektorin Florence Shekete-Brokowski im Kampf gegen Alltagsrassismus. - Foto: Tanja Valérien
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Wenn sie den Raum betritt, geht oft das heitere Beruferaten los. Sängerin? Stewardess? Die Praktikantin aus Timbuktu? Irgendwas „Exotisches“ halt. Wenn sie dann erzählt, was sie wirklich macht, ist das Erstaunen groß. Florence Brokowski-Shekete ist Schulamtsdirektorin, die einzige schwarze in Deutschland. Seit 2013 ist sie am Staatlichen Schulamt Mannheim tätig und wacht über die Einhaltung von Lehrplänen und Personalplanung. Ist es rassistisch, wenn viele weiße Menschen sich nicht vorstellen können, dass eine schwarze und zudem schöne Frau einen so überaus unexotischen Beruf hat? Dass sie Beamtin ist und Vorgesetzte? Ja, irgendwie schon.

Florence Brokowski-Shekete nennt solche Vorfälle „Mikro-Enttäuschungen, wie kleine Nadelstiche“, sagt sie im Zoom-Gespräch. Es tut schon ein bisschen weh, „wenn ein Fotograf für eine Hochglanz-Broschüre in eine Sitzung kommt – und ich bin hinterher auf keinem Foto“. Oder: „Ich gehe zum Arzt und am Ende des Gesprächs will er mir etwas erklären und sagt: ‚Ich weiß nicht, wie man das in Ihrer Sprache sagt.‘“

Das ist nicht ohne Komik, denn Florence Brokowski-Shekete wuchs in Buxtehude auf und bekam erst ein Problem mit „ihrer Sprache“, als sie für ihr Lehramts-Studium nach Heidelberg zog und die Baden-Württemberger nur schwer mit ihrem Hochdeutsch zurechtkamen. Aber manchmal ist dann eben doch Schluss mit lustig. Deshalb hat sich die Schulamtsdirektorin, deren Eltern aus Nigeria stammen, auch den Kampf gegen Alltagsrassismus auf die Fahnen geschrieben.

Mit einer selbstgegründeten Agentur bietet sie heute Anti-Rassismus-Schulungen für Unternehmen und Behörden an, im Deutschen Knigge-Rat ist sie Expertin für „interkulturelle Kommunikation“. Gemeinsam mit der Radio-Journalistin Marion Kuchenny macht sie den Podcast „schwarzweiss“, in dem die weiße und die schwarze Frau sich gegenseitig Fragen über Dreadlocks, weiße Gospelchöre und schwarzen Humor stellen, und zwar „konstruktiv und ohne ideologische Bretter vor dem Kopf“.

Florence Brokowski-Shekete hält nichts von den rigiden und autoritären Tönen, die Einzug in die Rassismus-Debatte gehalten haben. Sie setzt, unabhängig von der Hautfarbe, auf „gegenseitigen Respekt und Wertschätzung, weil ich den Leuten Luft lassen muss, damit sie mir zuhören und etwas verstehen“. So hat die 55-Jährige es gelernt von Irmgard Brokowski, ihrer „Herzensmama“. Die gelernte Schneiderin nahm das kleine Mädchen im Jahr 1969 bei sich auf, als deren Eltern eine Kinderfrau für ihre zweijährige Tochter suchten. Beide studierten in Hamburg, kamen zunächst sporadisch, um Florence abzuholen – und irgendwann gar nicht mehr. Herzensmama Irmgard, eine Vertriebene aus Westpommern, wusste, wie sich Heimatlosigkeit anfühlt und gab dem Kind ein „behütetes, warmherziges Zuhause“. So erzählt es die Herzenstochter in ihrer Autobiografie, die im September 2020 erschien. Ironischer
Titel: „Mist, die versteht mich ja!“

Florence, genannt Flori, wächst auf mit Dalli Dalli, Heidi Kabel und mit Brathähnchen, Rotkohl und Klößen. Es ist wenig Geld da, die Kirchengemeinde spendet immer wieder für die beiden. Doch das schwarze Mädchen spürt, dass es die Anerkennung mit Angepasstheit bezahlen muss. Das gilt auch für ihre Berufswahl: In der Ausländerbehörde erklärt man Florence, die auch mit 16 noch keinen deutschen Pass hat, dass sie etwas Solides machen und zuverlässig Geld verdienen müsse, weil sonst die Ausweisung drohe. Florence studiert Deutsch, Englisch und Religion. Mit 21 wird sie von Irmgard Brokowski adoptiert und hat endlich die deutsche Staatsbürgerschaft. Mit 27 wird sie alleinerziehende Mutter eines Sohnes.

„Du bist zu geduldig mit Weißen“, werde ihr immer wieder von Schwarzen vorgehalten. „Aber ich habe keine Lebensempörung“, sagt sie. „Bei mir ist das Glas immer halbvoll.“ Florence Brokowski-Shekete setzt lieber auf Vorbilder. In ihrem aktuellen Buch stellt die schwarze Schulamtsdirektorin elf andere schwarze Menschen in „nicht erwartbaren Berufen“ vor: vom Kantor bis zur Gynäkologin, von der Rechtsanwältin bis zum Metzgermeister. Menschen also, bei denen das heitere Beruferaten für ähnliche Überraschungen sorgt wie bei ihr selbst.

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